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Frauen der Geschichte

Maria Theresia: Kontrollsüchtige Mutter und schlaue Regentin

Maria Theresia 1776 als Witwe im Kreise einiger ihrer Kinder.
Maria Theresia 1776 als Witwe im Kreise einiger ihrer Kinder.bild: freimaurer-wiki
Frauen der Geschichte

Gebär du mal 16 Kinder wie Maria Theresia und verteidige gleichzeitig dein Reich

Willkommen zu einem weiteren Teil der Serie «Frauen der Geschichte». Heute reisen wir ins 18. Jahrhundert zu Maria Theresia, der Erbin des Habsburgerreichs, die niemand ernst nahm – bis sie alle vom Gegenteil überzeugte.
13.04.2017, 19:5817.04.2017, 16:54
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In 18 Jahren brachte Maria Theresia 16 Kinder zur Welt. Dabei hatte sie nach 10 genug:

«Ich fürchte, ich werde noch mehr Kinder bekommen. Wenn der liebe Gott mir die bewahrt, die ich habe, würde ich recht zufrieden sein, wenn es bei zehn Kindern bliebe.»
Maria Theresia

Ihr Erbe war mit so vielen Nachkommen mehr als gesichert. Ihre Kinder konnte sie nach Frankreich, Spanien und Italien verheiraten, so wie es die Redewendung «Felix Austria» besagte: «Mögen andere Länder Kriege führen, Du glückliches Österreich, heirate». Maria Theresias ganzes Streben galt diesem einen Ziel: dem Erhalt der Habsburger-Dynastie. Dafür tat sie alles – sie verheiratete ihre Töchter mit pockennarbigen Wüstlingen und Grobianen und kontrollierte selbst ihre Söhne im Erwachsenenalter aufs Genaueste:

«Ich beobachte Euch aus der Nähe und sehe Schlendrian und Verweichlichung.»
Maria Theresia in einem Brief an ihren Sohn Ferdinand
Maria Theresia und Franz Stephan hatten 16 Kinder. 6 davon starben noch zu Lebzeiten der Mutter. Gemälde von Martin van Meytens, 1764. bild: wikipedia

Ihren jüngsten Sohn Maximilian ereilten die folgende Zeilen:

«Mit Eurer Körperhaltung bin ich nicht zufrieden und finde sogar die alte Angewohnheit, sich etwas schief zu halten, eher noch schlimmer geworden, auch nehmt Ihr alles so nah an die Augen, dass man meinen könnte, Ihr wäret kurzsichtig. Nehmt Euch also darin mehr zusammen. Ich habe beobachten müssen, dass Ihr oft die Hände im Gesicht oder am Mund haltet, um Euch zu kratzen oder an den Nägeln zu kauen, lasst das gefälligst, es sieht ganz übel aus und macht Euch lächerlich.»
Maria Theresia in einem Brief an ihren Sohn Maximilian

Maria Theresia war in erster Linie Regentin, weshalb sie ihre Kinder stets im Hinblick auf ihre politische Rolle betrachtete.

Maria Theresias Kampf um die Herrschaft

Sie selbst hatte niemanden, der sie auf ihre Herrschaft vorbereitet hatte. Nicht einmal ihr Vater, Kaiser Karl VI., der doch so hart für den Erlass der «Pragmatischen Sanktion» (1713) gekämpft hatte. Das Papier regelte erstmals die Erbfolge der habsburgerischen Länder: Das riesige Reich soll ungeteilt an seinen Nachfolger gehen – und wenn da keine männlichen Erben sind, so wird es der weiblichen Linie vermacht.

Der spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) um das Erbe des letzten spanischen Habsburgers, König Karl II. von Spanien, konnte der französische König Philipp V. für sich entscheiden. Damit wurde die franz ...
Der spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) um das Erbe des letzten spanischen Habsburgers, König Karl II. von Spanien, konnte der französische König Philipp V. für sich entscheiden. Damit wurde die französische Dynastie der Bourbonen in Spanien begründet. Die «Pragmatische Sanktion» sollte künftige Erbfolgekriege verhindern, die Nachfolge sollte strikt geregelt – und das Habsburgerreich unteilbar – sein. karte: ifitsnothistorical

1740 waren keine männlichen Erben da. Nur die 23-jährige Maria Theresia, die nun auf einen Schlag das gebeutelte Land regieren sollte:

«In diesen Umständen fand ich mich ohne Geld, ohne Credit, ohne Armée, ohne eigene Experienz und Wissenschaft und endlich auch ohne Rath.»
Maria Theresia

Kaum lag der Kaiser unter der Erde, begannen die europäischen Mächte an den losen Fäden des habsburgerischen Flickenteppichs zu ziehen, das in den unerfahrenen Händen der österreichischen Erzherzogin lag. 

