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MoneyTalks: Wie du mit Community-Geld mehr für alle erreichen kannst

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Wie du mit Community-Geld mehr für alle erreichen kannst

Du möchtest, anstatt Renditen zu jagen, lieber in Veränderung investieren? Gemeinsam mit anderen und in andere und deren Ideen anlegen und so eine neue Form von (zeitlich begrenztem) Einkommen und Finanzierung schaffen? Oder dich und deine Idee finanzieren lassen? Das geht mit Community-Geld. Wie es funktioniert, erfährst du hier.
28.09.2023, 14:1628.09.2023, 16:38
Olga Miler
Olga Miler
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Kennt ihr das: Menschen, die einen einfach in ihren Bann ziehen, weil sie diese enorme Energie ausstrahlen? So ging es mir, als ich Ondine Riesen, die Gründerin von Ting kennengelernt habe. Einfach ansteckend, energetisierend. Ting ist ein Pionierprojekt, eine Community, die Finanzierungen anders anpackt: Mit monatlichen Beiträgen wird ein gemeinsames Vermögen aufgebaut, das dann im Umlageverfahren allen als zeitlich begrenztes Einkommen zur Verfügung steht.

Da jüngst einige von euch kommentiert haben, dass «Money Talks» doch auch etwas über alternative Modelle der Finanzierung schreiben soll (danke für den Anstoss!), hier ist, was ich von Ondine und Ting über Community-Geld und von Recherche über bedingungsloses Grundeinkommen lernen durfte – bin sehr gespannt auf die Diskussion und eure Kommentare. 😉

Was ist Community-Finanzierung?

Im weitesten Sinne geht es bei der Gemeinschaftsfinanzierung um die Bereitstellung von Geldern zusammen mit einer Gruppe von Menschen, um ein bestimmtes Ziel, Projekt oder Initiative zu unterstützen. Typischerweise passiert dies durch Spenden, Darlehen, Investitionen oder allenfalls Vorverkäufe.

Community-basierte Finanzierungsmodelle können ganz unterschiedliche Formen annehmen und sich verschiedenen Themen widmen, z.B. Mikrofinanzierung für Kleinstunternehmen, Gesundheitswesen (Community-Based Health Insurance Schemes), gemeinsam finanzierte Infrastruktur etc.

Mit dem steigenden Einsatz von Technologie gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Modellen im Crowd-Bereich: Du kannst z.B. zusammen mit anderen Immobilien erwerben, dich an Unternehmen beteiligen, mit Crowd-Lending anderen Menschen Geld gegen Zinsen ausleihen etc.

Beim Community-Pionierprojekt Ting geht es nicht um die Maximierung einer Rendite, sondern um das Schaffen einer zeitlich begrenzten Einkommensmöglichkeit durch Umverteilung.

So funktioniert Community-Geld im Umlageverfahren

Die bekanntesten Beispiele für Community-Finanzierung im Umlageverfahren sind Sozialversicherungen. Bei der AHV finanzieren die wirtschaftlich Aktiven die Rentner:innen, indem das eingezahlte Geld zur Finanzierung der Leistungen verwendet wird.

Das gleiche Prinzip nutzt Ting (Angaben Webseite Ting):

  • Die Mitglieder zahlen monatlich Beiträge auf ein Gemeinschaftskonto ein. Es gibt drei Beitragsformen: Unterstützen kannst du die Umverteilung schon ab 10 Franken monatlich. Mit einem Beitrag von 65 Franken pro Monat kannst du bis zu zwei Monate Community-Geld beantragen, mit einem monatlichen Beitrag von 150 Franken bis maximal 6 Monate.
  • Für den Bezug des Geldes stellen die Mitglieder einen Antrag, welcher von Ethikern anhand von vier Kriterien geprüft wird und an dem alle Community-Mitglieder (freiwillig) mitentscheiden: Dein Vorhaben soll intrinsisch motiviert sein, sich positiv auf deine Biographie auswirken, einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und gesetzeskonform sein. Je nach Dauer und Art deiner Mitgliedschaft kannst du zwischen 2’000 – 2’500 Franken pro Monat für maximal sechs Monate beziehen.
  • Um für die Zukunft stabil zu bleiben, hat Ting ein Rücklagekonto.

Das Ziel von Ting ist die Investition in Menschen und Veränderung durch Umverteilung von Geld, deshalb verspricht die Community keine monetären Gewinne oder Renditen.

