Wirtschaft
Donald Trump

Trump wie Putin: Totaler Verwirrungskrieg

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Susan Rice war Sicherheitsberaterin unter Präsident Barack Obama. Sie soll illegal Mitglieder des Trump-Teams abgehört haben.Bild: Carolyn Kaster/AP/KEYSTONE

Trump geht mit Putins Taktik gegen Susan Rice vor: Er setzt auf totale Verwirrung

Nebelgranaten und Medienkrieg: So will der US-Präsident von seiner Russland-Verbindung ablenken.
06.04.2017, 08:4206.04.2017, 15:20
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Nach den haltlosen Twitter-Anschuldigungen gegen Barack Obama hat Donald Trump ein neues Opfer gefunden: Susan Rice, die ehemalige Sicherheitsberaterin seines Vorgängers. Sie habe wahrscheinlich ein Verbrechen begangen, erklärte er am Mittwoch, selbstverständlich ohne Beweise dafür vorzulegen.

Susan Rice wird vorgeworfen, sie hätte bewusst die Namen von Mitgliedern des Trump-Wahlkampfteams «unmasked», will heissen: Durch die Geheimdienste offenlegen lassen. Die ehemalige Sicherheitsberaterin hat jedoch mit grösster Wahrscheinlichkeit völlig legal gehandelt.

Nichts ist wahr und alles ist möglich

Das kümmert Trump nicht. Er setzt vielmehr auf die Taktik, die Wladimir Putin erfolgreich anwendet. Der russische Präsident setzt nicht auf plumpe Propaganda, sondern auf totale Verwirrung. Sein ehemaliger PR-Chef Wladimir Surkow war ein Meister dieses Faches. Der TV-Journalist Peter Pomerantsev, der zehn Jahre lang in Russland gearbeitet hat, schildert diese Taktik in seinem Buch «Nichts ist wahr und alles ist möglich» wie folgt:

«Das Geniale an diesem Typ von Autoritarismus ist, dass er die Opposition nicht einfach unterdrückt wie noch im zwanzigsten Jahrhundert, sondern dass er sich innerhalb aller Ideologien und Bewegungen entwickelt, sie ausbeutet und ad absurdum führt. Manchmal finanziert Surkow Bürgerforen und Menschenrechtsorganisationen, nur um gleich darauf insgeheim nationalistische Bewegungen zu fördern, die ebendiesen Organisationen vorwarfen, Werkzeuge des Westens zu sein.»

Totale Verwirrung ist nun auch zur Allzweckwaffe des Trump-Teams geworden. Da es inzwischen unmöglich geworden ist, zu leugnen, dass Russlands Geheimdienste massiv in den US-Wahlkampf eingegriffen haben, versucht das Weisse Haus, so viele gegensätzliche Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen, dass normale Menschen die Übersicht verlieren.  

Absurde Vorwürfe an die ehemalige Sicherheitsberaterin

Zunächst wurde verbreitet, nicht die US-Geheimdienste, sondern die Briten hätten Trump abgehört. Das war so absurd, dass es bald stillschweigend wieder fallengelassen wurde. Deshalb geht man jetzt auf Susan Rice los. Die ehemalige Sicherheitsberaterin von Barack Obama wird beschuldigt, sie habe sich die Namen von US-Bürgern geben lassen, welche bei Kontakten zu russischen Agenten abgehört wurden.  

Susan Rice nimmt Stellung.Video: YouTube/MSNBC

Die US-Geheimdienste dürfen diese Namen nur auf Geheiss bekannt geben. Susan Rice hatte die Befugnis für ein «unmasking», will heissen: Sie konnte diese Namen enthüllen. Jetzt wird ihr vorgeworfen, sie hätte gezielt nach Mitgliedern des Trump-Wahlkampfteams geforscht und deshalb habe der 45. Präsident zu Recht getweetet, er sei abgehört worden.  

Rice hat diesen Vorwurf in einem Interview mit dem TV-Sender MSNBC plausibel entschärft. Wenn die Geheimdienste zufällig einen US-Bürger abhören, der mit der russischen Botschaft telefoniert, dann kann es unter Umständen sehr wichtig sein, seinen Namen zu kennen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass in diesen Gesprächen weder das Wetter noch Sportresultate diskutiert werden, sondern Dinge, welche die Sicherheit des Landes betreffen oder kriminell sind.  

Der seltsame Devin Nunes

Genauso absurd wie der Inhalt des Unmasking-Vorwurfs ist auch seine Entstehung. Nachdem FBI-Direktor James Comey anlässlich eines Hearings im Kongress bekannt gab, dass tatsächlich eine Ermittlung gegen das Trump-Team im Gange sei, erhielt Devin Nunes, Vorsitzender des «House Committee on Intelligence», eine rätselhafte Einladung aus dem Weissen Haus. Dieser Ausschuss untersucht die Vorgänge rund um die russische Einmischung. Nunes ist ein republikanischer Abgeordneter aus Kalifornien, Vertrauter von Donald Trump und war Mitglied des Übergangsteams.  