Friedrich von Preussen marschierte in Schlesien ein, während der bayrische Kurfürst Karl I. Prag eroberte, sich zum böhmischen König machte und kurz darauf als Karl VII. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gewählt wurde.

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Sogar in Wien schlug die Stimmung um. Niemand glaubte mehr an die junge Regentin und sie selbst war wütend, weil sie als Frau nicht ins Feld ziehen konnte gegen all die Männer, die sich an ihrem Erbe vergriffen. Also nutzte sie ihre weiblichen Vorteile: Sie zeigte sich dem Volk, schön und jung wie sie war, mit ihren unglücklichen Augen. Sie verbilligte Brot, Wein und Fleisch – und gewann damit die Herzen der Bevölkerung. 

Andreas Möller um 1727: Maria Theresia im Alter von etwa 10–12 Jahren. 
Andreas Möller um 1727: Maria Theresia im Alter von etwa 10–12 Jahren. bild: wikipedia

Nach drei Töchtern gebar sie 1741 einen Jungen. Joseph, den sie nun auf den Arm hob und mit ihm vor dem Reichstag erschien. Unter Tränen beschwor sie die Ungaren – deren Königin sie war – ihr zu helfen. Sie schickten ihr 20'000 Soldaten.

Maria Theresias Feldherren holten die verlorenen Erbländer zurück – bis auf Schlesien. Dieses Gebiet sollte sie für immer an Friedrich den Grossen verlieren. An diesen grössten Herrscher des 18. Jahrhunderts, der Preussen zur fünften europäischen Grossmacht neben Frankreich, Grossbritannien, Österreich und Russland machte. Für Maria Theresia aber war er er ein Monster, ein «elendiger König».

Ihr ganzer Hass galt ihm. Und er wurde noch stärker, als ihr Sohn und späterer Mitregent Joseph ihn offen für seine aufklärerischen Ideen zu bewundern begann. Friedrich hingegen hegte stets eine Art Respekt für seine Gegenspielerin: 

«Trotz des Üblen, das sie mir zugefügt hat, muss ich zugeben, dass diese Fürstin sehr achtenswert ist durch ihre Sittenreinheit. Es gibt wenige Frauen, welche ihr in dieser Hinsicht gleichen, die meisten sind Huren ... Sie ist sehr strebsam und hat Talent auf mehr als einem Gebiet.»
Friedrich der Grosse
Friedrich der Grosse vor Schweidnitz; er eroberte die Stadt im Ersten Schlesischen Krieg 1741.bild: wikimedia

Maria Theresias grosse Liebe

Mit derselben Leidenschaft wie sie den Preussen verachtete, liebte sie ihren Mann. Den mittellosen, aber charmanten Franz Stephan von Lothringen. Maria Theresia wurde das gewährt, was sie ihren Kindern bis auf eine Ausnahme verwehrte: Eine echte Liebesheirat. 

Er kam mit 15 an den Wiener Hof und Karl VI. zog ihn auf wie einen Sohn. Vom ersten Moment an mochte er den kleinen Prinzen:

«Prinz Lothringen find hibsch, wohl gewachs, manierlich, lustig, herzig.»
Kaiser Karl VI. in seinem Tagebuch

Maria Theresia war damals erst sieben Jahre alt. Doch bald schon verliebte sie sich in den ausländischen Prinzen. Aus politischer Sicht war die Verbindung ohne Nutzen. Aber die beiden verstanden es, für ihre Liebe zu kämpfen. «Mäusl» (so nannte Maria Theresia ihren Liebsten in ihren glühenden Liebesbriefen) und die «durchlauchtigste Erzherzogin» (der etwas weniger feurige Titel, den ihr Franz Stephan gab) heirateten am 12. Februar 1736. 

