Wissenschaftler haben einen Bluttest entwickelt, der womöglich einen medizinischen Durchbruch bei der Diagnose und Behandlung von Covid-19 darstellt. Der Test soll erstmals zuverlässig vorhersagen, welche mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten eine schwere Form der dadurch verursachten Erkrankung Covid-19 erleiden werden. Die Forscher um Gerry McElvaney von der Universität für Medizin und Gesundheitswissenschaften RCSI in Dublin haben ihre Studie im Fachmagazin EBioMedicine von «The Lancet» veröffentlicht.
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McElvaney und sein Team, die den Test mit Wissenschaftlern der Universität Harvard entwickelten, nennen ihn «Dublin-Boston-Score». Das Verfahren misst den Spiegel der Moleküle Interleukin-6 (IL-6) und Interleukin-10 (IL-10) im Blut. Interleukine zählen zu den Zytokinen und sind Peptidhormone, die als körpereigene Botenstoffe der Zellen des Immunsystems dienen. Die verschiedenen Interleukine regen spezifisch bestimmte Zellen des Immunsystems zu Wachstum, Reifung und Teilung an oder verhindern genau diese Prozesse.
IL-6 und IL-10 kontrollieren Entzündungsreaktionen, wobei IL-6 diese fördert und IL-10 sie hemmt. Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf weisen erhöhte Werte für beide Interleukine auf. Der Dublin-Boston-Score misst das Verhältnis zwischen diesen beiden Werten, weil es deutlich bessere Resultate liefert als die Messung des IL-6-Werts allein. Dieser variiert im Verlauf eines Tages stark; zudem weisen verschiedene Patienten unterschiedliche IL-6-Spiegel auf.
Anhand der Ratio zwischen IL-6 und IL-10 haben die Wissenschaftler eine Art Punkt-System entwickelt, das Voraussagen über den künftigen Verlauf der Krankheit ermöglicht. Ein zusätzlicher Punkt in dieser Skala entspricht einer um 5,6 Mal erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf.
Bei der Anwendung des Tests müssen die Ärzte während der ersten vier Tage das Blut des Patienten täglich untersuchen. Dann ergibt die Auswertung eine zuverlässige Prognose, wie schwer die Erkrankung am siebten Tag sein wird. «Der Dublin-Boston-Score ist leicht zu berechnen und kann bei allen hospitalisierten Covid-19-Patienten angewendet werden», sagte McElvaney.
Laut einer Mitteilung der RCSI gab es bis zum Dublin-Boston-Score keine Covid-19-spezifischen prognostischen Tests, mit denen das Gesundheitspersonal die klinische Entscheidungsfindung unterstützen konnte. Je zuverlässiger die Prognose im Anfangsstadium ist, desto besser kann bestimmt werden, wann welche Pflege notwendig ist. Dies ist in Zeiten einer Pandemie besonders wichtig, wenn Ressourcen möglichst effizient verteilt werden müssen.
(dhr)