Die Einschätzung der Arbeit des Sonderermittlers Robert Mueller könnte gegensätzlicher nicht sein. Beispielsweise Alan Dershowitz, ein renommierter, pensionierter Harvard-Jurist, ist überzeugt, dass Mueller und sein Team kaum etwas Handfestes gegen Trump in der Hand haben. Sonst wüssten wir das heute. Immer und immer wieder wiederholt er auf Fox News, dass Mueller endlich aufgeben und die Unschuld des Präsidenten anerkennen soll.
Ganz anders sieht es der gefeuerte FBI-Direktor James Comey. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch «A Higher Loyality» stellt er fest: «Jeder Strafverfolger, der nach einem Jahr kein Gefühl dafür entwickelt hat, wohin ihn seine Untersuchungsarbeit führen wird, ist inkompetent.»
Mueller wird Vieles nachgesagt, Inkompetenz gehört nicht dazu. Nichts deutet zudem darauf hin, dass er seine Arbeit bald abgeschlossen haben wird. Gemäss der These von Comey deutet somit alles darauf hin, dass er im Begriff ist, einen Skandal aufzudecken, der sich gewaschen hat.
Im Zentrum der Untersuchung steht nach wie vor die Frage, ob Trump und sein Team mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben und wie weit es den Russen gelungen ist, via Facebook & Co. die amerikanischen Wahlen zu manipulieren.
Was die Hackerangriffe auf die demokratische Parteizentrale und die von Wikileaks veröffentlichten E-mails betrifft, gibt es keine Anzeichen, in welche Richtung sich Mueller bewegt. Hingegen hat er Anklage gegen 13 Russen erhoben. Darunter befindet sich auch der Oligarch und «Putins Koch» Jewgeni Prigoschin. Die Anklagen sind allerdings symbolischer Natur. Russland wird die Angeklagten niemals ausliefern.
Trump tweetet zwar beinahe täglich, es gebe keine «Collusion», will heissen: keine unerlaubte Zusammenarbeit seines Teams mit den Russen während des Wahlkampfes. Gemäss Zeugen, die von Mueller einvernommen worden sind, interessiert sich der Sonderermittler jedoch sehr intensiv für dieses Thema, vor allem über ein mysteriöses Treffen am 9. Juni 2016 im Trump Tower in New York.
Dort trafen sich die Anwältin Natalia Veselnitskaya – sie hat enge Verbindungen zum russische Generalstaatsanwalt – und Donald Trump jr, Jared Kushner und der damalige Wahlkampfmanager Paul Manafort. In E-mails hatten die Russen zuvor versprochen, «Dreck» über Hillary Clinton zu liefern. Ob dieses Treffen so harmlos war, wie es vom Trump-Team dargestellt wird, wird sich weisen.
Der ehemalige Sicherheitsberater Michael Flynn hat sich bereits für schuldig erklärt und arbeitet mit dem Sonderermittler zusammen, ebenso der ehemalige Wahlkampfhelfer George Papadopoulos. Gegen Manafort ist Anklage erhoben worden. Er wird sich in den kommenden Monaten gleich vor zwei Gerichten verantworten müssen. Ihm droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Noch ungeklärt ist, wie weit die Informationen des so genannten «Steele-Dossiers» zutreffen. Der britische Geheimdienstmann Christopher Steele hat im Auftrag einer von den Demokraten bezahlten Beraterfirma ein Dossier über Trumps Verbindungen zusammengestellt. Dieses Dossier wurde vor allem berühmt wegen den «Pipi-Tapes». Der russische Geheimdienst soll perverse Praktiken Trumps mit Prostituierten gefilmt haben und ihn damit erpressen.
Es ist umstritten, ob es die «Pipi-Tapes» tatsächlich gibt. Einige Vorfälle, die im Steele-Dossier aufgeführt werden, sind jedoch bestätigt worden. So ist etwa Carter Page, ein zwielichtiges ehemaliges Mitglied des Trump-Teams, im Juli 2016 nach Moskau gereist und hat sich dort mit hohen Vertretern der russischen Regierung getroffen. Ebenfalls gibt es Hinweise, dass Trumps «Mann fürs Grobe», Michael Cohen, im Sommer nach Prag gereist ist, um die Zusammenarbeit mit den Russen zu koordinieren.
Richard Nixon musste 1974 zurücktreten, weil er die Arbeit des Sonderermittlers behindern wollte. «Obstruction of justice» könnte auch Trump blühen. James Comey hat mehrmals geschildert, dass Trump ihn aufgefordert habe, die Untersuchung gegen Flynn einzustellen. Trump bestreitet dies, doch Comey hat dies in einem an mehrere hohe FBI-Beamte verteilten Memorandum festgehalten.
Zudem hat Trump auf dem Heimflug nach dem G-20-Gipfel in Hamburg wahrscheinlich höchstpersönlich ein Communiqué mitverfasst, in dem falsche Angaben über das ominöse Trump-Tower-Meeting gemacht wurde.
Bis vor kurzem soll Trump bereit gewesen sein, vor Mueller auszusagen. Anfang April wurden Büro und Wohnung seines Fixers Cohen durchsucht, ein für den Präsidenten offenbar traumatisches Ereignis. Bis zu 20 Mal am Tag soll er sich gemäss «Washington Post» darüber bei seinen Mitarbeitern lauthals beklagen.
Er hat allen Grund dazu. Cohen weiss über die dunklen Geschäfte Bescheid. Er war es, der die 130’000 Dollar Schweigegeld an den Pornostar Stormy Daniels über eine Briefkastenfirma bezahlt hat. Über diese Firma hat er auch mehr als vier Millionen Dollar einkassiert. Wahrscheinlich hat Cohen damit Zugang zum Präsidenten verkauft. Bezahlt haben unter anderem Novartis und er in der Schweiz wohlbekannte russische Oligarch Viktor Vekselberg.
Immer wieder wird der Verdacht geäussert, Trump habe sein Imperium mithilfe von russischem Schwarzgeld aufrecht erhalten können. Sollte dieser Verdacht zutreffen, dann könnte die Durchsuchung bei seinem Fixer Cohen tatsächlich der Anfang vom Ende Trumps sein. Selbst wenn der Präsident den Sonderermittler feuern sollte, werden seine Probleme nicht verschwinden.