Emmanuel Macron passt in keine Schublade: Er ist jung (39), er war ein erfolgreicher Investmentbanker bei Rothschild und danach Wirtschaftsminister in einer sozialistischen Regierung. Er ist mit Brigitte Trogneux verheiratet, einer Frau, die 24 Jahre älter ist als er – und er ist die grösste Hoffnung, dass Frankreich nicht bald von einem knallharten Neoliberalen (François Fillon) oder einer faschistoiden Populistin (Marine Le Pen) regiert wird.
Dabei schien das Rennen schon gelaufen zu sein. Der scheidende Präsident François Hollande hat eingesehen, dass eine erneute Kandidatur absolut chancenlos wäre und verzichtet daher. Die Sozialisten sind zerstritten. Es schien somit klar, dass im entscheidenden zweiten Wahlgang der Thatcher-Bewunderer Fillon und Marine Le Pen das Rennen unter sich ausmachen würden.
In jüngsten Umfragen jedoch hat Fillon stark verloren und Macron massiv zugelegt. Der ehemalige Wirtschaftsminister der Sozialisten hat im April 2016 seine eigene Partei «En Marche» (Vorwärts) gegründet, die bereits 120'000 Mitglieder zählt.
Dazu kommt, dass führende Sozialisten wie Gérard Collomb, Bürgermeister von Lyon, und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal sich hinter ihn stellen. Macron wird zunehmend zu einer Alternative für alle, die nicht wollen, dass Frankreich die EU sprengt (Le Pen), und die keine Lust auf eine katholisch verbrämte Austeritätspolitik (Fillon) haben.
Und das werden immer mehr: Im Dezember eilten 12'000 Menschen zu einer Veranstaltung mit Macron. Selbst in dem von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Nordfrankreich kommt er gut an. «Es gibt eine Macron-Sensation, es ist mehr als ein Strohfeuer», sagt Laurent Bouvet, Politologieprofessor an der Universität von Versailles, in der «Financial Times».
Dabei ist Macron ein typischer Vertreter der neuerdings so geschmähten Elite: Er ist ein Absolvent der französischen Top-Schule Ena, hat für das Haus Rothschild gearbeitet und dabei einen wichtigen Deal zwischen Nestlé und Pfizer abgewickelt. Gleichzeitig sammelt er beim linksliberalen Bürgertum Punkte, weil er sich nicht scheut, die heiligen Kühe der Gewerkschaften in Frage zu stellen: So hat er sich gegen die 35-Stunden-Woche und die Reichtumssteuer ausgesprochen.
Macron greift jedoch auch die alte Elite an und wirft ihr Vetternwirtschaft vor. Er will die EU reformieren, aber nicht zerstören und lobt Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Damit ist er auch eine klare Alternative zu Marine Le Pen. Die Chefin des Front National spricht von einem «Frexit».
Ein Wahlsieg Le Pens wäre wohl das Ende der EU und der Beginn eines Chaos in Europa mit unabsehbaren Konsequenzen. So gesehen ist Macron nicht nur für die Franzosen zu einem Hoffnungsträger geworden.