Soeben haben wir halbwegs begriffen, was Bitcoins sind und wie eine Blockchain funktioniert. Jetzt müssen wir uns mit Ether, Dash, Monero und anderen sogenannten Cryptocoins befassen, und uns mit Begriffen wie Initial Coin Offering, Token und Decentralised Autonomous Organisation herumschlagen. Eine Einführung dazu liefert Aaron Koenig in seinem Buch «Crypto Coins», erschienen im FinanzBuch Verlag.
Cryptocoin ist nicht gleich Cryptocoin. Bitcoins sind ein digitales, internetbasiertes Bezahlsystem. Sein Reiz liegt darin, dass es die Mittelsmänner wie Banken ausschaltet. Dank der Blockchain-Technik können die Teilnehmer direkt miteinander Geld austauschen, dank einem komplexen Verschlüsselungsverfahren können sie es anonym tun.
Als Bezahlsystem ist nach wie vor Bitcoin führend. Mittlerweile hat es jedoch Konkurrenz erhalten, beispielsweise durch Litecoin, Dash und Monero. Sie basieren auf der gleichen Technologie, bieten aber entweder noch besseren Schutz oder schnellere Abwicklungszeiten an. Um grundlegende Neuerungen handelt es sich nicht. «Nur wenige Kryptowährungen können mit echten Innovationen aufwarten», stellt Koenig fest.
Um eine andere Tierart handelt es sich bei Ether. Es ist die Währung eines Systems, Etherum genannt, das weit grössere Ambitionen hat. «Bei Etherum geht es nicht darum, Euro, Dollar oder Bitcoin als Zahlungsmittel zu ersetzen», so Koenig. «Das Etherum-Entwicklerteam um den russischstämmigen Kanadier Vitalik Buterin will eine Art weltweiten, dezentralisierten Supercomputer schaffen.»
Buterin selbst vergleicht Etherum mit dem iPhone, auf das man beliebig viele Apps laden kann. Das geschieht auch hier: Der Ether-Code wird als Basis verwendet, um eigene Kryptowährungen in Umlauf zu bringen. Sie werden Tokens oder auch Appcoins genannt.
Mittlerweile haben Startups diese Tokens als neue Finanzierungsart entdeckt. Mittels Initial Coin Offerins (ICOs) bringen sie solche Tokens in Umlauf, die an Kryptobörsen in Ether oder Bitcoins umgetauscht werden können. Sie sind eine Art Zwitter zwischen Währung und Aktie, allerdings ohne Schutz für die Investoren.
Im vergangenen Sommer ist es zu einer eigentlichen Explosion von ICOs gekommen. Nicht immer geht es dabei mit rechten Dingen zu. Betrüger haben leichtes Spiel. «Die meisten der erfolgreichen Initial Coin Offerings der letzten Zeit sind keine echten Cryptocoins mit eigener Blockchain, sondern solche Tokens, die quasi Huckepack auf einem bestehenden Netzwerk reiten», warnt Koenig.
Buterin hat eine andere Vision. Er will eine Welt von DAOs schaffen. Der Begriff steht für Decentralised Autonomous Organisation. «Im Unterschied zu anderen Organisationsformen wie etwa GmbH, Limited, oder Société anonyme ist ein DAO nicht den Gesetzen eines Staates unterworfen, sondern regelt alle Verhältnisse der Gesellschaften, Mitarbeiter und Kunden in Form von Smart Contracts», stellt Koenig fest. «In einem DAO gibt es keine Unternehmensleitung und keine Hierarchien.»
Spätestens jetzt wird klar, dass es bei den Kryptowährungen um mehr als alternatives Geld handelt. Es geht um eine ultra-liberale Wirtschaftsordnung im Sinne der Theorien von Ludwig von Mises und Friedrich Hayek: Individualismus und Markt sind alles, Staat und Zentralbanken des Teufels.
Geld und Sektierertum gehen Hand in Hand. Das gilt auch für die Propheten der Kryptowährungen. Koenig hetzt fleissig gegen Mainstreammedien und prophezeit ein neues Paradies: «Die Vordenker der ‹dezentralen Revolution› wollen ein neues Gesellschaftssystem schaffen, das ohne Mittelsmänner, Torwächter und Kontrolleure auskommt. Sie haben genug von Zensur, Zentralismus und Überwachungsstaat», schreibt er.
Wichtige Fragen der Ökonomie fallen dabei unter den Tisch, beispielsweise: Wie ist das Verhältnis von Macht und Geld? Und wer verhindert den Kollaps des internationalen Finanzsystems beim nächsten Crash?