Ob Sprache eine spezifisch menschliche Eigenschaft ist oder ob die Kommunikation unter Tieren ebenfalls als Sprache bezeichnet werden kann, ist umstritten. Auf jeden Fall aber fördert die Forschung immer mehr Beispiele für zum Teil verblüffende Kommunikationsfähigkeiten im Tierreich zutage – etwa bei Pottwalen. Auch Elefanten verfügen über erstaunliche kognitive Fähigkeiten. Bekannt ist etwa, dass sie um verstorbene Artgenossen trauern und über Laute und Gesten kommunizieren. Eine neuere Studie hat zudem Hinweise dafür gefunden, dass sie sich sogar mit individuellen Namen rufen.
Eine aktuelle Forschungsarbeit hat nun ergeben, dass auch Elefantenbullen über ein tieffrequentes Grummeln miteinander kommunizieren und ihre Aktionen so koordinieren. Bisher war das nur von den Weibchen bekannt, die in den matriarchal organisierten Elefantenherden das Sagen haben. Sind die Bullen aber unter sich, müssen sie sich selbst koordinieren. Und dann grummeln auch sie miteinander.
«Grrrrrrrrrrrrrr Grrrrrrrr»: Menschen hören einfach ein tiefes langgezogenes Grollen, männliche Elefanten aber verstehen in etwa Folgendes: «Hey Jungs, lasst uns weiterziehen!» Diese Losgeh-Rufe konnte ein Forschungsteam aus den USA in den vergangenen Jahren im Etosha-Nationalpark in Namibia an einem Wasserloch dokumentieren.
Wie die Forschenden im Fachblatt «PeerJ» weiter schreiben, bleibt es in den Gruppen nicht bei einem Ruf. Mehrere andere Bullen der Gruppe antworten mit ähnlichem, extrem niederfrequentem Grollen. Dabei warten sie jeweils, bis der Vorgänger fast fertig ist mit seiner Sequenz. Das Ganze läuft der Studie zufolge sehr ritualisiert ab. Schliesslich ziehen sie zusammen los und verlassen das Wasserloch.
«Wir waren erstaunt, dass männliche Elefanten, die in der Regel nur lose soziale Bindungen eingehen, ihre Stimmen so ausgeklügelt koordinieren, um sich in Bewegung zu setzen», erklärt Erstautorin Caitlin O’Connell-Rodwell, die unter anderem an der Stanford University und der Harvard Medical School forscht. Die Kommunikation der Bullen sei komplexer als bisher angenommen, erklärte die Wissenschaftlerin.
Diese Studie schliesse an die eingangs erwähnte Studie an, in der gezeigt wurde, dass wilde Elefanten sich gegenseitig eindeutige Namen geben. Dies weise auf die Verwendung von Substantiven in ihrer Kommunikation hin. «In unserer Arbeit zeigen wir, dass Elefanten Verben in Form von ‹Los geht's› verwenden. Wenn sie Substantiv-Verben-Kombinationen zusammen verwenden, ist das Syntax. Das ist Sprache», sagt O'Connell-Rodwell.
O’Connell-Rodwell, die seit 30 Jahren Elefanten in der Wildnis erforscht, zeichnete dieses Losgeh-Grollen erstmals im Jahr 2004 auf. Zwischen 2005 und 2017 wurden weitere Aufnahmen am Mushara-Wasserloch gesammelt – darunter waren nicht nur für Menschen hörbare Töne, sondern auch sehr tiefe im Infraschallbereich.
Die Forschenden denken, dass die männlichen Elefanten diese Art der Verständigung von älteren weiblichen Elefanten lernen. «Sie sind in einer Familie aufgewachsen, in der alle Anführerinnen dieses Ritual nutzen», meint O'Connell-Rodwell. «Wir glauben, dass sie, wenn sie erwachsen werden und ihre eigenen Gruppen bilden, sich anpassen und diese erlernten Verhaltensweisen nutzen, um sich mit anderen Männchen zu koordinieren.»
Den ersten Losgeh-Ruf stosse der sozialste Bulle aus, der teilweise auch der dominante Bulle der Gruppe sei. Diese Tiere spielten eine wichtige Rolle in der Gruppe, weil sie den Zusammenhalt und die Stabilität förderten. Sie seien oft eine Art Mentor für jüngere Bullen, sagt O'Connell-Rodwell. «Die älteren Männer sind bereit, sie unter ihre Fittiche zu nehmen, sie anzuleiten, Ressourcen mit ihnen zu teilen und an ihren emotionalen Höhen und Tiefen teilzuhaben.» (dhr/sda/dpa)