Maria Theresia erbte die Titel als Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen und von Ungarn. Der Kaisertitel ging nur an Männer, weil das Heilige Römische Reich ein katholisches Wahlkaisertu ...
Maria Theresia erbte die Titel als Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen und von Ungarn. Der Kaisertitel ging nur an Männer, weil das Heilige Römische Reich ein katholisches Wahlkaisertum war.bild: zoovienna

Neun Jahre später wurde Franz Stephan zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Endlich war doch noch gelungen, was Maria Theresia anstrebte: Der bayerische Kaiser Karl VII. war nach nur drei Jahren auf dem Thron an Gicht verstorben – der Kaisertitel war wieder da, wo er hingehörte: zum Hause Habsburg.

Franz Stephan aber interessierte sich nicht für Politik. So heimste er sich den Ruf eines faulen Sacks ein. Doch dieser gewiefte Mann, der genug Selbstvertrauen besass, um seiner Frau die ihr zustehende politische Bühne zu überlassen, tat dafür etwas anderes: Heimlich gründete er das Wirtschaftsministerium Habsburg-Lothringen und rettete damit die Staatsfinanzen über Generationen. Er kaufte heruntergekommene Güter und motzte sie auf, er betätigte sich in der Landwirtschaft, die er nach den neusten Methoden modernisierte. Er züchtete höchst erfolgreich Enten für den jagdverrückten Adel, gründete Tuchmanufakturen und belieferte das österreichische Heer mit Waffen. 

Die Schaltzentrale des Imperiums von Franz Stephan I.: das Kaiserhaus in der Wallnerstrasse in Wien.
Die Schaltzentrale des Imperiums von Franz Stephan I.: das Kaiserhaus in der Wallnerstrasse in Wien.bild: viennatouristguide

Allein die 16 Kinder, die das Paar hatte, zeugen davon, dass Maria Theresia und Franz Stephan eine sehr intakte Ehe geführt haben. Und dann sind da noch die Briefe, die Maria Theresia dem «besten Ehemann der Welt» schrieb. Einmal gewährte sie ihm sogar, in den Krieg zu ziehen, obwohl es ihr schier das Herz zerriss:

«Das kostet mich freilich viel, entfernt Dich schrecklich weit von mir, aber lieber will ich mich kränken, als Dich traurig zu sehen.»
Maria Theresia in einem Brief an ihren Mann

Franz Stephan seinerseits schrieb eigenhändig eine Abhandlung über die Ehe:

«Nachsicht, Höflichkeit und Sanftmut führen zu einer harmonischen gottgefälligen Ehe. Das eigene Glück liegt im Bemühen um Gleichklang, Nachgeben in den vielfältigen Kleinigkeiten des Alltags, denn kompromisslose Durchsetzung des eigenen Willens schafft nur Unruhe und versperrt den Weg zum inneren Frieden. Auch wenn völlige Harmonie nicht möglich ist, so muss eine gemeinsame Basis gefunden werden, denn für das Glück seiner Frau zu arbeiten bedeutet für sich selbst zu arbeiten.»
Franz Stephan, «Abhandlung über die Ehe», 1765.

Die völlige Harmonie war allein deshalb nicht möglich, weil Franz Stephan nicht treu und Maria Theresia sehr eifersüchtig war. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, «den Wankelmütigen mit gleicher Glut bis an seinen Tod zu lieben». 

Die barocke Herrscherin 

Während Franz Stephan also sein Wirtschaftsimperium aufbaute, schlug sich Maria Theresia mit Friedrich dem Grossen rum und versuchte ihr Reich zu modernisieren: Sie zentralisierte die Verwaltung und führte die allgemeine Schulpflicht ein. Allerdings war diese standesgemäss angepasst und diente mehr dazu, funktionierende Beamte als aufgeklärte Bürger zu schaffen. Sie blieb der absolutistischen Tradition verhaftet, aufklärerische Schriften empfand sie als «ekelhaft». 