«Wir glauben, dass der Mensch nicht übers Haben, sondern übers Sein glücklich wird und viel vom Sein mit der eigenen Tätigkeit zu tun hat, die als sinnhaft betrachtet wird. Wir bieten unseren Mitgliedern eine Möglichkeit dafür.»
ondine riesen, gründerin ting

Damit das Finanzierungsmodell langfristig reibungslos funktioniert, braucht die Community laut eigener Webseite 2’500 Mitglieder:innen. Heute sind bereits 484 Menschen dabei.

Selbstverständlich hat so ein Modell auch seine Vor- und Nachteile: Vorteile sind sicherlich, dass du dich für die Gemeinschaft engagierst und bei Bedarf eine Finanzierungsquelle für dein Vorhaben hast. Nachteile und Risiken sind für dich persönlich, wenn dein Antrag z.B. nicht gutgeheissen wird, oder das System ausgenutzt wird (kurz einzahlen, lange beziehen). Solchen Risiken versucht die Community mit entsprechenden Geschäftsbedingungen und gemeinsamen Regeln entgegenzuwirken.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Das Modell von Ting, welche als Community ein Einkommen auf Zeit durch Umverteilung zur Verfügung stellt, ist der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ähnlich, aber nicht das Gleiche.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen geht weiter: Jede(r) Bürger:in eines Staates erhält lebenslang ein existenzsicherndes Einkommen. Für die Schweiz lag der Vorschlag für die Abstimmung 2016 bei 2’500 Franken pro Monat.

Als Vorteile eines solchen Grundeinkommens werden Bekämpfung von Armut, Möglichkeit von Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und grössere persönliche Freiheit genannt. Dem gegenüber stehen Fragen der Finanzierung, der Organisation und als häufiger Kritikpunkt die Frage, ob ein solches Grundeinkommen den Anreiz zu arbeiten reduziert oder nicht. Um die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens zu testen, gibt es eine Reihe verschiedener Experimente und Feldversuche:

  • Ein Experiment in Finnland an 2'000 arbeitslosen Menschen hat gezeigt, dass sich das Grundeinkommen signifikant positiv auf die Zufriedenheit und psychische Belastung auswirkte. Ebenfalls waren die Menschen mit dem Grundeinkommen eher erwerbstätig als Menschen in der Kontrollgruppe. Allerdings waren diese Unterschiede gering. Details zum Experiment findest du im Artikel von McKinsey.
  • Ein bekanntes, langjähriges Beispiel ist der Alaska Dividend Fund. Dieser zahlt pro Einwohner:in seit 1976 ca. 1’000-2’000 US$ pro Jahr aus. Gespiesen wird der Fond durch die Öl- und Bergbaueinnahmen, errichtet wurde er als Investition für zukünftige Generationen, die nicht mehr über Öl als Ressource verfügen werden. Mehr dazu hier.
  • Weltweit gibt es ganz verschiedene Experimente für das bedingungslose Grundeinkommen, z.B. in Kanada, Brasilien, Deutschland, Spanien, China, Japan, Kenia. Eine Übersicht der verschiedenen Experimente zeigt dieser Artikel. Die damit erzielten Resultate sind vielfältig, von mehr Bildung bis hin zu reduziertem Stress, höherem Vertrauen, grösserem Gemeinschaftssinn. Einige der Experimente aber scheiterten auch an der Organisation oder politischen Hürden. Die Frage, ob das Grundeinkommen negative Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit hat, konnte bis jetzt nicht abschliessend beantwortet werden.
  • Gegenwärtig läuft in Deutschland ein Experiment, drei Jahre lange erhalten 122 Personen 1’200 EUR monatlich als Grundeinkommen, die Resultate und Auswirkungen werden entsprechend gemessen. Details zum Experiment und Erfahrungsberichte findest du hier.

Für alle, die sich für das Thema interessieren, hier einige Bücher zum Thema: «Give People Money: How a Universal Basic Income Would End Poverty, Revolutionize Work, and Remake the World», Annie Lowrey; «Basic Income: A Radical Proposal for a Free Society and a Sane Economy», Philippe Van Parijs, Yannick Vanderborght und ab Januar 2024 «Unconditional Freedom» von David Casassas.

Bis es zu einem Grundeinkommen kommen kann, müssen wohl noch viele Daten und Experimente gemacht werden und organisatorische und politische Fragen geklärt werden.

Wie seht ihr das? Was denkt ihr über Community-basierte Finanzierungsmodelle oder ein bedingungsloses Grundeinkommen?💰

olga miler, frauen und geld, blog, watson
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Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.
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