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Ölpreis bald bei 100 Dollar?

Protesters shout slogans after splashing red paint at the logo of Shell, one of the three big oil companies in the country, to denounce a new round of oil price increase implemented this week, the eig ...
Demonstrationen gegen den steigenden Ölpreis in Manila.Bild: AP/AP

Ölpreis bald bei 100 Dollar? 3 Gründe, warum das gefährlich ist – und ein erfreulicher 

Rohstoffhändler reiben sich die Hände und spekulieren bereits wieder mit einem Ölpreis von 100 Dollar pro Fass. Politiker und Konsumenten hingegen haben weniger Grund zur Freude.
10.10.2018, 08:0610.10.2018, 17:19
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Im laufenden Jahr hat der Ölpreis bereits rund 20 Prozent zugelegt. Anfangs November werden die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran in Kraft treten. Mehr als zwei Millionen Fass Öl werden dann der weltweiten Öl-Versorgung fehlen. Ob die Saudis und die Russen diese Lücke füllen können, ist fraglich.

«Der Markt fasst zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder einen Ölpreis von 100 Dollar pro Fass ins Auge.»
Chris Kettenmann

In den letzten Tagen ist der Ölpreis daher kontinuierlich gestiegen. Dieser Trend könnte zum Selbstläufer werden, die Rohstoff-Trader haben Blut gerochen. Chris Kettenmann, Chefstratege des New Yorker Rohstoff-Brokers Macro Risk Advisors, erklärt denn auch im «Wall Street Journal»: «Der Markt fasst zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder einen Ölpreis von 100 Dollar pro Fass ins Auge.»

In den 1970er Jahren hat ein steigender Ölpreis die Weltwirtschaft in eine schwere Rezession gestürzt. Weil die Abhängigkeit vom schwarzen Gold massiv abgenommen hat, wird dies kaum mehr der Fall sein. Doch auch im digitalen Zeitalter hat der Ölpreis massive Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft. Hier sind sie:

1. Autoritäre Regimes werden gestärkt

Schon vor mehr als zehn Jahren hat Thomas Friedman eine Regel aufgestellt, die er scherzhaft «das erste Gesetz der Petropolitik» genannt hat. Es besagt: Der Ölpreis und der Weltfrieden bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen. Je höher der Ölpreis, desto stärker werden autoritäre Regimes.

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Befinden sich im gleichen Boot: Wladimir Putin und der saudische Energieminister. Bild: EPA/SPUTNIK POOL

Dieses Gesetz hat heute noch Gültigkeit. Die grossen Profiteure des steigenden Ölpreises heissen Wladimir Putin und Mohammed bin Salman, meist MBS genannt.

Der russische Präsident befindet sich in ernsten innenpolitischen Schwierigkeiten. Seine Kriegsabenteuer in der Ukraine und in Syrien sind sehr teuer und bei den Russen zunehmend umstritten. Seinen Vorschlag, das Rentenalter zu erhöhen, musste er wegen grossem Widerstand abblasen.

Der bescheidene Wohlstand, den sich die Russen dank dem hohen Ölpreis in den Nullerjahren leisten konnten, ist in Gefahr. Das sorgt für Proteste in den Städten. Selbst die Oligarchen werden unruhig, weil sie wegen den Sanktionen nicht mehr in den Westen reisen können. Der steigende Ölpreis ist für Putin daher ein Geschenk des Himmels. Er könnte so seine «gelenkte Demokratie» zumindest vorübergehend wieder stabilisieren.

Saudis setzen wieder auf harten Kurs

Das gilt auch für MBS. Der starke Mann in Saudi-Arabien ist im Begriff, seine zarten Reformbemühungen ad acta zu legen und den Wüstenstaat mit harter Hand zu regieren. Jüngstes Beispiel ist das rätselhafte Verschwinden des renommierten Journalisten Jamal Khashoggi. Er ist höchstwahrscheinlich von saudischen Schergen in Istanbul umgebracht worden.

Der Mord an Khashoggi wird bereits als Zeichen dafür gewertet, dass die Saudis wieder auf einen harten Kurs setzen und ihre Ziele um jeden Preis durchsetzen wollen, selbst wenn dabei die Freundschaft mit den USA getrübt wird.