Von klein auf mussten Maria Theresias Kinder Theater spielen und Ballett tanzen, um ihr Auftreten und ihre Stimme zu trainieren. Im Bild: Erzherzogin Marie Antoinette und ihre Brüder Ferdinand Carl un ...
Von klein auf mussten Maria Theresias Kinder Theater spielen und Ballett tanzen, um ihr Auftreten und ihre Stimme zu trainieren. Im Bild: Erzherzogin Marie Antoinette und ihre Brüder Ferdinand Carl und Maximilian Franz.bild: marieantoinette

Maria Theresia war eine ganz und gar barocke Erscheinung. Sie lebte die prunkvoll inszenierte Frömmigkeit und hielt nichts von religiöser Toleranz. Die finanzkräftigen Juden in Wien brauchte sie im Dienst des Staates, doch sollten sie alle den Status eines tolerierten Juden erlangen. Darunter stellte man sich eine Assimilierung vor, an deren Ende der Übertritt zum Katholizismus stehen sollte. 

200'000 Prager Juden liess sie unter dem Vorwand ausweisen, sie hätten für Preussen spioniert. Als dann aber sogar Klagen aus Holland und England laut wurden, liess sie ein paar von ihnen zurückkehren. Allerdings nur die Reichen – gegen Zahlung einer Toleranzgebühr. 

Auch den «Verstockten» ging es nicht besser. So nannte Maria Theresia die Protestanten, deren Bücher sie verbrannte und die sie zu Tausenden nach Siebenbürgen deportieren liess.

Diese Einstellung brachte ihr dann auch immer wieder Scherereien mit ihrem Sohn ein, der 1764 – noch zu Lebzeiten seines Vaters – zum Kaiser gekrönt wurde. Joseph dachte fortschrittlich, wie sich das für einen jungen Menschen gehörte. Offen bewunderte er Friedrich den Grossen für seine humanistische Denkweise. Der Erzfeind Maria Theresias verfasste 1740 den «Anti-Machiavel», der von Voltaire herausgegeben worden war. 

In Josephs Toleranzpatent (1781) wurde das Glaubensmonopol der Katholischen Kirche gebrochen – Protestanten und Juden durften ihren Glauben ausüben, allerdings nur unter Duldung. Der Vorrang der Katho ...
In Josephs Toleranzpatent (1781) wurde das Glaubensmonopol der Katholischen Kirche gebrochen – Protestanten und Juden durften ihren Glauben ausüben, allerdings nur unter Duldung. Der Vorrang der Katholischen Kirche blieb bestehen. Dadurch beendete er die Gegenreformation. Im Bild: «Allegorie auf das Toleranzpatent».bild: wikimedia

Das musste die Mutter wahnsinnig machen. Sie kam mit dem Generationenkonflikt nicht klar und ganz generell war es sich die Herrscherin nicht gewohnt, dass sich jemand in ihre Politik einmischte.

«Er hat viel von seinem Vater, ist aber weder so schön noch so vollkommen.»
Maria Theresia über ihren Sohn Joseph
Die Söhne, die Kaiser werden: Joseph mit seinem Bruder Leopold in Rom, 1769. Als seine geliebte Frau Isabella von Parma nach einer Fehlgeburt verstarb, ging Joseph auf Reisen nach Italien, Polen, ...
Die Söhne, die Kaiser werden: Joseph mit seinem Bruder Leopold in Rom, 1769. Als seine geliebte Frau Isabella von Parma nach einer Fehlgeburt verstarb, ging Joseph auf Reisen nach Italien, Polen, Frankreich und Russland.bild: wikimedia

Die kontrollsüchtige Mutter

Maria Theresia war eine strenge Mutter.Ihre Liebe für die Kinder hing von deren Folgsamkeit ab. Diese wiederum war der Tatsache geschuldet, dass sie sie so gut als möglich auf die künftige Rolle vorbereiten wollte – ihre ganze Erziehung war durchzogen von diesem genealogischen Herrschaftsgedanken. 

Für jedes ihrer Kinder schrieb sie individuelle Anweisungen für die Erzieher, auf dass ihre Talente gestärkt und ihre Schwächen ausgemerzt werden.

