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Ein kleiner Teil von Altenrhein liegt am Bodensee. Dort herrscht Idylle. Der Rest der Ostschweizer Gemeinde ist eher schmucklos. Industrie beherrscht den Ort.
Doch es gibt einen Flughafen. Oder besser gesagt einen Flugplatz. Wegweiser mit der Aufschrift «Flugplatz Altenrhein» lotsen zum Airport. Um diesen besser bekannt zu machen, haben sich die Verantwortlichen folgendes einfallen lassen. Die Fluggesellschaft, die von Altenrhein nach Kroatien, Griechenland oder Italien fliegt, bietet Tickets für die Route nach Wien an, bei denen der Passagier den Preis bestimmt.
Und tatsächlich. Kurz nach 13.30 Uhr tröpfeln mehr und mehr Leute in die zuvor leere Schalterhalle. Eine ganze Gruppe gibt Gepäck am Check-In-Schalter auf. Alle haben im Voraus gebucht. Es geht rasch, die Wege sind kurz. Da bleibt sogar noch Zeit für ein Bierchen in der Bye Bye Bar.
Ein Mann, der seine Mütze tief in die Stirn gezogen trägt, steht jetzt am Schalter. Was er sagt, ist schwer zu verstehen. «Noch Tickets nach Wien?», ist irgendwann hörbar. «Ja, wir haben noch Plätze frei», antwortet die Frau hinter dem Schalter freundlich und lächelt. Sofort zückt der Mützenträger sein Portemonnaie und steckt ihr Bargeld entgegen. Wie viel, ist nicht erkennbar. Er möchte es auch nicht preisgeben, als er sein Ticket in den Händen hält. Das gehe niemanden etwas an.
Ein junger, gut gekleideter Brillenträger – auch er spricht leise am Schalter – ist wenig später ebenfalls Besitzer eines Wien-Tickets. «Klar profitiere ich vom Angebot, wie viel ich bezahlt habe, ist Privatsache.» Draussen schüttet es wie aus Kübeln, die Maschine aus Wien landet. Eine Frau in fortgeschrittenem Alter hat für ihren Flug soeben 50 Franken hingeblättert. Fotografieren lässt sie sich nicht. Sie schätze das Angebot, sagt sie. Mit ihrem Einkommen lägen Kurztrips per Flugzeug eigentlich nicht drin.
In der Schalterhalle könnte man schlicht eine soziale Studie durchführen: Es erstaunt, dass die Schnäppchenjäger sich so verschlossen geben. Es scheint, als ob sie sich für ihr Tun schämen.
Das Angebot gibt es seit etwas mehr als zwei Wochen. Es gilt ausschliesslich für die Nachmittagsflüge Altenrhein – Wien und umgekehrt. Und nur unter der Woche, nicht samstags und sonntags. Die Airline fliegt viermal täglich aus der Ostschweizer Provinz in die österreichische Metropole und zurück. Die beiden Nachmittagsflüge waren bisher unterdurchschnittlich ausgelastet. Deshalb die Aktion.
Gemäss People's-Viennaline-Sprecher Thomas Mary stellen sich täglich zwischen 5 und 30 Personen, die den Preis selber wählen, an den Schalter.
Das müssen sie auch. Wer billig fliegen will, kann nicht im Voraus buchen. Solche Tickets können nur vor Ort und frühestens eine Stunde vor Abflug gekauft werden. Ob es dann noch Platz hat, ist unsicher. Nur die Anzahl Sitze, die nicht über den normalen Weg an den Mann gebracht werden konnten, werden für das Spezial-Angebot freigegeben. Und für diese gilt: First come, first serve.
Erst im Flugzeug vom Angebot erfahren hat eine Studentin aus Wien, die jetzt in Altenhein auf den Bus nach St.Gallen wartet. Sie diskutiert mit einem Pärchen, welches sie auf dem Weg in die Schweiz kennengelernt hat. Leicht genervt meint sie: «Hätte ich davon gewusst, hätte ich sicher nicht weit über 100 Euro bezahlt.» Zum Glück habe sie noch keinen Rückflug gebucht. Fast drohend fügt sie an: «Zurück fliege ich für einen Euro. Die sind selber schuld, wenn sie so etwas anbieten.»
Ob es Personen gibt, die tatsächlich für bloss einen Franken fliegen, will Mary nicht sagen. Er möchte nicht, dass sich die Passagiere an einem Richtpreis orientieren. «Die Leute sollen sich Gedanken machen über den Wert eines Fluges, das ist uns wichtig.» Was nichts koste, sei nichts wert, so Mary weiter. Für einen Studenten liege ein «fairer» Preis wahrscheinlich tiefer als für einen gut verdienenden Manager. «Zehn Prozent des selbstbestimmten Preises gehen übrigens an das Kinderdorf Pestalozzi in Trogen», fügt er an.
Ob die Botschaft bei den Passagieren ankommt, bleibt fraglich. «Warum seid ihr hier und wie viel habt ihr bezahlt?», fragt die Studentin das Paar im Bus. Er guckt seine Partnerin kurz an, bevor er antwortet. «Ehrlich gesagt, sind wir geflogen, um des Fliegens Willen; bei diesen Preisen kann man das schon mal machen». Eine Nacht würden sie in St.Gallen verbringen, bevor es wieder zurück nach Wien geht. Zum Spezialpreis – den auch sie nicht verraten wollen – selbstverständlich.
Das Variabel-Preis-Angebot gilt noch bis Ende Oktober. Wie es danach weitergeht, ist offen.