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Spielt eine dubiose Rolle: Devin Nunes.Bild: SHAWN THEW/EPA/KEYSTONE

Nunes eilte ins Weisse Haus, wo ihm zwei Mitarbeiter geheime Dokumente zeigten, die ein angeblich illegales und politisch motiviertes Unmasking von Susan Rice beweisen. Tags darauf ging Nunes mit diesen angeblichen Beweisen zu Trump, der umgehend per Tweet verkündete, er sei tatsächlich abgehört worden.

Mit anderen Worten: Nunes holte sich «Beweise» aus dem Weissen Haus, um sie dann gewaschen wieder zurückzutragen. Das war so plump, dass der Comedian Bill Maher zu Recht spottete, Devin sei der dümmste Export aus Kalifornien seit den Dianetics, der Lehre der Scientologen.  

Der Stellvertreterkrieg der Medien

Rund um die Russland-Affäre hat sich mittlerweile auch ein Medienkrieg entfacht, der täglich schmutziger wird. Auf der einen Seite stehen dabei die Mainstream-Medien – «New York Times», «Washington Post», «CBS», «CNN», «MSNBC», etc. –, auf der anderen «Fox News», «Breitbart», gelegentlich unterstützt vom «Wall Street Journal» und obskuren Alt-Right-Blogs.  

Die liberalen Mainstream-Medien fördern täglich neue Details über die Verstrickungen von Mitgliedern des Trump-Teams mit Russland zutage. «Fox News» & Co. versuchen verzweifelt, die Aufmerksamkeit auf die Leaks zu lenken, will heissen: Sie versuchen das Ausplaudern von kriminellen Taten krimineller zu machen als die Tat selbst.  

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Steht im Mittelpunkt des Medienkrieges: Star-Moderator Bill O'Reilly. Bild: Richard Drew/AP/KEYSTONE

Die Zivilgesellschaft funktioniert – noch

Der Medienkrieg ist so zu einem Stellvertreter-Krieg geworden. Neuerdings steht dabei Bill O’Reilly im Mittelpunkt. Die «New York Times» enthüllte in ihrer Wochenendausgabe, dass der «Fox-News»-Starmoderator mehrere Frauen sexuell belästigt und dass der Sender bisher 13 Millionen Dollar Schweigegelder an andere Frauen ausbezahlt habe, um allfällige Klagen zu verhindern. Inzwischen haben verschiedene Werbekunden ihre Spots aus O’Reillys Show abgezogen.  

Inzwischen droht das Ganze aus dem Ruder zu laufen. Die USA befinden sich am Rande eines politischen Ausnahmezustandes. Das hat auch eine positive Seite: Die Russland-Affäre muss aufgeklärt werden – und sie wird es auch werden. Das FBI hat soeben eine Sondereinheit zu diesem Zweck eingerichtet. Trump mag zwar Putin imitieren, doch die USA sind nicht Russland. Die «checks and balances» funktionieren noch.

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hungerbühler
06.04.2017 09:42registriert Juli 2015
Bitte übernehmt nicht die Terminologie von Trump, sonst setzt sich der unabhängige Journalismus selbst schachmatt. "Mainstreammedien" ist etwa so ein Wort.
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Walter Sahli
06.04.2017 09:25registriert März 2014
Herr Löpfe, da Sie inzwischen auch zu denen gehören, die den (abwertenden) Begriff "Mainstream-Medien" verwenden, können Sie mir sicher erklären, wie dieser zu verstehen ist.
Handelt es sich hierbei um Medien, die klassischen Journalismus betreiben und ihre Artikel nicht nach Bauchgefühl verfassen oder vielleicht um Medien, die von einem geheimen Familien-und-Firmen-Konglomerat, zwecks Beeinflussung der Massen gesteuert werden oder um Medien, die eine grössere Verbreitung haben als z.Bsp. die Schweizerzeit?
Bitte helfen Sie einem unbedarften Leser beim Verstehen dieses Begriffs.
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urano
06.04.2017 10:01registriert April 2014
Wenn jemand ernsthaft glaubt, Trump handle irgendwie demokratisch, der hats halt einfach immernoch nicht kapiert. Trump gehts einzig und alleine um sich, seine Starallüren und seine Macht. Er hat und wird alles ausnutzen, von dem er glaubt, es würde ihm und seinem Geldbeutel helfen. Einen so offensichtlichen Missbrauch hat es noch nie gegeben. Und wenn dann endlich seine Steuererklärung veröffentlich wird, wird das ganz grosse Staunen anfangen
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