Dem Wort «mansplaining» bin ich vor nicht allzu langer Zeit zum ersten Mal begegnet. Seither erkläre ich den Begriff allen, die es hören möchten – oder auch nicht. Vor allem Frauen.
Das Kofferwort aus man (Mann) und explaining («erklären») beschreibt ein Verhalten, das anscheinend besonders Männer an den Tag legen. Laut einer auf Wikipedia zitierten Definition handelt es sich um Mansplaining,
Womöglich neigen Männer tatsächlich eher dazu, sich fälschlicherweise für kompetenter zu halten, zumal gegenüber Frauen. Doch vielleicht halten manche von ihnen sich nicht nur für besser informiert, sondern vor allen Dingen für hilfsbereit. Unerwünschte Hilfsbereitschaft kann freilich auch ziemlich nerven, wie meine Kollegin Anna Rothenfluh sofort bestätigen wird.
Wie soll man als Mann nun den schmalen Grat zwischen geschätzter Hilfe und aufdringlicher Belehrung erkennen? Einen kompakten Leitfaden in Form eines Flussdiagramms stellt uns da die britische Schriftstellerin Kim Goodwin via Twitter zur Verfügung. Ihr Tweet scheint einem verbreiteten Bedürfnis entgegenzukommen – er wurde über 3300-mal kommentiert, mehr als 50'000-mal retweetet und erhielt bisher gut 122'000 Likes.
Unlängst hätten zwei Kollegen sie gefragt, wie sie erkennen könnten, ob sie mansplainen, berichtet Goodwin in einem Artikel auf BBC, in dem sie ihr Flussdiagramm vorstellt. Die Männer – beide Experten, die oft Dinge aus ihrem Fachgebiet erklären müssten – hätten sich Sorgen gemacht, dass ihre Ausführungen falsch ankommen könnten.
Goodwin fragte sich darauf, ob der Unterschied zwischen mansplaining und etwas einfach als Mann zu erklären wirklich so schwierig zu sehen sei. Sie nahm die Frage der Kollegen zum Anlass, ihr Flussdiagramm zu entwerfen, wobei sie drei zentrale Fragen im Auge behielt:
Goodwin erhielt viel Lob für ihr Flussdiagramm, aber auch einige Kritik, auf die sie in ihrem Stück eingeht. So hätten viele Kommentatoren – anscheinend eher Männer – darauf hingewiesen, dass Männer dieses Verhalten auch gegenüber anderen Männern an den Tag legten. Sie gingen also damit einig, so Goodwin, dass Männer oft mansplainen. Da sie aber ihr Verhalten nicht ändern wollten, müssten Frauen die «maskuline» Norm übernehmen.
Die Frage, ob es sich beim Begriff «mansplaining» um einen umgekehrten Sexismus handle, verneint Goodwin entschieden. Es gebe zwar Frauen, die diesen Gender-Begriff benutzten, um ihren Frust über sexistische Kommunikationsformen auszudrücken. Ein abfälliges Wort sei freilich noch lange nicht dasselbe wie systembedingter Sexismus, der vornehmlich auf Frauen ziele – und zugleich das Leben von Männern einschränke.
Ganz anderer Meinung ist da allerdings der Zürcher Blogger Reda El Arbi. Er schreibt in einem Beitrag vom vergangenen Oktober, es sei paradox, dass man auf der einen Seite «Begriff*Innen» entwerfe, «um die Geschlechter möglichst gleich zu machen», auf der anderen Seite aber alles tue, «um die Welt nach Genitalien in Opfer und Täter aufzuteilen».
Er verhalte sich durchaus ab und zu wie «ein arroganter Vollidiot», räumt El Arbi ein. Dies habe jedoch nichts mit seinen Genitalien, seinem Chromosomensatz, seinen Hormonen zu tun. Sein Geschlecht habe er nämlich nicht selbst gewählt, während sein Verhalten in seiner eigenen Verantwortung liege.
Für El Arbi ist mansplaining «eines dieser Konstrukte, die als Munition im Geschlechterkampf dienen und eigentlich das Gegenteil von dem erreichen, was sie erreichen sollen.» Er verstehe nicht, fährt der Blogger fort, dass eben jene Menschen, die für Gleichwertigkeit eintreten, ihre eigenen Grundprinzipien verleugnen, sobald es «ihnen in ihrem ideologischen Kampf gerade passt».
El Arbi legt hier den Finger auf einen wunden Punkt. Das Paradox, das er anspricht, lässt sich im Grunde überall beobachten, wo das Streben nach Gleichwertigkeit Unterschiede möglichst einebnen will, dabei aber zugleich immer feinere Verästelungen der Identität kategorisiert. So soll Hautfarbe kein unterscheidendes Merkmal darstellen, während gleichzeitig beispielsweise zwischen Weissen und People of Color unterschieden wird.
Mir scheint, dass da beide ein Stück weit recht haben – Goodwin wie El Arbi. Der Blogger weist zu Recht auf das Problem hin, dass der Vorwurf des mansplaining auf ein Verhalten zielt, das am Geschlecht festgemacht wird. Und Goodwin liegt nicht falsch, wenn sie schreibt, dass das Kommunikationsverhalten in vielerlei Hinsicht geschlechtsspezifisch geprägt ist – und nach wie vor auch so geprägt wird.
So werde ich vermutlich demnächst meine Kollegin Anna ungebeten darüber aufklären, dass mansplaining ein kommunikatives Fehlverhalten von Männern ist. Und dann, wenn sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen anschaut, hinzufügen, dass dieses Konzept selbst eine Art von Sexismus darstellt.