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Du willst nur das Beste? Voilà:
Herr
Ringger, fahren Sie einen Tesla?
Noch nicht, aber ich habe gerade eine Testfahrt mit
einem Tesla nach Deutschland gemacht. Ich wollte mir daraufhin das Modell 3
bestellen, merkte aber bald, dass ich nicht ganz der Einzige war – und die Wartefrist über zwei Jahre beträgt.
Mehr
als 300'000 Stück dieses Modells sind bereits geordert worden, obwohl es
frühestens in zwei Jahren erhältlich sein wird. Was sagt uns das?
Dass Elon Musk eine faszinierende Persönlichkeit ist.
Es ist schlicht unglaublich, was er aufgebaut hat. Am einem Montag verkündet
er den Launch von Tesla 3, am nächsten Mittwoch landet seine Rakete von SpaceX auf einer Plattform
im Meer – und stellt damit die NASA in den Schatten.
Dazu
ist er auch noch die treibende Kraft hinter Solar City, einem Unternehmen im
Bereich Solarenergie.
Ich frag mich schon: Wie kriegt er das alles unter einen Hut? Er ist ja nicht nur der Visionär, sondern ist sehr aktiv im Tagesgeschäft involviert. Wir brauchen solche Leute, die etwas bewegen und riskieren.
Musk hätte sich auch zurückziehen und das Leben geniessen können, nachdem er
mit Pay Pal zum Milliardär geworden war.
Als
Softwareingenieur ist Musk ein Quereinsteiger.
Das zeigt wieder einmal: Innovation kommt meist aus einer unerwarteten
Ecke. Tesla ist ja kein Auto im herkömmlichen Sinn mehr, es ist ein Computer
mit Rädern und wird regelmässig mit Updates auf den neuesten Stand
gebracht.
Sie
sind Investor. Würden Sie jetzt noch Tesla-Aktien kaufen?
Die Bewertung ist extrem hoch, und als Einzelanlage ist das nicht zu empfehlen. Grundsätzlich sollte man jedoch einen Teil – beispielsweise zehn Prozent – seines Portfeuilles in solche Unternehmen investieren, in
Firmen, die unsere Welt verändern.
Tesla
ist auch zu einem Symbol geworden für die Tatsache, dass Ökologie und
Nachhaltigkeit ein gutes Geschäft geworden sind.
Im Fall Tesla wird sich das erst noch zeigen. In den letzten 20 Jahren ist in Sachen Nachhaltigkeit
wenig passiert. Die Umweltkonferenz in Rio im Jahr 1992 war zwar ein Aufbruchsignal.
Denken Sie an «grüne» Unternehmer wie Stephan Schmidheiny. Seither veröffentlicht jedes grössere
Unternehmen grosse Nachhaltigkeitsberichte. Aber in den wirklich zentralen Fragen hat sich bisher noch nicht viel bewegt.
Was
ist der Unterschied zu Tesla?
Musk macht nicht etwas bereits Bestehendes ein
bisschen effizienter oder besser, er verändert die gesamte Wertschöpfungskette und kommt mit völlig neuen Konzepten. Das ist ein
entscheidender Schritt vorwärts.
Im
Silicon Valley will man nicht nur sehr reich werden, man will auch die Welt
verbessern. Ist das realistisch, oder hängen sich die frisch gebackenen
Milliardäre einfach ein grünes Mäntelchen um?
Der Vorwurf ist berechtigt. Das Geschäftsmodell von Google zum Beispiel zielt zunehmend auf eine Monopolisierung in den Bereichen ab, in denen Google tätig ist.
Heisst
das: Nachhaltigkeit braucht nicht nur Technologie, sondern auch Institutionen,
die dafür sorgen, dass es zu einer gerechten Verteilung kommt?
Die Einkommensverteilung ist effektiv zu einem Problem
geworden. Darum gibt es ja auch die zunehmenden Proteste der 99 Prozent gegen die 0,1
Prozent. Das ist keine gute Entwicklung. Mit anderen Worten: Es braucht nicht nur eine ökologische, sondern
auch eine gesellschaftliche Nachhaltigkeit. Bei diesen Themen stehen wir jedoch
erst am Anfang.
Die
Klimakonferenz 2012 in Kopenhagen war ein Fiasko, Paris im letzten Dezember ein
grosser Erfolg. Wie ist das zu erklären?
Paris war ein grosser Schritt vorwärts. Erstmals
haben sich 185 Staaten auf ein Klimaziel geeinigt – auf die 1,5 Grad Celsius.
Allerdings:
Die Massnahmen sind freiwillig.
Allein die Tatsache, dass ein solches messbares Ziel
definiert wurde und regelmässig überprüft wird, ist politisch gesehen ein Riesenfortschritt.
