«Keine Doppelkäufe mehr», so bewarb das Fribourger Unternehmen Liebherr seine Kühlschrankkamera «Hngrynsite». Die Idee: Die Kamera wird in die Tür jedes beliebigen Kühlschranks installiert und macht anschliessend jedes Mal beim Schliessen Fotos von den Kühlfächern. Diese Fotos werden automatisch in eine Cloud hochgeladen. Via Hngrynsite-App kann man das neuste Foto dann während des Einkaufs abrufen und checken, welche Lebensmittel noch vorrätig sind.
Seine Lebensmittel dank der Kühlschrankkamera «von ÜBERALL im Blick» zu haben, sei umweltfreundlich, versprach Liebherr. Doch die Firma scheiterte gleich in beiden Punkten: der Übersichtlichkeit und der Umweltfreundlichkeit.
Wie die österreichische Zeitung Der Standard berichtet, hat man mit Hngrynsite lediglich den Überblick über die Hauptfächer eines Standardkühlschranks. Und das auch nur, wenn man die Esswaren so anordnet, dass sie allesamt gut frontal sichtbar sind. Was sich in der Kühlschranktür oder im Gemüsefach befindet, kann die Kamera nicht registrieren.
Entsprechend war die Nachfrage wohl klein. Das muss man zumindest vermuten, da Liebherr den Betrieb seiner Hngrynsite-App per 31. März einstellt. Den Grund dafür gibt der Hersteller auf Nachfrage von watson nicht bekannt.
Was übrig bleibt, ist modernster Elektroschrott. Denn die Kühlschrankkamera, die erst im Oktober 2023 für 150 Euro auf den deutschen und österreichischen Markt kam, ist ohne App unbrauchbar. Und das in Zeiten, in denen die UNO alarmiert bekannt gibt, dass 2022 ein neuer Rekord von 62 Millionen Tonnen Elektroschrott gemessen worden sei. Und:
An diesem Elektroschrott-Problem ist nicht primär die Firma Liebherr schuld, die sich nun darum bemüht, dass die Kameras korrekt entsorgt und ihre Kundinnen und Kunden entschädigt werden. Zumindest nicht zu einem wesentlichen Teil. Und doch zeigt ihre gescheiterte Kühlschrankkamera, was auf dem Tech-Markt gerade massiv schiefläuft: Funktionsfähige Geräte können von heute auf morgen entweder zu Elektroschrott verkommen. Oder zu einer Kostenfalle – Abonnements sei Dank.
Abonnements sind keine neue Erfindung. Zeitungen, Fitnessstudios, Bibliotheken, Netzwerkbetreiber, ja sogar die SBB mit ihrem GA nutzen das Abo-Modell seit vielen Jahren erfolgreich.
Doch seit den 2000er-Jahren hat sich auf dem Markt etwas getan. Einerseits sind Streaming-Anbieter wie Netflix, Spotify und Steam auf den Abo-Zug aufgesprungen und haben die Art und Weise, wie wir Unterhaltungsangebote konsumieren, komplett verändert.
Andererseits tüftelte das Software-Unternehmen Salesforce ein ganz neues Business-Modell aus: Software as a Service (SaaS). Die Idee dahinter: Software soll kein Produkt mehr sein, das man einmalig kauft, installiert und auf ewig nutzen kann, sondern eine Dienstleistung, für die man regelmässig bezahlt. Sprich: abermals ein Abonnement-Modell.
2011 begannen Microsoft mit Office 365 und Adobe mit Photoshop, Indesign und Co. ihre Software im Abo zu verkaufen. Inzwischen setzen sie komplett auf das Abonnement-Modell. Genauso wie zahlreiche weitere Software-Hersteller.
Ihr Verkaufsargument: Während sie auf regelmässige Einnahmen zählen können, da die Wartung und Weiterentwicklung von Software teuer ist, profitieren Kundinnen und Kunden von einem stetig optimierten Service für einen kleinen monatlichen Betrag.
Win-Win? Jein.
Viele Software-Programme lassen sich nicht mehr wesentlich weiterentwickeln. Und die meisten privaten Konsumentinnen und Konsumenten brauchen keine weiteren besonders ausgeklügelten Funktionen. Sie wären beispielsweise auch mit der Photoshop-Version von 2012 zufrieden, die damals einmalig rund 1000 Franken kostete.
