In 18 Jahren brachte Maria Theresia 16 Kinder zur Welt. Dabei hatte sie nach 10 genug:
Ihr Erbe war mit so vielen Nachkommen mehr als gesichert. Ihre Kinder konnte sie nach Frankreich, Spanien und Italien verheiraten, so wie es die Redewendung «Felix Austria» besagte: «Mögen andere Länder Kriege führen, Du glückliches Österreich, heirate». Maria Theresias ganzes Streben galt diesem einen Ziel: dem Erhalt der Habsburger-Dynastie. Dafür tat sie alles – sie verheiratete ihre Töchter mit pockennarbigen Wüstlingen und Grobianen und kontrollierte selbst ihre Söhne im Erwachsenenalter aufs Genaueste:
Ihren jüngsten Sohn Maximilian ereilten die folgende Zeilen:
Maria Theresia war in erster Linie Regentin, weshalb sie ihre Kinder stets im Hinblick auf ihre politische Rolle betrachtete.
Sie selbst hatte niemanden, der sie auf ihre Herrschaft vorbereitet hatte. Nicht einmal ihr Vater, Kaiser Karl VI., der doch so hart für den Erlass der «Pragmatischen Sanktion» (1713) gekämpft hatte. Das Papier regelte erstmals die Erbfolge der habsburgerischen Länder: Das riesige Reich soll ungeteilt an seinen Nachfolger gehen – und wenn da keine männlichen Erben sind, so wird es der weiblichen Linie vermacht.
1740 waren keine männlichen Erben da. Nur die 23-jährige Maria Theresia, die nun auf einen Schlag das gebeutelte Land regieren sollte:
Kaum lag der Kaiser unter der Erde, begannen die europäischen Mächte an den losen Fäden des habsburgerischen Flickenteppichs zu ziehen, das in den unerfahrenen Händen der österreichischen Erzherzogin lag.
Friedrich von Preussen marschierte in Schlesien ein, während der bayrische Kurfürst Karl I. Prag eroberte, sich zum böhmischen König machte und kurz darauf als Karl VII. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gewählt wurde.
Sogar in Wien schlug die Stimmung um. Niemand glaubte mehr an die junge Regentin und sie selbst war wütend, weil sie als Frau nicht ins Feld ziehen konnte gegen all die Männer, die sich an ihrem Erbe vergriffen. Also nutzte sie ihre weiblichen Vorteile: Sie zeigte sich dem Volk, schön und jung wie sie war, mit ihren unglücklichen Augen. Sie verbilligte Brot, Wein und Fleisch – und gewann damit die Herzen der Bevölkerung.
Nach drei Töchtern gebar sie 1741 einen Jungen. Joseph, den sie nun auf den Arm hob und mit ihm vor dem Reichstag erschien. Unter Tränen beschwor sie die Ungaren – deren Königin sie war – ihr zu helfen. Sie schickten ihr 20'000 Soldaten.
Maria Theresias Feldherren holten die verlorenen Erbländer zurück – bis auf Schlesien. Dieses Gebiet sollte sie für immer an Friedrich den Grossen verlieren. An diesen grössten Herrscher des 18. Jahrhunderts, der Preussen zur fünften europäischen Grossmacht neben Frankreich, Grossbritannien, Österreich und Russland machte. Für Maria Theresia aber war er er ein Monster, ein «elendiger König».
Ihr ganzer Hass galt ihm. Und er wurde noch stärker, als ihr Sohn und späterer Mitregent Joseph ihn offen für seine aufklärerischen Ideen zu bewundern begann. Friedrich hingegen hegte stets eine Art Respekt für seine Gegenspielerin:
Mit derselben Leidenschaft wie sie den Preussen verachtete, liebte sie ihren Mann. Den mittellosen, aber charmanten Franz Stephan von Lothringen. Maria Theresia wurde das gewährt, was sie ihren Kindern bis auf eine Ausnahme verwehrte: Eine echte Liebesheirat.
Er kam mit 15 an den Wiener Hof und Karl VI. zog ihn auf wie einen Sohn. Vom ersten Moment an mochte er den kleinen Prinzen:
Maria Theresia war damals erst sieben Jahre alt. Doch bald schon verliebte sie sich in den ausländischen Prinzen. Aus politischer Sicht war die Verbindung ohne Nutzen. Aber die beiden verstanden es, für ihre Liebe zu kämpfen. «Mäusl» (so nannte Maria Theresia ihren Liebsten in ihren glühenden Liebesbriefen) und die «durchlauchtigste Erzherzogin» (der etwas weniger feurige Titel, den ihr Franz Stephan gab) heirateten am 12. Februar 1736.