In
den USA haben der Kongress und der oberste Gerichtshof jedoch bereits quer
geschossen.
Mit der Umsetzung solcher Massnahmen hat es ein diktatorisches Regime wie dasjenige in China sicherlich leichter. In diesen Ländern wird top down entschieden – unter Ausschluss demokratischer Prozesse. Innerhalb kurzer Fristen werden zum Beispiel Kohlekraftwerke geschlossen und neue Gesetze durchgesetzt.
China
hat gar keine andere Wahl. Die Menschen ersticken buchstäblich im Smog.
Nicht nur, es gibt auch einen wirtschaftlichen Aspekt: Wenn
China sich jetzt auf die Entwicklung von sauberen Energien spezialisiert – auf
die Produktion von Solarzellen beispielsweise –, dann hat dies auch einen
wirtschaftlichen Aspekt. Der Westen könnte bald sehr schnell ins Hintertreffen
geraten.
Heisst
das: Die nachhaltigen Innovationen werden bald nicht aus dem Silicon Valley,
sondern aus China kommen?
Wer weiss. Schon heute sehen wir, dass Schwellenländer
technische Entwicklungsstufen überspringen und die neuesten Technologien und Produkte anwenden.
In Afrika wird niemand mehr ein Telefonnetz mit Kupferdraht aufbauen und der
Zahlungsverkehr läuft heute schon zu einem guten Teil übers Handy.
Wie
sieht es punkto nachhaltiger Energien aus?
Wenn die Solarenergie mit den fossilen Brennstoffen preislich
mithalten kann, wird das auch das Ende der Kohlegruben bedeuten. In Indien
will die Regierung in den nächsten Jahren 400 Millionen Haushalte mit
Solarstrom versorgen.
Ist
Nachhaltigkeit also für die Massen erschwinglich geworden?
Letztlich sind es weniger ethische Motive oder die Politik,
welche die Nachhaltigkeit entscheidend vorantreiben werden, es sind innovative Geschäftsmodelle und Technologien. Tatsache ist: Wir
haben heute bei Solar- und Windenergie tiefere Kosten und Versorgungssicherheit,
aber keine Altlasten.
Die
deutsche Energiewende wird sehr unterschiedlich beurteilt: Mutiges
Voranschreiten oder teure Verschwendung. Was ist richtig?
Die Richtung stimmt auf jeden Fall, aber die aggressive Subventionspolitik der Chinesen bei der Solarenergie hat zu grossen
Verlusten in Deutschland geführt. Die vielen Solarfabriken in Süddeutschland gibt es nicht
mehr. Grundsätzlich begrüsse ich es, wenn die Rahmenbedingungen zugunsten erneuerbarer Energien verändert werden. Nicht jedoch durch direkte Subventionen, sondern durch Lenkungsmassnahmen wie eine CO2-Abgabe oder die Besteuerung von Energie anstatt Konsum. Traditionelle Energieformen wie Atomenergie und
fossile Brennstoffe werden weltweit immer noch massiv mehr subventioniert als erneuerbare Energien.
In
der Schweiz haben wir in den vergangenen 50 Jahren auf eine Mischung aus
Wasserkraft und Atomstrom gesetzt. Hat dieser Energiemix immer noch eine
Zukunft?
Nein, langfristig sollten wir auf die neuen, dezentralen
Technologien setzen. Tesla beispielsweise baut ja nicht nur Autos, sondern auch
Batterien, die es erlauben, auf dem Dach erzeugten Solarstrom zu speichern. Das
ist eine Riesenchance für die Zukunft.
Würden
Sie als Banker heute noch in ein Atomkraftwerk investieren?
Wir erleben zurzeit, dass die bisherigen Eigentümer der
Atomkraftwerke versuchen, sie dem Staat, bzw. dem Steuerzahler zu verkaufen. Das sagt alles. Auch bei
der Kohle wird es zunehmend eng. Norwegens Staatsfonds, mit 800 Milliarden Dollar Vermögen der grösste der Welt, hat soeben
bekannt gegeben, dass er seine Anteile an Kohlefirmen abstossen wird.
Und
die Erben von Rockefeller verkaufen ihre Ölaktien.
Aus demselben Grund. Sie sagen sich: Die Risiken in
diesen Technologien sind zu gross geworden – und erneuerbare Energien versprechen bessere Renditen.
Mark
Carney, der Gouverneur der Bank of England, hat im vergangenen Herbst vor
diesen Risiken gewarnt. Hat dies das Verhalten der Investoren beeinflusst?
Es gibt einige sehr grosse institutionelle Anleger, die sich aus Kohle
und Erdöl zurückziehen, die beiden Versicherer Axa und Allianz beispielsweise.
Gut möglich, dass andere nachziehen und dass so daraus eine sich selbst
erfüllende Prophezeiung wird.
