Die erste Explosion einer Atombombe am 16. Juli 1945 war ein Test. Zahlreiche weitere folgten – bis 2016 waren es über 2000, mehr als die Hälfte davon amerikanische. Die USA führten nur bis 1992 Atomtests durch; seither waren alle Tests subkritisch, das heisst, es wurde keine Energie aus Kernreaktionen freigesetzt.
Diese Zurückhaltung gab es zu Beginn nicht: Bis zum Atomteststoppvertrag (LTBT) von 1963, der Tests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser verbot, brachten die Atommächte so viele oberirdische nukleare Sprengsätze zur Detonation, dass die Radioaktivität in der Atmosphäre fast auf das Doppelte des natürlichen Levels stieg. Die amerikanischen Tests – von 1945 bis 1962 waren es 210 – trugen den Löwenanteil des radioaktiven Fallouts dazu bei.
Das Pentagon filmte jede der spektakulären Testexplosionen, jede mit mehreren Kameras. Die daraus entstandene Sammlung von geschätzt 10'000 Filmen verstaubte jahrelang in den Archiven – das Material war als streng geheim eingestuft.
Bis jetzt. Seit kurzem ist ein Teil des Materials frei zugänglich; einige der Filme sind sogar bequem auf Youtube zu sehen. Wissenschaftler des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien haben 6500 der Filme aufgespürt und 4200 gescannt. 750 Filme wurden freigegeben; das LNLL hat eine Youtube-Playlist veröffentlicht.
Das Projekt läuft bereits seit fünf Jahren. Es ist höchste Zeit: Der Zahn der Zeit nagt unerbittlich an dem Material. «Man riecht Essig, wenn man die Metalldosen [in denen die Filme lagern, d. Red.] öffnet. Das ist ein Nebenprodukt des Zerfallsprozesses dieser Filme», sagt der Physiker Greg Spriggs vom LNLL.
«Wir wissen, dass diese Filme kurz vor dem Verfall stehen, so sehr sogar, dass sie unbrauchbar werden. Die Daten, die wir jetzt sammeln, müssen in digitaler Form gespeichert werden, denn diese Filme werden zerfallen, egal wie man sie behandelt und aufbewahrt. Sie sind aus organischem Material, und organisches Material zerfällt. So ist das.»
Spriggs hofft, dass die Filme auf Youtube eine abschreckende Wirkung entfalten und so dazu beitragen, dass Atomwaffen nie mehr eingesetzt werden. «Es ist wirklich unglaublich, wie viel Energie dabei freikommt», sagt er. «Wir hoffen, dass wir nie mehr eine Atomwaffe einsetzen müssen.» Wenn die Menschen sich bewusst würden, welche ungeheure Vernichtungskraft in diesen Waffen steckt, würden sie vielleicht weniger bereit sein, sie einzusetzen, glaubt Spriggs.
Bevor die restlichen Filme digitalisiert und analysiert sind, dürften vermutlich noch zwei Jahre vergehen. Spriggs und sein Team werden während der Dauer des Projekts fortlaufend weitere Filme freigeben.
(dhr)