Wirtschaft
Schweiz

Comparis: Deshalb überwacht jetzt die Finma den Vergleichsdienst

Missbrauchspotenzial bei Comparis: Deshalb überwacht jetzt die Finma den Vergleichsdienst

Das beliebte Onlineportal verliert vor Gericht gegen die Finanzmarktaufsicht. Der Rechtsstreit gibt einen Einblick in das Millionengeschäft mit den Krankenkassenwechseln.
12.07.2024, 12:17
Andreas Maurer / ch media
Mehr «Wirtschaft»
Eine der beliebtesten Websites der Schweiz: Comparis.ch
Eine der beliebtesten Websites der Schweiz: Comparis.chBild: Christian Beutler / Keystone

Eigentlich steht Comparis.ch für Transparenz. Der führende Vergleichsdienst der Schweiz durchleuchtet seit 1996 den Markt, um seine Nutzerinnen und Nutzer zum besten Angebot zu führen, sei es für Occasionsautos, Wohnungen oder Versicherungen. 80 Millionen Aufrufe erzielt er damit pro Jahr. Eine Million davon für Versicherungsvergleiche. Doch in eigener Sache hat Comparis bisher vollständige Transparenz gescheut.

Die Firma hat sich jahrelang geweigert, sich bei der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) als Versicherungsvermittlerin zu registrieren und ihre Kennzahlen überprüfen zu lassen. Doch die Finma hat Comparis in einem sogenannten Enforcementverfahren dazu gezwungen. Dagegen wehrte sich Comparis vor dem Bundesverwaltungsgericht und hat jetzt auf ganzer Linie verloren. Der Rechtsstreit gibt Einblick in das Millionengeschäft mit den Krankenkassenvergleichen.

Jedes Jahr im November ist es so weit: Wenn die neuen Krankenkassenprämien da sind, schnellen die Zugriffe auf Comparis.ch in die Höhe. Die User wollen wissen: Wo sind die Prämien am günstigsten? Doch Comparis vergleicht nicht nur, sondern vermittelt auch Versicherungsverträge.

Bei den Resultaten erscheint jeweils ein Link, der direkt zur Offerte führt. Für jeden Deal kassiert Comparis etwa 50 Franken. Jährlich nimmt die Firma so rund 10 Millionen Franken von den Versicherungsfirmen ein.

In diesem Geschäftsmodell sieht die Finma Missbrauchspotenzial und stellt die Unabhängigkeit von Comparis in Frage. Denn der Onlinedienst könnte einzelne Versicherungen im Vergleich bevorteilen. Comparis bestreitet dies und stellt in Abrede, dass dieser Anreiz bei einem unabhängigen Vergleichsdienst überhaupt bestehe.

Bei einem Vergleich von Internetprovidern hat Comparis allerdings einst nur Anbieter berücksichtigt, die Provisionen dafür zahlten, wie der «Tages-Anzeiger» 2023 aufgedeckt hatte. Danach gelobte Comparis Besserung.

Comparis hat das Aufsichtsrecht schwer verletzt

Um solche Unregelmässigkeiten im Krankenkassengeschäft zu verhindern, muss sich Comparis nun von der Finma überwachen lassen. Dafür muss die Betreiberin alle Provisionen, Rabatte und Honorare detailliert mitteilen. Zudem schreibt die Finma vor, dass Versicherungsvermittler die Konsumentinnen und Konsumenten über ihre Interessenbindungen aufklären müssen.

Weil sich Comparis bisher diesen Regeln nicht unterwarf, verletzte das Unternehmen gemäss der Finma das Schweizer Aufsichtsrecht schwer. Comparis habe jährlich Millionenumsätze generiert, ohne sich an die finanzmarktrechtliche Ordnung zu halten. Die Finma drohte deshalb mit Gewinneinziehung. Comparis tätigte dafür Rückstellungen, obwohl diese Massnahme als unwahrscheinlich gilt. Die Aufsichtsgebühr für die Finma beträgt ausserdem lediglich 475 Franken pro Jahr.

Trotzdem nannte Comparis den Rechtsstreit mit der Finma vor einem Jahr als einen von mehreren Gründen für eine Massenentlassung. Der Hauptgrund war allerdings gewesen, dass der Konzernumsatz einbrach, während die Kosten anstiegen. Die Wachstumsstrategie war zu ambitioniert gewesen.