Soeben
ist Peabody, der grösste Kohleproduzent der USA, pleite gegangen. Ein Zeichen
für die Zukunft?
Lange waren Peabody-Aktien so genannte Witwen- und
Waisenpapiere, sichere Werte mit einer hohen Dividende. Gerade im Energiesektor
muss man sich heute sehr genau überlegen, wo und wie man investieren will. Es
kommen da ganz neue Entwicklungen auf die Investoren zu.
Woran
denken Sie?
Auch die Politik – und wie das Bespiel der Bank of England zeigt –, auch die Notenbanken beginnen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Einerseits will man wissen, welche Klima- und CO2-Risiken in den Bilanzen der Banken enthalten sind, andererseits stellt sich auch die Frage, was die Geldpolitik der Zentralbanken für
Auswirkungen auf den Energiesektor und die Klimathematik hat.
Gibt
es da einen Zusammenhang?
Die Geldpolitik dominiert derzeit unser
Wirtschaftsleben und die Entwicklung an den Kapitalmärkten. Wir verzeichnen Negativzinsen, die Leute müssen länger arbeiten, weil die Pensionskassen die Renditen bei Nullzinsen nicht mehr erwirtschaften können?
Okay,
aber was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?
Wenn zum Beispiel die Europäische Zentralbank im Zuge des Quantitativen Easing den Banken Obligationen von VW oder BMW abkauft oder belehnt, dann können sich die Automobilproduzenten dadurch günstiger refinanzieren. Die expansive Geldpolitik der EZB hat damit indirekt einen Einfluss auf die Industrie, und je nach Branche auch auf die Klimathematik.
Müsste
die EZB also versuchen, VW Auflagen zu machen, mehr auf Elektromobil zu setzen?
Nein, die EZB sollte sich nicht in die Strategie der Unternehmen einmischen. Aber wir haben diese
indirekten Folgen noch gar nicht durchdacht. Es gibt viele Fragen, die wir noch
gar nicht gestellt haben. Darauf wollte übrigens auch Mark Carney hinweisen, der zu diesen Fragen eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat.
Er
wurde deswegen sehr hart kritisiert.
Ja klar, er ist einer sehr starken Lobby entgegengetreten. Fast 20 Prozent aller öffentlich kotierten Aktien in Grossbritannien sind direkt oder indirekt von Kohle, Öl und Gas abhängig. Carney hat lediglich darauf
hingewiesen, dass dies für die Zukunft ein Klumpenrisiko darstellt. Der
Öl-Konzern Exxon – das Unternehmen mit der drittgrössten Börsenkapitalisierung
der Welt – hat eine Anfrage der Aktionäre erhalten. Diese verlangen, dass die
Risiken einer Wirtschaft mit massiv weniger CO2-Ausstoss für Exxon analysiert und ausgewiesen werden.
Wie
hat das Management von Exxon reagiert?
Sie wehren sich, das sei kein Szenario, das sie in Betracht ziehen
würden. Lange werden sie mit dieser Haltung nicht mehr durchkommen. Als
Investor will ich heute wissen: Wo liegen die finanziellen Risiken, was wird aus den
Ölreserven, wie geht die Firma mit diesen Risiken um und welche Strategien werden verfolgt.
Bei
Exxon und den anderen Öl-Multis geht es auch um extrem viel Geld. Sie werden
doch ihre Interessen mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Selbstverständlich. Doch Exxon kann via Lobbying möglicherweise die
Politik beeinflussen, nicht aber die Technologieentwicklung und die sinkenden Kostenkurven. Wenn der Konsument bessere
und günstigere Energie aus nachhaltigen Quellen zur Verfügung hat, verliert Exxon das Rennen – und genau in diese Richtung gehen wir heute.
Was
ziehen Sie als Investor für Schlüsse daraus?
Wir hatten diese Situation schon in anderen Branchen und Unternehmen, etwa bei
Kodak. Der einst führende Fotokonzern hat die Digitalisierung verschlafen.
Heute gibt es ihn nicht mehr. Wir stehen in vielen Branchen vor ähnlichen Paradigmenwechseln.
Warum
tun wir uns in der Schweiz so schwer damit? Wir haben weder Exxon noch eine
Atomlobby?
Schwierig zu sagen, vielleicht weil wir Schweizer keine «early movers» sind, wir warten
gerne zu und lassen die anderen die ersten Fehler machen. Kommt dazu, dass die
direkte Demokratie den Handlungsspielraum der Regierung stark einschränkt und Anpassungsprozesse verlangsamt.
Wer
wird bei uns also die Energiewende vorantreiben?
Innovative Unternehmen und der Konsument. Damit wären wir wieder bei Tesla
angelangt. Stimmt das Produkt, dann folgt der Rest quasi automatisch.