Simon Kuper hat kürzlich in der «Financial Times» ein deprimierendes Zukunftsszenario entwickelt: Die Linksliberalen werden resignieren und den Rechtspopulisten das Feld überlassen. Warum auch nicht? Trump & Co senken die Steuern, was vor allem dem oberen Mittelstand zugute kommt, obwohl der politisch mehrheitlich linksliberal tickt.
Die Rechtspopulisten übergeben derweil den Linksliberalen ein paar geschützte Territorien – Universitäten, einige ausgewählte kritische Medien und die Kulturinstitute. Im Gegenzug haben sie in Politik und Wirtschaft das Sagen. Mit diesem Arrangement kann man als Linksliberaler leben, zumal man im eigenen Quartier Radwege, urbane Gärten und Biomärkte organisieren darf.
Kupers düstere Vision tönt leider nur zu realistisch, sie hat jedoch einen entscheidenden Schwachpunkt: Die Frauen spielen nicht mehr mit. Das hat das Spektakel um die Wahl von Brett Kavenaugh an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten bereits jetzt deutlich klar gemacht.
Es geht um mehr als um bisher unbewiesene Verfehlungen eines männlichen Teenagers. Auf der Anklagebank sitzt eine üble Macho-Kultur der weissen Oberschicht, die ihrem männlichen Nachwuchs so ziemlich jede Schweinerei gegenüber Frauen durchgehen liess, ja sie gar noch mit Lügen und einer scheinheiligen Moral stillschweigend toleriert.
Brett Kavanaugh ist ein typischer Vertreter dieser weissen Oberschicht. Er hat seine Highschool in einem privaten Knabeninternat absolviert, das unter anderem einen eigenen Golfplatz aufweist. Später hat er in Yale studiert, einer der führenden Elite-Universitäten der USA.
Dass an Knabeninternaten und Elite-Universitäten eine teils üble Macho-Kultur herrscht, wissen wir aus unzähligen Sachbüchern und Romanen. Yale beispielsweise ist berüchtigt für seinen Burschen-Club «Skulls and Bones», ein Männergeheimbund, dem unter anderen auch der ehemalige Präsident George W. Bush angehört hatte.
In solchen Vereinigungen wird nicht nur viel getrunken, es wird auch mit sexuellen Eroberungen geprahlt und es werden Verbindungen geknüpft, die später im Wirtschaftsleben und der Politik sehr nützlich sind.
Christine Blasey Ford, das Opfer der versuchten Vergewaltigung, weiss, wovon sie spricht. Sie ist ebenfalls in diesem Milieu aufgewachsen. Auch die Mädchen der weissen Elite sind vor den Machos nicht sicher. Kavanaughs Wochenkalender ist voll von Andeutungen an perverse Sexspiele.
Andere junge Frauen werden abschätzig als das bezeichnet, was hierzulande als «Wanderpreis» gilt. Die Mädchen sprechen jedoch kaum über ihre teilweise traumatischen Erfahrungen, ironischerweise oft, weil sie ihre Väter nicht damit erschrecken wollen, wie die «Washington Post» berichtet.
Heute spaltet Blasey Ford die USA, aber keineswegs in der Mitte: 55 Prozent der Frauen wollen Kavanaugh nicht im Obersten Gericht sehen, bloss 37 Prozent würden es begrüssen. Das zeigen jüngste Meinungsumfragen. Bei den Männer hingegen wollen ihn 49 Prozent bestätigt wissen, 40 Prozent lehnen ihn ab.
Die weissen Männer reagieren ebenfalls mit Wut. Kavanaughs Aussagen vor dem Senatsausschuss waren ein inszenierter Tobsuchtsanfall. Lindsey Graham, Trump-Kumpel und konservativer Senator, versuchte gar, Kavanaughs Theatralik noch zu übertreffen. «Ich bin ein weisser Junggeselle aus South Carolina, und man sagt mir, ich müsse den Mund halten», schrie er in der Saal. «Aber ich werde meinen Mund nicht halten, okay?»
Die Opfernummer der weissen Männer kommt nicht gut an. Im Internet und in den Comedy-Sendungen werden sie gnadenlos demontiert, teils brillant. (Wer Matt Damon in SNL noch nicht gesehen hat, sollte dies schleunigst nachholen). Umgekehrt funktioniert es nicht. Als Trump an einer Wahlkampfveranstaltung Blasey Ford nachäffen wollte, war es nur peinlich und scheinheilig.
Der Präsident hatte noch kürzlich die Aussage von Blasey Ford als aufrichtig und glaubwürdig gewürdigt. Nicht überraschenderweise hat er nun diese Maske fallen lassen. Die Quittung dafür werden ihm die Frauen in fünf Wochen präsentieren. Dann finden die Zwischenwahlen statt.