Eine neue Studie unter Leitung des Leibnitz-Instituts für Primatenforschung in Göttingen zeigt, dass die Variante Pirola (BA.2.86) Lungenzellen wieder stärker angreift. Ähnlich wie dies Alpha, Beta, Gamma und Delta zu Beginn der Pandemie taten. Auch vier Jahre nach Ausbruch von Sars-CoV-2 in China kann sich das Virus somit noch massiv verändern und ungünstige Eigenschaften zurückgewinnen.
Bereits nach dem Auftauchen von Pirola im vergangenen Spätsommer war den Virenanalysten klar, dass sich diese Variante genetisch stark von den vorherigen Omikron-Varianten unterscheidet. Das Spike-Protein der Pirola-Variante trägt mehr als 30 Mutationen im Vergleich zur Vorgänger-Variante BA.2. Pirola hatte sich nicht an den gradlinigen Evolutionsverlauf seiner Omikron-Vorgänger gehalten. Denn vor Pirola war Omikron zwar ansteckender geworden, dafür löste diese Variante kaum mehr schwere Erkrankungen in der immunisierten Bevölkerung aus.
Die Omikron-Varianten hatten die Fähigkeit verloren, ein Schlüsselenzym der Wirtszelle namens TMPRSS2 für den Einritt in Lungenzellen effizient zu nutzen. Daher löste die Omikron-Variante weniger häufig eine Lungenentzündung aus. Nun zeigt die Untersuchung der biologischen Eigenschaften der Pirola-Variante durch die deutschen Forscher, dass die Pirola-Variante im Gegensatz zu allen vorher zirkulierenden Omikron-Untervarianten hocheffizient in Lungenzellen eindringen kann und dafür TMPRSS2 verwendet. Ausserdem konnten sie zeigen, dass die Mutationen S50L und K356T im Spike-Protein der Pirola-Variante für den hocheffizienten Eintritt in Lungenzellen wichtig sind.
Das schreckt erst einmal auf, weil das verbesserte Eindringen in Lungenzellen auf ein aggressiveres Virus hindeuten könnte. Allerdings schreiben die deutschen Forscher, war die Bildung neuer, infektiöser Viren durch infizierte Zellen reduziert, was die Ausbreitung und das krankmachende Potenzial von Pirola vermindern könnte.
In der Schweiz dominiert zur Zeit eine Untervariante von Pirola, die auch weltweit auf dem Vormarsch ist. Diese Variante JN.1 unterscheidet sich im Spike-Protein von BA.2.86 in einer Position namens L455S. «Neun von zehn BA.2.86 Viren sind JN.1», sagt der Virenanalyst Richard Neher von der Universität Basel. Diese eine Mutation führt dazu, dass sich JN.1 deutlich schneller ausbreitet als BA.2.86.
Vermutlich gilt die Studienerkenntnis eines effizienteren Angriffs der Lungenzellen auch für die Untervariante JN.1. «Die grosse JN.1-Welle scheint allerdings nun vorbei, sodass uns dieser Befund keine allzu grossen Sorgen machen muss», sagt auch Neher. Und der Infektionsbiologe Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum sagt, ob Pirola und seine Untervariante nach einer Infektion wieder stärker krank machen, müssten zuerst Studien in Tierversuchen zeigen.
Zwar sei die Pirola-Variante gegen alle therapeutischen Antikörper resistent, so wie alle neuen Varianten. Aber die Studienergebnisse zeigten, «dass der neue an XBB.1.5 adaptierte Impfstoff einen robusten, wenn auch wahrscheinlich nur temporären Schutz gegen die Infektion mit der Pirola-Variante aufbauen kann», erklärt Studienautor Markus Hofmann dem «Deutschen Gesundheitsportal». Eine Nachfrage beim Universitätsspital Zürich zeigt, dass dort seit Monaten nicht beobachtet wurde, dass es wegen der Pirola-Variante wieder mehr Lungenentzündungen gab. (aargauerzeitung.ch)