Die Mädchen wurden zu gottesfürchtigen und fügsamen Gattinnen erzogen. Unerschütterlich sollte der Glaube an ein gottgewolltes Leben sein, das man demütig hinzunehmen und zu erdulden habe:

«Die Frau ist in allem ihrem Gatten gehorsam und soll kein anderes Bestreben haben, als ihm zu gefallen und seinen Willen zu erfüllen. Alles hängt von der Frau ab, wenn sie nachgiebig, gut und amusant ist.»
Maria Theresia

Obwohl Maria Theresia der lebende Gegenbeweis war, liess sie ihre Töchter zu gefügigen Frauen erziehen. Denn im Unterschied zu ihr selbst waren sie keine Monarchinnen, die ihren Titel geerbt hatten. Sie wurden zu Ehefrauen von Königen – weshalb sie sie in keiner Weise berechtigt sah, sich in die Regierungsgeschäfte ihrer Männer einzumischen.

Maria Theresia hatte ihren Titel im Gegensatz zu ihren Töchtern geerbt, weshalb sie sie zu gefügigen Gattinnen erziehen liess. Trost sollten sie im Gebet finden.
Maria Theresia hatte ihren Titel im Gegensatz zu ihren Töchtern geerbt, weshalb sie sie zu gefügigen Gattinnen erziehen liess. Trost sollten sie im Gebet finden.bild: wikimedia

Der Regentin selbst war eine Liebesheirat vergönnt. Ihre Töchter – mit Ausnahme ihrer Lieblingstochter Mimi (Marie Christine) – aber verheiratete sie mit Männern, die diese nicht liebten. 

Maria Karolina wurde mit 16 Jahren nach Neapel geschickt, um die Gattin Ferdinands von Neapel-Sizilien zu werden. An der Hochzeit ihrer jüngeren Schwester Marie Antoinette sagte sie ihrer Erzieherin:

«Ich hoffe bloss, dass Marie Antoinette für den Anfang jemanden bei sich hat wie ich, denn sonst – ich gestehe es aufrichtig – ist es zum Verzweifeln und man leidet ein Martyrium. Lieber sterben als noch einmal das erleben, was ich da erlebte. Es ist keine Übertreibung, aber wenn mir mein Glaube nicht gesagt hätte, ‹denke an Gott›, so hätte ich mich umgebracht.»
Maria Karolina

Maria Theresias Demuts-Lehre hatte gefruchtet.

Die Erzherzogin Maria Karolina von Österreich und spätere Königin von Neapel-Sizilien.
Die Erzherzogin Maria Karolina von Österreich und spätere Königin von Neapel-Sizilien.bild: wikimedia

Der Höhepunkt ihrer Heiratspolitik war die Vermählung von Marie Antoinette mit dem französischen Dauphin, dem späteren Ludwig XVI. Doch leider verhielt sich das 14-jährige Mädchen so gar nicht nach dem Wunsch ihrer Mutter. Ihre Berichterstatter am Hof informierten sie über das unfromme Treiben Marie Antoinettes, die gerne Feste feierte und bald nicht mehr das Bett ihres Angetrauten teilte.

Mütterliche Zorn-Briefe waren die Quittung, auf die das Mädchen stets unendlich demutsvoll und entschuldigend antwortete – aber ohne danach zu handeln. Als sie nach sieben Jahren an der Seite Ludwigs XVI. noch immer nicht schwanger war, schickte Maria Theresia ihren Sohn Joseph an den französischen Hof.

Portrait von Marie Antoinette mit einer Rose, 1778 gemalt von ihrer Lieblingskünstlerin Élisabeth Vigée-Lebrun.
Portrait von Marie Antoinette mit einer Rose, 1778 gemalt von ihrer Lieblingskünstlerin Élisabeth Vigée-Lebrun.bild: wikimedia

Denn eine Königin, die keinen Thronerben zur Welt brachte, lebte unsicher. Der Bruder sollte Abhilfe schaffen. Und tatsächlich kam heraus, dass die fehlende Nachkommenschaft der Tatsache geschuldet war, dass die beiden erstens vollends unaufgeklärt waren – und Ludwig XVI. zudem asexuelle Züge hatte.