Um die Kritik der Finma zu entkräften, griffen die Betreiber von Comparis zu einem finanzrechtlichen Trick: Sie gründeten eine Schwesterfirma, über die sie die Krankenkassendeals abwickelten und die sie bei der Finma registrierten. Doch damit gab sich diese nicht zufrieden und warf Comparis eine Umgehung vor.

Ausserdem reichte Comparis eine E-Mail-Auskunft der Finma aus dem Jahr 2010 ein, wonach eine Registrierung nicht nötig sei. Das Gericht weist Comparis nun aber nach, dass die Anfrage dafür nicht alle nötigen Informationen enthalten hat.

Strafrechtsprofessor und Comparis-Beirat Daniel Jositisch bezeichnete das Vorgehen der Finma in diesem Fall als rechtsstaatlich heikel. Diese Einschätzung widerlegt nun das Bundesverwaltungsgericht: Die Finma hat demnach alles richtig gemacht – sowohl nach altem wie auch nach neuem Versicherungsrecht.

Der Firmengründer gibt nach und beklagt sich

Resigniert: Comparis-Gründer Richard Eisler.
Resigniert: Comparis-Gründer Richard Eisler.archivbild: Keystone

Mittlerweile hat dies auch Comparis eingesehen. Das Unternehmen teilt mit, dass es das Urteil akzeptiere und sich bei der Finma registriere. Comparis-Gründer und Verwaltungsratspräsident Richard Eisler sieht sich dennoch als potenzielles Behördenopfer: «Die US-Giganten wie Google sind nicht durch die Finma reguliert. Sie können dadurch auch künftig rasch auf Kundenbedürfnisse reagieren, während Schweizer KMU wie Comparis durch die Regulierungsbürokratie benachteiligt werden könnten.»

Er hoffe nun, dass sich die Finma künftig nicht weiter wettbewerbshemmend einbringe und sich dadurch kein Nachteil für die Konsumentinnen und Konsumenten ergebe.

Der Widerspruch bleibt: Comparis und die Finma rechtfertigen ihre unterschiedliche Sicht mit demselben Argument, dem Konsumentenschutz. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Yelina
12.07.2024 14:43registriert Juli 2014
Früher habe ich Comparis genutzt für Krankenkassenvergleiche, seit einigen Jahren bevorzugeich aber die offizielle Seite "priminfo.admin.ch" vom Bund.
531
Melden
Zum Kommentar
avatar
Elpolloloco
12.07.2024 13:06registriert Dezember 2016
seit Comparis nur gesponserte Angebote zurückgegeben hat und die ganze Liste nur durch weiteres Suchen und Klicken anzeigte, ist es für mich gestorben. Lustig auch, dass sich einzelne Mitarbeiter (z.B. Felix Schneuwly) als "Experten" im Gesundheitswesen angesehen und interviewt werden. Und dann Tipps geben, was das Gesundheitssystem besser machen soll. Man muss nicht alles verstehen 🤷‍♂️
431
Melden
Zum Kommentar
avatar
Eraganos
12.07.2024 12:53registriert September 2019
Unabhängiger Vergleichsdienst?
Broker behaupten dies gerne von sich uns geben dann Angebote von Versicherungen und Hypotheken nicht an Ihre Kunden weiter, weil sie von anderen eine höhere Provision kassieren.

Somit erhält der Kunde ein schlechteres angebot.
373
Melden
Zum Kommentar
24
    Schweizer Wissenschaftsstars rebellieren mit Petition gegen SRF-Sparplan
    Namhafte Schweizer Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben eine Petition lanciert im Protest gegen die geplanten Einsparungen im Bereich des Wissenschaftsjournalismus bei SRF – und berufen sich dabei auf die Verfassung.

    In Zeiten grassierender Falschinformationen müsse Wissenschaftsjournalismus gestärkt und nicht geschwächt werden, heisst es in der Petition, die bis dato von 934 «besorgten Wisenschaftler:innen von Schweizer Hochschulen» unterschrieben wurde. Darunter namhafte Personen wie Prof. Dr. Reto Knutti und Prof. Dr. Tanja Stadler von der ETH Zürich sowie Prof. Dr. Matthias Egger von der Universität Bern.

    Zur Story