Neun Jahre später wurde Franz Stephan zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Endlich war doch noch gelungen, was Maria Theresia anstrebte: Der bayerische Kaiser Karl VII. war nach nur drei Jahren auf dem Thron an Gicht verstorben – der Kaisertitel war wieder da, wo er hingehörte: zum Hause Habsburg.
Franz Stephan aber interessierte sich nicht für Politik. So heimste er sich den Ruf eines faulen Sacks ein. Doch dieser gewiefte Mann, der genug Selbstvertrauen besass, um seiner Frau die ihr zustehende politische Bühne zu überlassen, tat dafür etwas anderes: Heimlich gründete er das Wirtschaftsministerium Habsburg-Lothringen und rettete damit die Staatsfinanzen über Generationen. Er kaufte heruntergekommene Güter und motzte sie auf, er betätigte sich in der Landwirtschaft, die er nach den neusten Methoden modernisierte. Er züchtete höchst erfolgreich Enten für den jagdverrückten Adel, gründete Tuchmanufakturen und belieferte das österreichische Heer mit Waffen.
Allein die 16 Kinder, die das Paar hatte, zeugen davon, dass Maria Theresia und Franz Stephan eine sehr intakte Ehe geführt haben. Und dann sind da noch die Briefe, die Maria Theresia dem «besten Ehemann der Welt» schrieb. Einmal gewährte sie ihm sogar, in den Krieg zu ziehen, obwohl es ihr schier das Herz zerriss:
Franz Stephan seinerseits schrieb eigenhändig eine Abhandlung über die Ehe:
Die völlige Harmonie war allein deshalb nicht möglich, weil Franz Stephan nicht treu und Maria Theresia sehr eifersüchtig war. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, «den Wankelmütigen mit gleicher Glut bis an seinen Tod zu lieben».
Während Franz Stephan also sein Wirtschaftsimperium aufbaute, schlug sich Maria Theresia mit Friedrich dem Grossen rum und versuchte ihr Reich zu modernisieren: Sie zentralisierte die Verwaltung und führte die allgemeine Schulpflicht ein. Allerdings war diese standesgemäss angepasst und diente mehr dazu, funktionierende Beamte als aufgeklärte Bürger zu schaffen. Sie blieb der absolutistischen Tradition verhaftet, aufklärerische Schriften empfand sie als «ekelhaft».
Maria Theresia war eine ganz und gar barocke Erscheinung. Sie lebte die prunkvoll inszenierte Frömmigkeit und hielt nichts von religiöser Toleranz. Die finanzkräftigen Juden in Wien brauchte sie im Dienst des Staates, doch sollten sie alle den Status eines tolerierten Juden erlangen. Darunter stellte man sich eine Assimilierung vor, an deren Ende der Übertritt zum Katholizismus stehen sollte.
200'000 Prager Juden liess sie unter dem Vorwand ausweisen, sie hätten für Preussen spioniert. Als dann aber sogar Klagen aus Holland und England laut wurden, liess sie ein paar von ihnen zurückkehren. Allerdings nur die Reichen – gegen Zahlung einer Toleranzgebühr.
Auch den «Verstockten» ging es nicht besser. So nannte Maria Theresia die Protestanten, deren Bücher sie verbrannte und die sie zu Tausenden nach Siebenbürgen deportieren liess.
Diese Einstellung brachte ihr dann auch immer wieder Scherereien mit ihrem Sohn ein, der 1764 – noch zu Lebzeiten seines Vaters – zum Kaiser gekrönt wurde. Joseph dachte fortschrittlich, wie sich das für einen jungen Menschen gehörte. Offen bewunderte er Friedrich den Grossen für seine humanistische Denkweise. Der Erzfeind Maria Theresias verfasste 1740 den «Anti-Machiavel», der von Voltaire herausgegeben worden war.
Das musste die Mutter wahnsinnig machen. Sie kam mit dem Generationenkonflikt nicht klar und ganz generell war es sich die Herrscherin nicht gewohnt, dass sich jemand in ihre Politik einmischte.
Maria Theresia war eine strenge Mutter.Ihre Liebe für die Kinder hing von deren Folgsamkeit ab. Diese wiederum war der Tatsache geschuldet, dass sie sie so gut als möglich auf die künftige Rolle vorbereiten wollte – ihre ganze Erziehung war durchzogen von diesem genealogischen Herrschaftsgedanken.
