Ridcully
Aber sich wundern, wenn die Mitarbeiter heutzutage keine Loyalität gegenüber der Unternehmung haben... Loyalität ist eben keine Einbahnstrasse...
Das Verlagshaus Tamedia geht ungewohnte Wege, um die Anzahl Mitarbeiter zu reduzieren. Derzeit werden mit 10 bis 15 Mitarbeitern der Produktionsabteilung «Tamedia Editorial Services» – welche unter anderem für Layout, Korrektorat und Bildredaktion der Tamedia-Zeitungen zuständig ist – Gespräche über «interne Wechsel in neue Funktionen» und «Aufhebungsvereinbarungen mit einem finanziellen Beitrag» geführt. Sie werden in diesen Tagen darüber informiert. Diesen Sachverhalt bestätigt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer auf Anfrage von watson. Auch in der Mantelredaktion der Tamedia-Zeitungen seien ähnliche Angebote zukünftig «in Einzelfällen nicht auszuschliessen».
Eine solche Aufhebungsvereinbarung sei ein freiwilliges Angebot, so Zimmer. Sie setzt sich aus einem finanziellen Beitrag und einer sofortigen Freistellung bereits während der Kündigungsfrist zusammen. Die Modalitäten orientierten sich an vergangenen Sozialplänen – «zuzüglich einer Prämie». Wie hoch der Beitrag ausfalle, hänge von der individuellen Situation der Betroffenen ab: «Wir können uns dazu nicht im Detail äussern.»
Ziel der Aufhebungsvereinbarungen: Dank einem finanziellen Zustupf sollen die Mitarbeitenden dazu gebracht werden, das Arbeitsverhältnis mit Tamedia im gegenseitigen Interesse aufzulösen. Hintergrund des Schrittes: Die Tamedia ist nach einer Reorganisation neu aufgestellt und hat in der derzeitigen Form zu viele Mitarbeitende. Nun sucht das Verlagshaus nach Wegen, den Personalbestand zu reduzieren.
Diese Reorganisation begann mit einem Paukenschlag für die Schweizer Medienlandschaft. Im vergangenen August präsentierte Tamedia das «Projekt 2020»: Per Anfang 2018 legte das grösste Verlagshaus des Landes sämtliche Bezahlzeitungen in der Deutschschweiz und der Romandie zu je einer Redaktion zusammen, die sämtliche überregionalen Inhalte herstellt. In der Deutschweiz etwa beziehen 12 Tages- und Wochenzeitungen wie «Bund», «Berner Zeitung», «Landbote», «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» ihre Politik-, Wirtschafts-, Sport- und Kulturberichterstattung von der zentralen «Redaktion Tamedia».
Damals sagte Konzernchef Christoph Tonini: «Mit der Einführung der neuen Organisation sind keine Kündigungen verbunden.» Diese Aussage erstaunte. Tamedia ist bekannt für ein strenges Kostenmanagement. Und das Verlagshaus begründete das Projekt «Projekt 2020» mit dem erwarteten Rückgang der Einnahmen um 30 Prozent über die nächsten drei Jahre. Mit dem neuen Projekt sollten ausserdem Synergien geschaffen und die Prozesse in den Supportdiensten Layout, Produktion, Korrektorat, Infografik und Bild effizienter werden.
Bereits im März 2018 – bei der Präsentation der Geschäftszahlen des Vorjahrs – tönte es anders. Mit der neuen Arbeitsweise sei zu viel Personal angestellt, sagte CEO Christoph Tonini. Man wolle zwar am Vorhaben festhalten, «die Reorganisation über die Fluktuation zu bewältigen». Diese liegt derzeit bei 4 Prozent pro Jahr. Falls es in den kommenden drei Jahren nicht mehr natürliche Abgänge gebe, sei «nicht auszuschliessen, dass es in Zukunft zu Kündigungen kommen wird».
Mit den jüngsten Gesprächen über Aufhebungsvereinbarungen bei den «Editorial Services» hält Tamedia laut Sprecher Christoph Zimmer am Ziel fest, die notwendigen Anpassungen soweit möglich über Fluktuation sowie interne Wechsel und ohne Kündigungen zu erreichen. Allerdings gehe das Unternehmen davon aus, dass das alleine nicht ausreichen wird: «Wir können deshalb Kündigungen in der Produktionsabteilung ‹Tamedia Editorial Services› nicht ausschliessen.»
Das kann man bei Tamedia offenbar auch für die Mantelredaktion nicht, wo es in Einzelfällen ebenfalls zu Gesprächen über Aufhebungsvereinbarungen kommen könnte. Allerdings schränkt Zimmer ein: «Wir rechnen derzeit nicht damit, dass es in der Redaktion Tamedia zu einer grösseren Anzahl Kündigungen kommen wird». Vielmehr gehe es um einen Umbau von Bereichen, die schrittweise weniger Mitarbeiter benötigen würden hin zu Bereichen, die ausgebaut würden, wie etwa beim Datenjournalismus. In den Titelredaktionen der Deutsch- und Westschweizer Tamedia-Blättern seien hingegen keine Kündigungen vorgesehen.
Für die verbleibenden Mitarbeiter der «Editorial Services» wie für die Journalisten steht bald eine grössere Umstellung in ihrem Arbeitsalltag bevor: Ab Juli 2018 und schrittweise bis März 2019 werden die Tageszeitungen der Tamedia neu aufs Redaktionssystem «Woodwing Enterprise» umgestellt. Damit müsse eine Seite, die mit den gleichen Texten, Bildern und Infografiken in mehreren Zeitungen erscheint, nur noch einmal produziert und gestaltet werden. Bisher musste das für die gleichen Inhalte in bis zu drei Redaktionssystemen gemacht werden.
Die geplanten Gespräche mit den bis zu 15 Mitarbeitern der Editorial Services stünden aber nicht in direktem Zusammenhang mit der Einführung des neuen Redaktionssystems, sagt Zimmer: «Aber die neue Redaktionsorganisation und die Harmonisierung der Prozesse und der Layouts führen dazu, dass wir in Zukunft weniger einzelne Seiten produzieren müssen und deshalb weniger Mitarbeitende benötigen.»