Er war der letzte bedeutende Nazi-Kriegsverbrecher, dessen Schicksal nie ganz geklärt wurde. Der Österreicher Alois Brunner galt als «rechte Hand» seines Landsmannes Adolf Eichmann. Gemeinsam organisierten sie die «Endlösung» der Judenfrage. Als Leiter von SS-Sonderkommandos in mehreren Ländern soll Brunner die Deportation von mehr als 100'000 Juden in die Vernichtungslager angeordnet haben.
Bekannt war, dass Alois Brunner während Jahrzehnten in der syrischen Hauptstadt Damaskus lebte, beschützt vom ehemaligen Diktator Hafis Assad, dem Vater des heutigen Regenten Baschar Assad. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Wien behauptete vor rund zwei Jahren, der Altnazi sei 2009 im Alter von 98 Jahren verstorben.
Das stimmt vermutlich nicht. Recherchen des französischen Magazins «XXI» ergaben, dass Brunner bereits 2001 mit 89 Jahren in einem verborgenen Keller in Damaskus starb. Die Informationen stammen demnach von drei ehemaligen Mitgliedern des syrischen Geheimdienstes. Der französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld, dessen Vater auf Anweisung Brunners nach Auschwitz deportiert worden war, bezeichnete sie als «sehr glaubwürdig».
Die letzten Jahre des Kriegsverbrechers sollen elend gewesen sein, behauptet einer der Informanten, der als Omar bezeichnet wird. Brunner habe «gelitten und viel geweint, jeder hat ihn gehört». Er habe sich nicht einmal waschen können. Zu essen habe er nur Armeerationen erhalten – «widerliches Zeugs» – sowie eine Kartoffel oder ein Ei. Er habe jeweils eines von beiden auswählen müssen.
Alois Brunner hatte nach dem Krieg während einiger Jahre unter einem falschen Namen in Essen im Ruhrgebiet gelebt. 1953 reiste er unter dem Namen Georg Fischer nach Ägypten und schliesslich weiter nach Syrien, wo er sich dem Regime andiente, in dem er den Geheimdiensten unter anderem die Foltermethoden der Nazis beibrachte.
Die Israelis waren ihm mehrfach auf der Spur. Zweimal konnten sie ihm eine Paketbombe zustellen, 1961 und 1981. Brunner verlor dabei ein Auge und vier Finger, wirklich erwischt werden aber konnte er nie. Reue hat er nie gezeigt, im Gegenteil. 1985 konnte die deutsche Illustrierte «Bunte» ihn in Damaskus interviewen. Brunner äusserte sich dabei derart hasserfüllt, dass das Interview nur stark zensiert publiziert wurde.
Zwei Jahre später besuchte ihn Kurt Seinitz, ein Journalist der österreichischen «Kronen Zeitung». Alois Brunner sagte ihm: «Junger Freund, lassen Sie mir das schöne Wien grüssen und seien Sie froh, dass ich es für Sie judenfrei gemacht habe.» Gegenüber der US-Zeitung «Chicago Sun-Times» bezeichnete er die Juden in einem Telefongespräch als «Agenten des Teufels» und «menschlichen Abfall».
In seinen letzten Jahren scheint er die Gunst des Assad-Regimes verloren zu haben, schreibt «XXI». Ab 1989 sei er in seiner Wohnung im Diplomatenviertel von Damaskus faktisch unter Hausarrest gestanden. Ende der 1990er Jahre sei er aus «Sicherheitsgründen» in den Keller gebracht worden, in dem er starb. «Als er dort war, wurde die Türe geschlossen und nie wieder geöffnet», sagte Wärter Omar.
In gewisser Weise scheint Nazi-Verbrecher Alois Brunner am Ende seines Lebens doch noch im Gefängnis gelandet zu sein. Was durchaus im Sinne von Serge Klarsfeld ist, wie er der Nachrichtenagentur AFP erklärte: «Es ist befriedigend, dass er nicht gut, sondern schlecht lebte.» (pbl)
Das Schweizer Magazin «Reportagen» hat den Text aus «XXI» übersetzt und in seiner neusten Ausgabe publiziert.