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Intransparenz: Tamedia-Chefredaktion in der Kritik.

Redaktionsmitglieder der SDA, der Berner Zeitung und der Tageszeitung der Bund demonstrieren mit Gesichtsmasken von Pietro Supino gegen den Abbau bei der Tamedia. Die Aktion richtet sich auch gegen Pi ...
Bereits im März wehrten sich Mitarbeitende von «Bund» und «Berner Zeitung» gegen den drohenden Stellenabbau – mit Masken von Tamedia-Verwaltungsratspräsident Pietro Supino.Bild: KEYSTONE

Unmut wegen Intransparenz – Chefredaktion spricht über Abgangsentschädigungen bei Tamedia

Tamedia baut als Folge der Reorganisation namens «Projekt 2020» Personal ab. Der Verlag will Mitarbeiter mit Geld zu einem freiwilligen Abgang bringen. Auch Journalisten wurden solche Angebote gemacht, ohne dass die Personalkommission informiert war. Nun sollten die Chefs Klarheit schaffen.
20.06.2018, 18:2421.06.2018, 07:37
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Das grösste Verlagshaus der Schweiz baut in der Redaktion und der Produktion Arbeitsplätze ab. Am Mittwochmittag wurden die Journalisten des Hauses an den Standorten in Zürich und Bern zu parallel stattfindenden Informationsveranstaltungen eingeladen. Es sprachen zwei Mitglieder der Chefredaktion.

Die Mantelredaktion (siehe Infobox) wurde darüber informiert, dass sich das Unternehmen mithilfe von «Aufhebungsverfahren» von einer einstelligen Anzahl Redaktoren trennen will. Aufhebungsverfahren sind ein finanzielles Angebot, mit dem Mitarbeiter zu einem freiwilligen Abgang gebracht werden sollen. Konkret: Kündigen die Journalisten von sich aus, werden sie per sofort freigestellt, mit Lohnfortzahlung bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist. Darüber hinaus wird ihnen ein Abfindung bezahlt.

Mit der heutigen Informationsveranstaltung kam die Chefredaktion einer Forderung der Personalkommission nach. Diese hatte am vergangenen Freitag gefordert, dass Informationen über die konkrete Ausgestaltung und das Ausmass des Personalabbaus nachgeliefert werden.

Ein Mantel für 12 Zeitungen
Im vergangenen August präsentierte Tamedia eine Reorganisation namens «Projekt 2020». Per Anfang 2018 legte das grösste Verlagshaus des Landes sämtliche Bezahlzeitungen in der Deutschschweiz und der Romandie zu je einer Mantelredaktion zusammen, die sämtliche überregionalen Inhalte herstellt. In der Deutschweiz etwa beziehen 12 Tages- und Wochenzeitungen wie «Bund», «Berner Zeitung», «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» ihre Berichterstattung über Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur von der zentralen «Redaktion Tamedia».

Denn über die Informationspolitik von Tamedia hatte sich unter den Journalisten viel Unmut angestaut. Der von der Unternehmensleitung mehrfach angekündigte Personalabbau sei angelaufen, heisst es in einem internen Mail der Personalkommission (Peko) von letzter Woche: «Die Art und Weise, wie sich dies im Moment abspielt, finden wir inakzeptabel.»

Kritisiert wurde insbesondere die mangelnde Transparenz. Wie die TagesWoche berichtet hatte, wurden zahlreiche Journalisten von ihren Vorgesetzten zu Einzelgesprächen eingeladen. Dort wollte man ihnen den freiwilligen Abgang per Aufhebungsverfahren schmackhaft machen. Über diese Gespräche waren weder die Personalkommission noch die übrigen Redaktionsmitglieder informiert. Über ähnliche Vorgänge in der Produktionsabteilung «Editorial Services» hatte zuvor watson berichtet.

«Unserer Ansicht nach ist es das Mindeste, dass man die Personalkommissionen und die Belegschaft vorab informiert», schrieb die Peko in ihrem Mail vom letzten Freitag: «Wir wollen zuerst wissen, was konkret geplant ist, wie gross der geplante Abbau insgesamt sein soll.»

«Unter enormen Druck gesetzt»

Doch offenbar erfüllte die heutige Information durch die Chefredaktion die Erwartungen der Redaktion nur ungenügend. «Nach wie vor wissen wir im Moment nicht, wie viele Kolleginnen und Kollegen in nächster Zeit effektiv gehen müssen, weil Ihnen keine akzeptable, betriebsinterne Alternative geboten wird», sagt Andrea Fischer auf Anfrage von watson. Sie ist Mitglied der Peko der Tamedia-Mantelredaktion: «Das ist aus unserer Sicht nicht gut.»

Fischer äussert im Namen der Peko auch grundsätzliche Kritik am Vorgehen von Tamedia. «Wir finden es fragwürdig, einen Abbau aus wirtschaftlichen Gründen via Aufhebungsvereinbarung vorzunehmen.» Damit schiebe das Unternehmen den Entscheid auf die Betroffenen ab «und setzt diese unter enormen Druck». Denn die versprochenen Leistungen erhielten sie nur, wenn sie einwilligten, zu gehen.

«Rechnen nicht mit grösserer Anzahl Kündigungen»

Zur heutigen Informationsveranstaltung zeigt sich das Unternehmen wortkarg. Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer bestätigt auf Anfrage lediglich, dass «Aufhebungsvereinbarungen mit einem finanziellen Beitrag» auf der Redaktion «möglich» sind: «Wir rechnen mit einer einstelligen Anzahl.»

Das Unternehmen halte am Ziel fest, «die notwendigen Anpassungen soweit möglich über Fluktuation sowie interne Wechsel und ohne Kündigungen» zu erreichen, wiederholte Zimmer seine Aussage von letzter Woche.

Auch in Bezug auf mögliche Entlassungen bei der Mantelredaktion wiederholte sich Zimmer. Tamedia rechne derzeit nicht damit, dass es «zu einer grösseren Anzahl Kündigungen» kommen werde: «Hier es geht vielmehr um einen Umbau». In einzelnen Bereichen werde man Schrittweise weniger Mitarbeiter benötigen, andere Bereiche hingegen werden ausgebaut.

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Thom Mulder
20.06.2018 19:04registriert November 2014
Nicht weiter verwunderlich. Medienhäuser kaufen einander auf, Mitarbeiter werden herumgeschoben, vorzugsweise entlassen, jetzt nennt man das halt "Aufhebungsverfahren", whatever. Dieselben Medien die immer als Erste enprangern wenn extremkapitalistische Vorgänge zu Entlassungen, schlechter Qualität usw. führen, sie sind selber keinen Deut besser. Daher halte ich solche zusammengeschusterte Blätter auch nicht für erhaltungswert. Da gibt es so einige Blogger mit höheren journalistischen Standards als der Tagi.
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