Wählerinnen und Wähler, die die hohen Preise von Lebensmitteln, Immobilien oder von Autoversicherungen satthaben, haben am Mittwoch Donald Trump zurück ins Weisse Haus verholfen. Das Thema Inflation (oder «the economy», wie viele Menschen die Basis ihrer Entscheidung nach der Wahl begründeten) war wohl stärker. Stärker als die Angst vor einem drohenden Demokratieabbau, stärker als die Themen Abtreibungsrecht, Minderheitenschutz, Klimaschutz und sogar als Migration.
Nachwahlbefragungen zeigten denn auch: Wer angab, besonders hart von steigenden Preisen getroffen worden zu sein, stimmte deutlich eher für Trump.
It's the inflation, stupid. pic.twitter.com/utCDvNnLGQ
— Lucas Chancel (@lucas_chancel) November 6, 2024
Offenbar trauten die Menschen in den USA es Trump eher zu, Alltagsprodukte wieder günstiger zu machen. Trump erinnerte sie auch oft daran, dass die Inflation kein Problem war, als er noch am Drücker war. Und er hat versprochen, während seiner zweiten Amtszeit die hohen Preise in den Griff zu kriegen.
Sein Problem: Will er seine Wahlkampfversprechen wirklich umsetzen, wird der Ex-und-jetzt-wieder-Präsident sehr schnell sein eigenes Problem haben mit der Inflation.
Einige der Wahlkampfversprechen, die bei seinen Wählerinnen und Wählern so gut ankamen – insbesondere die «Massenabschiebungen» und die extrem hohen Zölle auf ausländische Produkte –, würden bei ihrer Umsetzung zu steigenden Preisen führen, möglicherweise sogar zu einer sehr hohen Inflation.
Und nicht nur das: Teile des Finanzmarktes werden bereits jetzt nervös. Zwar konnten die Aktienmärkte insgesamt seit der Wahl Trumps zulegen. (Zumindest die amerikanischen, in Europa war eher das Gegenteil der Fall.) Sieht man sich allerdings den Anleihenmarkt an, wo z. B. Staatsanleihen gehandelt werden, ist das Bild ein anderes. So sind etwa die Renditen auf 10-jährige US-Staatsanleihen am Tag der Wahl kurzfristig sprunghaft angestiegen, und zwar so stark wie seit April nicht mehr.
Das könnte seinen Ursprung darin haben, dass die Trump-Pläne für seine Präsidentschaft Billionen US-Dollar an zusätzlichen Schulden generieren würden – gemäss einer Studie um etwa vier Billionen mehr, als es Harris' Pläne getan hätten. Und höhere Schulden erhöhen theoretisch das Risiko für Anleger, in diesen Staat zu investieren, was wiederum die Risikoprämie, also die Rendite, erhöht.
Steigen die Anleihenrenditen langfristig an, wird das die Aufnahme einer Hypothek oder eines Kredits oder auch die Finanzierung eines Autos verteuern.
Nun stimmt zwar, was viele Demokraten immer wieder in Erinnerung riefen: Der US-Wirtschaft geht es sehr gut. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem historisch tiefen Niveau, der Aktienmarkt auf einem historisch hohen. Und ja, es stimmt auch, dass die Inflation wieder drastisch gesunken ist.
Im Juni 2022 befand sich die Teuerung noch bei 9,1 Prozent – der höchste Wert seit vier (!) Jahrzehnten. Im vergangenen Oktober kam sie noch bei 2,4 Prozent zu liegen. Die Teuerung ist sogar so stark gesunken, dass der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, am Donnerstag zum zweiten Mal in Folge den Leitzins senken konnte.
Und trotzdem darf eines nicht vergessen werden: Die Preise sind in dieser Zeit nicht gesunken – sondern lediglich die Rate, mit denen die Preise weiter steigen. Und während Ökonominnen und Analysten gerne von durchschnittlichen und ziemlich neutralen Zahlen sprechen, sieht die Realität bei Amerikanerinnen und Amerikanern oft anders aus.
Die Härte, mit der US-Haushalte mit den anhaltend hohen Preisen getroffen wurden und noch immer werden, darf dabei nicht unterschätzt werden. Der typische US-Haushalt muss jeden Monat 1120 Dollar mehr ausgeben als noch im Januar 2021, um die gleichen Waren und Dienstleistungen zu kaufen, wie eine Analyse von Moody's zeigte. Zwar verdiente derselbe typische Haushalt auch 1193 US-Dollar mehr als im Januar 2021.
Aber bei diesen Zahlen handelt es sich um Durchschnitte, und nicht jeder Haushalt respektive jede Angestellte konnte bisher die höheren Preise mit einem höheren Lohn kompensieren. Und gemäss CNN konnte Trump mehrere Bezirke im Swing State Pennsylvania gewinnen, in denen die Löhne eben nicht mit den Preisen Schritt halten konnten.
Der US-amerikanische Chefökonom bei Oxford Economics, Ryan Sweet, erklärt es gegenüber CNN so:
Das Versprechen Donald Trumps, genau dort Abhilfe zu schaffen, steht allerdings im krassen Widerspruch zu seiner Agenda. Besonders auffällig ist seine Begeisterung für Zölle jeglicher Art – vollkommen egal, auf wessen Produkte und aus welchem Land diese stammen. So meinte Trump einmal, Zölle seien «das Grossartigste, was je erfunden wurde». Dass sämtliche Ökonomen und Expertinnen ihm in seiner Logik widersprechen – Zölle wirken inflationär und nicht, wie Trump behauptet, preissenkend –, konnte er bislang geflissentlich ignorieren.
Gemäss Berechnungen des renommierten Peterson Institute for International Economics sind die Auswirkungen quantifizierbar – und für US-Verbraucherinnen eigentlich überhaupt nicht ermutigend. Trumps Versprechen, massive Zölle zu erheben, Millionen von unregistrierten Arbeitskräften zu deportieren und möglicherweise sogar Einfluss auf die US-Notenbank zu nehmen, würden demnach das Wachstum schwächen, die Inflation anheizen und die Beschäftigung senken. Die Inflation, die Trump so gerne senken würde, würde derweil bis 2026 auf mindestens 6 Prozent ansteigen. Bis 2028 würden die Preise dann um 20 Prozent höher sein, so die Forschenden.
Zwar stimmt es, dass einzelne Zölle, wenn sie gezielt eingesetzt werden, zum Schutz der heimischen Industrie dienen können. Dieser Effekt spielt aber, wenn überhaupt, nur langfristig – nämlich erst dann, wenn die heimische Industrie ihre Kapazitäten so weit ausbauen konnte, dass die zuvor importierten Güter durch einheimische ersetzt werden können. In der kurzen Frist hingegen sind Zölle nichts anderes als eine Steuer auf ein Produkt: Sie verteuern es, und den Preis zahlen die Konsumierenden.
Trumps Wählerinnen und Wähler glaubten, Trump würde das Thema Inflation besser in den Griff kriegen als die Demokraten. Nun müssen sie paradoxerweise darauf hoffen, dass ihr neuer Präsident dafür seine Versprechen aus dem Wahlkampf nicht hält. Ansonsten dürfte ihre Euphorie über den neuen Präsidenten schnell wieder schwinden.