2. Trump wird nervös

Der Ölpreis hat nicht nur geo-, sondern auch innenpolitische Konsequenzen. Das gilt ganz speziell für die Vereinigten Staaten. Ein steigender Benzinpreis ist der Albtraum für jeden Präsidenten, besonders in Wahlkampfzeiten.

epa05798255 A coal miner identified as Kevin shakes hands with US President Donald J. Trump prior to the President signing H.J. Res. 38, disapproving the rule submitted by the US Department of the Int ...
Steht auf fossile Brennstoffe: Donald Trump.Bild: EPA/Consolidated News Photos POOL

Donald Trump hat zwar mit seiner Iran-Politik die Ölpreisspirale in Bewegung gesetzt. Doch der US-Präsident ist bekanntlich kein Mann der Selbstkritik. Der hohe Ölpreis sei «inakzeptabel», tweetete er deshalb und erklärte, die Opec würde «den Rest der Welt abzocken».

Die Saudis sind die bestimmende Kraft in der Opec. Mit den Angriffen auf die Vereinigung der Erdöl produzierenden Länder setzt Trump auch die Achse USA-Israel-Saudi-Arabien aufs Spiel.

3. Weltwirtschaft gerät in Schwierigkeiten

In den beiden letzten Jahren hat sich die Weltwirtschaft erholt. Zusammen mit dem zunehmenden Protektionismus ist ein steigender Ölpreis eine Gefahr für diese erfreuliche Entwicklung. Weil das Geld für den Konsum fehlt, droht die Nachfrage in den Industrieländern einzubrechen.

Richtig dramatisch könnte es jedoch in einzelnen Schwellenländern werden. Diese müssen einen doppelten Haken verdauen: steigender Dollar und steigender Ölpreis. Ob dies bereits angeschlagene Volkswirtschaften verkraften können, ist fraglich. Besonders gefährdet sind etwa die Türkei und Pakistan.

4. Nachhaltigkeit wird belohnt

Die SUV-Welle, welche die westliche Welt derzeit überschwemmt, wäre ohne billiges Öl nicht möglich gewesen. Auch viele andere Bemühungen, den CO2-Ausstoss zu verringern, wurden so unterlaufen. Erdöl ist unter anderem ein wichtiger Faktor in der Landwirtschaft und der Fleischproduktion.

An e-car is connected with a public charge base in Berlin, Germany, Wednesday, April 27, 2016. Germany plans to subsidize electric cars in a bid to help the country's auto industry compete in the ...
Werden E-Autos die Profiteure des hohen Ölpreises? Bild: AP/AP

Der Anstieg des Ölpreises bis zu 150 Dollar pro Fass vor rund zehn Jahren hat einen Ökoschub bei Autoproduzenten und Konsumenten ausgelöst. Inzwischen ist er weitgehend verpufft. Sollte Benzin wieder längere Zeit teuer bleiben, dann besteht für die Konsumenten ein grosser Anreiz, auf Elektroautos umzusteigen. Ebenso werden sich Investitionen in energetisch hochwertige Immobilien lohnen. Wie für Putin ist daher für unsere Umwelt der steigende Ölpreis ein Geschenk des Himmels.

20 Kilometer langer Ölteppich auf dem Weg nach Korsika

Video: srf
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Oigen aka Trudi aka Kevin
10.10.2018 09:53registriert August 2018
ich dachte trump möchte einen hohen ölpreis. ist der ölpreis zu niedrig lohnt sich für die amis kein fracking...
was will er jetzt?
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Repplyfire
10.10.2018 09:00registriert August 2015
Wenn der hohe Ölpreis zu einem Umdenken in der Mobilität führt ist dies absolut begrüssenswert. Ich hoffe dass ab 2020 mit dem Verfügbar werden des Tesla M3, VW ID. etc. kombiniert mit einem hoen Ölpreis, viele auf E-Mobile umsteigen können. Wer dann noch sein SUV braucht soll ruhig teuer dafür bezahlen.
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Hardy18
10.10.2018 09:10registriert Oktober 2015
Auf der einen Seite finde ich es gut das der Preis steigt. Der Umwelt zuliebe.
Auf der anderen ist es für Geringverdiener ein Alptraum, die darauf angewiesen sind. (Und nein, der ÖV fährt früh morgen um 4 Uhr nicht)
Somal ich nicht das Gefühl hatte der Benzinpreis sei heute günstiger gewesen durch den tiefen Ölpreis. 🤔 schauen wir mal...
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