So schrieb Joseph einen ganz und gar unbeschönigten Brief an seinen Bruder Leopold: 

«Er [Ludwig XVI.] hat ausgezeichnete Erektionen, führt sein Glied ein, verharrt dort regungslos vielleicht zwei Minuten lang, und ohne sich zu ergiessen zieht er sein immer noch aufrecht stehendes Glied zurück und wünscht seiner Frau gute Nacht. Das Ganze ist unbegreiflich, da er manchmal feuchte Träume hat. Er ist völlig zufrieden und gibt offen zu, dass er den Akt nur als Pflichtübung betrachtet und keinerlei Vergnügen daran findet. Ach, wenn ich nur einmal hätte dabei sein können, ich hätte es ihm schon beigebracht! Man sollte ihn auspeitschen wie einen Esel, damit er ejakuliert. Was meine Schwester betrifft, ist sie auch nicht gerade sinnlich veranlagt, und beide zusammen sind ein Paar von ausgemachten Stümpern.»
Joseph an seinen Bruder Leopold, 1777
Die Hinrichtung von Marie Antoinette am 16. Oktober 1793. Ihr Gemahl Louis XVI. hatte seinen Kopf bereits im Januar verloren.bild: wikimedia

Nach acht erfolglosen Jahren konnte Maria Theresia endlich aufatmen. Ihre Tochter war schwanger. Dass die Französische Revolution Marie Antoinette den Kopf kostete, erlebte sie glücklicherweise nicht mehr.

Maria Theresia wird dick und depressiv

Franz Stephan starb 1765 an einem Schlaganfall. Von da an wurde Maria Theresia nicht mehr froh. Sie kleidete ihre Gemächer mit grauer Seide ein und verschenkte ihre ganzen prunkvollen Kleider. Allein wegen ihrer Kinder müsse sie noch «im Getümmel der Welt» bleiben, das ihr schier unerträglich scheine, schrieb die 48-jährige Regentin einer Freundin.

«Was mir bleibt und ich mit Ungeduld erwarte, ist meine Aufbahrung. Denn in meinem Sterbekleid werde ich vereint sein mit dem einzigen Gegenstand meiner Liebe, den mein Herz in dieser Welt gekannt hat und der allein Sinn und Ziel all meines Tuns war.»
Maria Theresia
Maria Theresia in Witwentracht, 1772.
Maria Theresia in Witwentracht, 1772.bild: wikimedia

Maria Theresia hatte ihren besten Freund verloren. Und mit ihm starb auch ihre Lebenslust. Die Fröhlichkeit am Wiener Hof, die zu Lebzeiten Franz Stephans die Säle erfüllte, war ausgezogen. Die Musik war verstummt und die Tanzschritte verhallt.

Sie wurde immer dicker und verlor dabei ihre ganze Robustheit und Sportlichkeit. Sie setzte sich nicht mehr ans offene Fenster, so dass der Wind ihr den Schnee aufs Papier warf. Sie sprang auch nicht mehr auf ihr Pferd und galoppierte wie eine Verrückte durch die Felder. Stattdessen liess sie in ihren Schlössern Treppenlifte bauen.

Maria Theresia litt unter Wassersucht, einer krankhaften Ansammlung von Wasser im Gewebe, ausgelöst durch Herzinsuffizienz. Am 29. November 1780, um 9 Uhr abends, stand sie noch einmal von ihrem Sessel auf und brach dann tot zusammen. 

Ihre Lungen seien zu Steinen geworden, notierte ihre Tochter Maria Anna nach der Öffnung des Leichnams. Damit konnte selbst die unzimperlichste Monarchin nicht mehr atmen. 

«Ich kann mich nicht beklagen. Der Mensch muss aufhören. Fünfzig Jahre war ich ganz gesund, es ist billig, dass ich doch auch etwas empfinde; es ist eine Barmherzigkeit Gottes.»
Maria Theresia
Das für den Artikel verwendete Buch
Katrin Unterreiner: Maria Theresia – Mythos und Wahrheit.
Die Autorin studierte Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Wien. Bis 2007 wissenschaftliche Leiterin der Kaiserappartements der Wiener Hofburg und Kuratorin des Sisi-Museums. 

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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NikolaiZH
13.04.2017 21:44registriert November 2014
Super artikel - sehr interessant - danke!
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Kengru
13.04.2017 22:07registriert Februar 2016
Na das ist mal was! und ich war schon froh wenn ich 3 mal am tag erfolgreich die toilette verlassen konnte.
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Sapere Aude
14.04.2017 07:39registriert April 2015
Deine Geschichtserzählungen sind immer toll zu lesen und ein Genuss anzuschauen Anna :)
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