Doch nun sind Kundinnen und Kunden gezwungen, ein Abo zu lösen. Ein Abo, damit sie weiterhin Zugang auf ihre Photoshop-Dateien haben. Ein Abo, das sie bereits nach zweieinhalb Jahren teurer zu stehen kommt als einst der einmalige Kauf der Software. Ein Abo, das sich automatisch verlängert.
Ein typischer Lock-in-Effekt.
Diesen Lock-in-Effekt durch Software haben inzwischen auch Hardware-Hersteller für sich entdeckt.
Beleuchtung, Musikboxen, Fernseher, Drucker, Staubsauger, Überwachungskamera, Raumthermostat, Kaffeemaschine, Türklingel, Rauchmelder – heutzutage kann das Zuhause in allen Bereichen «smart» sein. Versprechen zumindest die Hersteller.
Was das bedeutet? Dass man Lampen und Fernseher nicht mehr per Fernbedienung oder Schalter steuern muss, sondern «ganz einfach und bequem» via Handy. Dass der Drucker, wenn seine Patronen zur Neige gehen, automatisch neue bestellt. Dass ein Thermostat kontinuierlich die Raumtemperatur misst und sie entsprechend anpasst. Dass die Überwachungskamera Sensoren eingebaut hat und in einer App Alarm schlägt, wenn sie vor der Tür seltsame Bewegungen registriert.
Die Hersteller versprechen manchmal mehr Sicherheit, manchmal mehr Umweltfreundlichkeit. Gemeinsam haben sie aber vor allem ein Verkaufsargument: Ihre «Smart Home»-Geräte würden den Alltag erleichtern.
Aber tun sie das tatsächlich? Abgesehen davon, dass es umständlich sein kann, die Geräte in Betrieb zu nehmen, begibt man sich damit auch in ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem Hersteller. Und diese Abhängigkeit ist alles andere als einfacher.
Ein besonders drastisches Beispiel liefert der Drucker-Hersteller HP. Dieser vermarktete 2024 einige seiner Druckermodelle als besonders preiswert. Was HP den Käuferinnen und Käufern aber verschwieg: Der gekaufte Drucker läuft nur, wenn eine Internetverbindung besteht und man sich mit einem Konto im Software-Programm HP+ registriert. Wodurch man sich automatisch für ein Abo-Modell einschreibt, das einem regelmässig – auf eigene Rechnung natürlich – Druckerpatronen zusendet.
Wie zahlreiche Konsumentinnen und Konsumenten online berichten, schafft es HP häufig nicht einmal, seinen Teil der Vereinbarung einzuhalten: die richtigen Patronen zum richtigen Zeitpunkt zu liefern. Aber wer sich deshalb vom Abo befreien will, straft HP ab. Und stellt sämtliche Druck- und Scanfunktionen des gekauften Druckers ein.
Gemäss einem Bericht der UBS von 2021 entwickelt sich die sogenannte «Subscription Economy» rasant. Sie schätzte, dass sich der Markt für dieses Geschäftsmodell von 2020 bis 2025 verdoppeln wird, auf 1,5 Milliarden Dollar.
Der Trend in der Tech-Branche ist eindeutig: Hersteller setzen nicht mehr darauf, ihre Produkte einmalig zu verkaufen, sondern darauf, ihre Kundschaft langfristig an sich zu binden. Und das insbesondere mit Software.
Sind die Geräte erst einmal gekauft und installiert, sind Konsumentinnen und Konsumenten von der Software und dem Hersteller abhängig. Dieser kann dann jederzeit die Funktionalität des Geräts einschränken, deaktivieren oder die Nutzungsbedingungen ändern. Eine ursprünglich gratis zur Verfügung gestellte App kann von heute auf morgen kostenpflichtig werden – oder eben vom Netz genommen werden, wie im Falle der Kühlschrankkamera von Liebherr.
Die Konsequenz? Entweder wird man als Konsumentin weiter gemolken. Oder ein Gerät, das eigentlich noch voll funktionstüchtig wäre, wird zu Elektroschrott. Den Herstellern kann das egal sein. Der Umwelt nicht.
Man sollte die Hersteller verpflichten, beim Einstellen des Services den Quellcode des Servers und der dazugehörigen App freizugeben. Dann können findige Entwickler das Zeug weiterentwickeln und nutzen.