Wenn es um Edelmetalle geht, bevorzugen Diebe, Börsianer und Schmuckliebhaber eigentlich Gold, Silber oder Platin. Doch den einstigen Lieblingen hat in den vergangenen Monaten ein anderes Edelmetall den Rang abgelaufen: Palladium. Ein Industriemetall, Ordnungszahl 46 im Periodensystem. Und derzeit: teurer als Gold.
Am 5. Dezember 2018 hat der Palladium- Preis den Goldpreis erstmals seit 2002 wieder übertroffen und den Abstand seither vergrössert. Eine Feinunze Palladium kostet aktuell um die 1455 Dollar je Unze, für Gold muss man je Unze 1326 Dollar hinblättern. Palladium war zuletzt dreimal das Edelmetall mit der stärksten Jahresperformance. In den letzten 52 Wochen ist der Palladium-Preis um knapp 40 Prozent angestiegen (siehe Grafik rechts). Was ist bloss los auf dem Rohstoffmarkt?
Der Grund für den Höhenflug des silbrigen Metalls ist eindeutig: Es gibt schlicht und einfach zu wenig Palladium. Laut UBS-Rohstoffanalyst Giovanni Staunovo übersteigt die Nachfrage das Angebot seit acht Jahren. Eine Studie der amerikanischen Citibank beziffert die fehlende Menge an Palladium alleine im vergangenen Jahr auf über 600'000 Unzen. «Das treibt den Preis», sagt Staunovo. Die Minenproduktion und das Recycling können die Nachfrage nicht stillen.
Zudem neigen sich die Vorräte dem Ende zu. Palladium wird insbesondere in Russland als Nebenprodukt von Nickel gefördert. Während des Kalten Krieges gab es keine Verwendung für das Nebenprodukt, daher hat es der Staat den Minenbetreibern kurzerhand abgekauft. «Als Katalysatoren in Autos eingesetzt wurden und der Preis für Palladium anstieg, konnte der russische Staat diese strategischen Reserven allesamt verkaufen», erklärt Staunovo. Das hat das Angebot noch stärker verknappt.
Den Höhenflug der letzten Jahre unterstützt hat der Abgasskandal rund um den deutschen Autobauer Volkswagen. Das Edelmetall Palladium hat indirekt von den Tricksereien der Automobilbranche profitiert. In Europa werden statt Dieselautos seither vermehrt Benziner gekauft. «Der Dieselskandal trieb die Nachfrage nach Benzinautos, für deren Katalysatoren Palladium benötigt wird», sagt Staunovo.
80 Prozent der Nachfrage für Palladium kommt aus dem Automobilmarkt. Klassischerweise werden Benziner mit Palladium gereinigt, Diesel mit Platin-Katalysatoren. In Europa steigen nun viele Autofahrer um, zusätzlich werden die Abgasvorschriften weltweit, aber insbesondere in China strenger: Es braucht pro Katalysator einen höheren Palladium-Anteil – dies beflügelt die Nachfrage und treibt den Preis weiter nach oben.
Hier kommen die Diebe ins Spiel: In den USA, aber auch in Grossbritannien mehren sich die Diebstähle von Katalysatoren. Oft werden die Abgasanlagen bei parkierten Autos geklaut. Die Diebe fahren neben das ausgewählte Auto, kriechen drunter und holen sich in weniger als 20 Sekunden den verdreckten, aber wertvollen Katalysator. Wie das «Wall Street Journal» schreibt, bekommt man auf dem US-Schwarzmarkt für eine Auspuffanlage zwischen 150 und 450 Dollar – je nach Modell.
In der Schweiz sind derzeit keine solchen Diebstähle bekannt, wie eine Umfrage bei den grösseren Kantonspolizeien und Autoversicherern zeigt. Laut dem Auto Gewerbe Verband kam es in den vergangenen Jahren aber immer wieder zu Einbrüchen in Garagebetriebe, bei welchen es die Diebe auf Katalysatoren abgesehen hatten.
Auch bei Vasso, dem Verband der Autoverwerter, sind aus diesem Jahr keine Katalysatoren-Diebstähle bekannt. «In der Regel werden die Ersatzteillager mit den Katalysatoren gut weggeschlossen», sagt Präsident Andreas Kaufmann. Man habe aus der Vergangenheit gelernt. Er bestätigt, dass bei parkierten Autos der Diebstahl relativ einfach sei, ein Winkelschleifer genüge, um einen Katalysator zu stehlen.
Steigen die Preise eines Rohstoffs stark an, sind natürlich auch die Spekulanten an den Börsen nicht weit. Im Vergleich mit den anderen Edelmetallen schwankt der Palladium-Preis jedoch sehr stark. Wer in Palladium- Anlagen investiert, sollte sich auskennen. «Der relativ kleine Palladium-Markt und die tiefen Handelsvolumina können zu grossen Kursschwankungen führen», erklärt der Rohstoffanalyst Staunovo die hohe Volatilität.
Dass die Preise ungebremst nach oben steigen, davon geht Staunovo jedoch nicht aus: «Kurzfristig mag Palladium teurer werden. Allerdings schwächelt in den grossen Märkten der Autoabsatz, deshalb prognostizieren wir einen leichten Rückgang des Palladium-Preises.»
Auch könne es sein, dass die grosse Preisdifferenz zwischen Palladium und Platin bei den Herstellern von Katalysatoren zu einem Umdenken führe. «Sie könnten künftig Katalysatoren für Benziner mit Platin statt Palladium herstellen», sagt er. Das würde den Preis zusätzlich unter Druck bringen. Allerdings braucht eine solche Umstellung in der Fertigung von Katalysatoren ihre Zeit, Experten rechnen hier mit ein bis zwei Jahren.
Neben der Automobilindustrie kommt Palladium in der Zahntechnik, bei Elektronikbauteilen, in der Chemieindustrie und natürlich in der Schmuckindustrie zum Einsatz. Noch ist der Anteil von Palladium, das in Ringen, Ketten oder Ohrsteckern verarbeitet wird, bescheiden klein – 1 Prozent der Nachfrage landet bei den Goldschmieden.
Ein deutlich grösserer Teil des Schmucks wird aus Platin gefertigt. Das Schwestermetall hat in den vergangenen Jahren jedoch stark an Wert eingebüsst. Hauptgrund ist die tiefere Nachfrage wegen des Dieselskandals. Wer nun glaubt, dass der tiefere Platin-Preis zu einer höheren Nachfrage aus der Schmuckindustrie führt, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Nachfrage hat nachgelassen. Der Grund: Platin wird als minderwertig angesehen, weil zu günstig. Palladium ist derzeit der Stoff, aus dem die Träume sind. (aargauerzeitung.ch)