Newt Gingrich ist einer der führenden Vordenker der rechtskonservativen Szene. Als bekannt wurde, dass Robert Mueller den Auftrag erhalten hatte, als Sonderermittler die russischen Einmischungen in die amerikanischen Wahlen zu untersuchen, war er begeistert. Es sei eine ausgezeichnete Wahl, twitterte Gingrich damals. Muellers «Ruf ist unanfechtbar, was Ehrlichkeit und Integrität betrifft. Die Medien sollten sich jetzt beruhigen.»
Diese Einschätzung wurde damals auf breiter politischer Front geteilt. Kein Wunder: Robert Mueller schien unangreifbar zu sein. Er ist ein hochdekorierter Offizier bei den Marines. Er hat das FBI nach 9/11 wieder zu einer glanzvollen Institution gemacht. Er ist Mitglied der Republikanischen Partei, wird aber auch von den Demokraten geschätzt und hat unter Präsidenten beider Parteien gedient. Viel mehr Ruhm und Unabhängigkeit geht nicht.
Müsste man meinen. Doch heute tönt es bei Gingrich ganz anders. Fast täglich zieht er nun auf Fox News über den Sonderermittler her. «Mueller ist korrupt», tobt er. «Die Führung des FBI ist korrupt. Das System ist korrupt.»
Ein grosser Teil der Fox-News-Mannschaft rennt hinter Gingrich her. Sean Hannity wütet inzwischen täglich gegen Mueller, der Sicherheitsanalyst des Senders, Gregg Jarrett, hat das FBI gar mit dem ehemaligen sowjetischen Geheimdienst KGB verglichen. Selbst das konservative, aber meist noch nach journalistischen Kriterien arbeitende «Wall Street Journal» macht bei der Hatz auf Mueller mit. «Mr. Mueller hat zu viele Interessenskonflikte und sollte zugunsten einer vertrauenswürdigeren Person zurücktreten», forderte das Blatt kürzlich.
Nicht nur Mueller, selbst das FBI – nicht eben bekannt als linksextreme Organisation – gerät unter Beschuss des rechtskonservativen Lagers. Der von Trump kürzlich ernannte FBI-Direktor Christopher Wray wird ebenfalls heftigst attackiert. Wie zu Zeiten des berüchtigten Kommunistenjägers Joseph McCarthy in den Fünfzigerjahren musste er sich vor dem Justizausschuss des Abgeordnetenhauses rechtfertigen und zu einzelnen Mitarbeitern Auskunft geben. Es war ein erbärmliches und erschreckendes Schauspiel.
Warum flippen der Präsident und seine Getreuen im rechtskonservativen Lager aus? Der Sonderermittler nähert sich immer mehr dem inneren Kreis von Trump und seiner Familie. Dabei hatten dessen Anwälte versprochen, die Untersuchung werde an Thanksgiving vorbei und er von allen Anschuldigungen freigesprochen sein. Jetzt haben sie den Termin auf Weihnachten verschoben.
Auch daraus wird wohl nichts werden. Seit der ehemalige Sicherheitsberater Michael Flynn gestanden hat, das FBI angelogen zu haben und höchstwahrscheinlich dem Sonderermittler als Kronzeuge zur Verfügung steht, ist die Lage für den Präsidenten ungemütlich geworden. Die Indizien mehren sich, dass er bei der Entlassung Flynns ebenfalls nicht die Wahrheit gesagt hat. Das könnte ein wichtiger Bestandteil der Untersuchung und als Beweis dafür gewertet werden, dass Trump versucht hat, die Arbeit des FBI zu beeinträchtigen.
Pedantisch fügt Mueller ein Mosaiksteinchen nach dem anderen zusammen. Auch in Sachen Zusammenarbeit zwischen dem Trump-Team und den Russen kommen regelmässig neue, für den Präsidenten unangenehme Fakten ans Tageslicht. Ebenso erhärtet sich der Verdacht, dass Trump und sein Schwiegersohn Jared Kushner in dubiose Geschäfte mit Russen verwickelt sein könnten. Die Deutsche Bank – wegen Geldwäschereigeschäften mit Russland bereits zu einer 700-Millionen-Dollar-Strafe verbrummt – soll gemäss verschiedenen Medienberichten von Mueller vorgeladen werden.
Trump reagiert heftig, wenn ihm Mueller zu nahe kommt. Regelmässig klagt er, Opfer einer «Hexenjagd» zu sein. Das Justizsystem sei gegen ihn «voreingenommen», wettert er an einem Wähleranlass in Pensacola (Bundesstaat Florida). Er lässt zudem keine Gelegenheit aus, ebenfalls auf Mueller einzudreschen.
Als Vorwand dient ihm dabei der Fall des FBI-Agenten Peter Strzok. Dieser war von Mueller entlassen worden, weil er Tweets mit Trump-kritischem Inhalt an seine Freundin verschickt hatte. Ausgerechnet das wird nun als Beweis dafür vorgebracht, dass Mueller voreingenommen sei.
Die Heftigkeit der Attacken und die dünne Beweislage haben das liberale Lager aufgeschreckt. Die Angst geht um, dass Trump auf Biegen und Brechen die Untersuchung abwürgen und Mueller entlassen will. Das wäre eine schwere, in der jüngeren amerikanischen Geschichte nicht gekannte Verfassungskrise. Die Trennung von Justiz und Politik gilt in den USA als heilig. Selbst Richard Nixon hat sich daran gehalten.
Bei Trump ist das nicht mehr gegeben. In den geachteten Publikationen wie «New York Times», «The Atlantic» oder «Foreign Policy» mehren sich die warnenden Stimmen. Auf den Punkt bringt es E.J. Dionne Jr. in der «Washington Post». Er warnt vor einem Staatsstreich: «Trump selbst hat uns in Pensacola klar erklärt, dass er alles unternehmen wird, um an der Macht zu bleiben» schreibt Dionne. «Wir sollten das ernst nehmen. (...) Wir sind näher am Abgrund, als wir gewillt sind, es uns vorzustellen.»