Für jedes ihrer Kinder schrieb sie individuelle Anweisungen für die Erzieher, auf dass ihre Talente gestärkt und ihre Schwächen ausgemerzt werden.
Die Mädchen wurden zu gottesfürchtigen und fügsamen Gattinnen erzogen. Unerschütterlich sollte der Glaube an ein gottgewolltes Leben sein, das man demütig hinzunehmen und zu erdulden habe:
Obwohl Maria Theresia der lebende Gegenbeweis war, liess sie ihre Töchter zu gefügigen Frauen erziehen. Denn im Unterschied zu ihr selbst waren sie keine Monarchinnen, die ihren Titel geerbt hatten. Sie wurden zu Ehefrauen von Königen – weshalb sie sie in keiner Weise berechtigt sah, sich in die Regierungsgeschäfte ihrer Männer einzumischen.
Der Regentin selbst war eine Liebesheirat vergönnt. Ihre Töchter – mit Ausnahme ihrer Lieblingstochter Mimi (Marie Christine) – aber verheiratete sie mit Männern, die diese nicht liebten.
Maria Karolina wurde mit 16 Jahren nach Neapel geschickt, um die Gattin Ferdinands von Neapel-Sizilien zu werden. An der Hochzeit ihrer jüngeren Schwester Marie Antoinette sagte sie ihrer Erzieherin:
Maria Theresias Demuts-Lehre hatte gefruchtet.
Der Höhepunkt ihrer Heiratspolitik war die Vermählung von Marie Antoinette mit dem französischen Dauphin, dem späteren Ludwig XVI. Doch leider verhielt sich das 14-jährige Mädchen so gar nicht nach dem Wunsch ihrer Mutter. Ihre Berichterstatter am Hof informierten sie über das unfromme Treiben Marie Antoinettes, die gerne Feste feierte und bald nicht mehr das Bett ihres Angetrauten teilte.
Mütterliche Zorn-Briefe waren die Quittung, auf die das Mädchen stets unendlich demutsvoll und entschuldigend antwortete – aber ohne danach zu handeln. Als sie nach sieben Jahren an der Seite Ludwigs XVI. noch immer nicht schwanger war, schickte Maria Theresia ihren Sohn Joseph an den französischen Hof.
Denn eine Königin, die keinen Thronerben zur Welt brachte, lebte unsicher. Der Bruder sollte Abhilfe schaffen. Und tatsächlich kam heraus, dass die fehlende Nachkommenschaft der Tatsache geschuldet war, dass die beiden erstens vollends unaufgeklärt waren – und Ludwig XVI. zudem asexuelle Züge hatte.
So schrieb Joseph einen ganz und gar unbeschönigten Brief an seinen Bruder Leopold:
Nach acht erfolglosen Jahren konnte Maria Theresia endlich aufatmen. Ihre Tochter war schwanger. Dass die Französische Revolution Marie Antoinette den Kopf kostete, erlebte sie glücklicherweise nicht mehr.
Franz Stephan starb 1765 an einem Schlaganfall. Von da an wurde Maria Theresia nicht mehr froh. Sie kleidete ihre Gemächer mit grauer Seide ein und verschenkte ihre ganzen prunkvollen Kleider. Allein wegen ihrer Kinder müsse sie noch «im Getümmel der Welt» bleiben, das ihr schier unerträglich scheine, schrieb die 48-jährige Regentin einer Freundin.
Maria Theresia hatte ihren besten Freund verloren. Und mit ihm starb auch ihre Lebenslust. Die Fröhlichkeit am Wiener Hof, die zu Lebzeiten Franz Stephans die Säle erfüllte, war ausgezogen. Die Musik war verstummt und die Tanzschritte verhallt.
Sie wurde immer dicker und verlor dabei ihre ganze Robustheit und Sportlichkeit. Sie setzte sich nicht mehr ans offene Fenster, so dass der Wind ihr den Schnee aufs Papier warf. Sie sprang auch nicht mehr auf ihr Pferd und galoppierte wie eine Verrückte durch die Felder. Stattdessen liess sie in ihren Schlössern Treppenlifte bauen.
Maria Theresia litt unter Wassersucht, einer krankhaften Ansammlung von Wasser im Gewebe, ausgelöst durch Herzinsuffizienz. Am 29. November 1780, um 9 Uhr abends, stand sie noch einmal von ihrem Sessel auf und brach dann tot zusammen.
Ihre Lungen seien zu Steinen geworden, notierte ihre Tochter Maria Anna nach der Öffnung des Leichnams. Damit konnte selbst die unzimperlichste Monarchin nicht mehr atmen.