Dass Nationen versuchen, Einfluss auf das Wetter zu nehmen, ist nicht neu. Bereits seit den 1940er-Jahren experimentieren Länder unter anderem mit der Technologie des Cloud Seeding (siehe Infobox), um Regen oder auch Schnee in bestimmten Regionen zu erzeugen.
Angesichts des menschengemachten Klimawandels hat die Erforschung und Weiterentwicklung der Technologie des Cloud Seeding (auf Deutsch: Wolkenimpfung) in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, vor allem in China, wo es ein staatliches Amt für Wetterbeeinflussung gibt. Ähnliche Bemühungen gibt es allerdings auch in Russland, Brasilien, Thailand, Israel und anderen Ländern.
Nun hat das Reich der Mitte offenbar einen weiteren Schritt zur erfolgreichen Beeinflussung des Wetters gemacht. Wie die «South China Morning Post» (SCMP) berichtet, haben chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe von Cloud Seeding die Niederschlagsmenge auf einer Fläche von mehr als 8000 Quadratkilometern im westlichen Gebiet von Xinjiang markant erhöht. Und zwar um mehr als 4 Prozent innerhalb eines Tages.
Die Studie wurde gemäss dem Artikel am 10. April im chinesischsprachigen Magazin «Desert and Oasis Meteorology» publiziert und ist peer-reviewt. Geleitet wurde sie von Li Bin, einem leitenden Ingenieur vom chinesischen Amt für Meteorologie.
Das Experiment, das Silberiodid mithilfe von Drohnen auf einer Höhe von 5500 Metern über der Bayanbulak-Graslandschaft freisetzte, erzeugte demnach mehr als 70'000 Kubikmeter zusätzlichen Niederschlag.
Um die Ergebnisse zu überprüfen, setzte das Team auf mehrere Validierungsmethoden. Erstens wurde mittels Regentropfen-Spektrometer aufgezeigt, dass sich der Tröpfchendurchmesser nach der Wolkenimpfung von 0,46 Millimetern auf 3,22 Millimeter vergrösserte. Zudem wurden mithilfe von Satellitenbildern eine Abkühlung der Wolkendecke um bis zu 10 Grad und ein vertikales Wachstum der Wolken von rund 3 Kilometern aufgezeigt.
Und zuletzt wurden regionale Klimadaten der letzten 50 Jahre zum Vergleich herangezogen und mit einer Supercomputer-Simulation verglichen. Die Ergebnisse der Simulation stimmten demnach mit den Beobachtungen am Boden überein.
In der Wissenschaft ist die Cloud-Seeding-Technologie allerdings umstritten. Die Effektivität lässt sich oftmals schwer feststellen, da man nicht weiss, wie sich das Wetter ohne die Technologie entwickelt hätte.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hielt 2024 fest: «Cloud Seeding ist eher erfolgreich bei der Minderung der Auswirkung von extremen Wetterereignissen für eine Zielregion, indem z. B. Niederschlag vor Erreichen der Zielregion zum Abregnen gebracht wird.» Dies würde aber keinen zusätzlichen Niederschlag generieren, sondern führe zu einer räumlichen Umverteilung des Niederschlages.
Darum hält der Wissenschaftliche Dienst fest:
Zudem warnt der Dienst, dass «das Impfen von Wolken in grösseren Regionen Umweltrisiken mit sich bringt».
Auch in der Schweiz wurden bereits Experimente mit Cloud Seeding – im Zusammenhang mit Hagel – durchgeführt, der Bundesrat kommt allerdings auf die gleiche Schlussfolgerung. In einem Statement aus dem Jahr 2023 heisst es:
«Zwischen den 50er-Jahren und den 70er-Jahren wurden in der Schweiz Experimente durchgeführt, um die Möglichkeit der Hagelbekämpfung zu untersuchen. Teile dieser Experimente wurden damals vom Bund finanziert. Trotz Jahrzehnten von Forschungsprojekten gibt es nach wie vor keine wissenschaftlich verwertbaren Nachweise dafür, dass diese Techniken und Methoden erfolgreich sind.»
Zum vorläufig selben Ergebnis kommt auch das noch laufende, von der EU finanzierte Projekt CLOUDLAB, das für ein besseres Verständnis der Wolkenphysik sorgen soll. Dort heisst es:
«Cloud Seeding gewinnt zunehmend an Interesse, um die Niederschlagsmenge in Regionen zu erhöhen, die mit Wasserknappheit konfrontiert sind, und um Nebel in der Umgebung von Flughäfen zu zerstreuen, um die Sicht und die Sicherheit zu verbessern. Die Effizienz des Cloud Seeding ist immer noch unklar, da häufig eine Kontrollsituation fehlt (d. h. wie sich die Wolke ohne Seeding entwickelt hätte).»
Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten versucht worden sei, das Wetter durch das Impfen von Wolken mit Chemikalien zu beeinflussen, fehle den Wissenschaftlern noch immer ein tieferes Verständnis der grundlegenden Prozesse in Wolken, die zu Niederschlägen führen würden.
Doch nicht nur in der Welt der Wissenschaft ist Cloud Seeding (oder dessen Auswirkungen) umstritten, auch politisch kann das Thema moralische Fragen aufwerfen.
Denn gelingt es einer Nation tatsächlich, das Wetter mittels Chemikalien und Drohnen zu beeinflussen, kann dies zu geopolitischen Spannungen führen. Die Wissenschaftlerin Marine de Guglielmo Weber vom Institute for Strategic Research at the Military School (IRSEM) erklärt dies so:
«Wenn ein Land erfährt, dass sein Nachbar das Wetter verändert, wird es versucht sein, dem Nachbarn die Schuld zu geben, um eine Dürre zu erklären.»
Weber zeigt das im «Fortune»-Magazin anhand eines Beispiels aus China. Die Regierung lancierte 2018 die Sky-River-Initiative mit dem Ziel, die Wasserknappheit zu lindern und so die Ernährungssicherheit des Landes zu erhöhen. Dafür hat China Experimente in Tibet durchgeführt. Gemäss Weber könnte dies aber zu Beeinträchtigungen der Wasserverfügbarkeit in anderen Ländern – in diesem Fall zum Beispiel Indien – führen. Und dies kann natürlich für geopolitische Spannungen sorgen.
Sicher ist, China und weitere Länder werden nicht aufhören zu versuchen, mit Chemikalien und Experimenten das Wetter zu ihren Gunsten zu verändern.
Dass dies aber auch in die Hose gehen kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2008. Damals wollten chinesische Forscherinnen und Forscher etwas gegen die Dürre in Peking unternehmen.
Das Experiment ging allerdings schief, eine Kaltfront bewirkte, dass nicht Regen, sondern ein regelrechter Schneesturm auf die chinesische Hauptstadt niederging. Das Resultat war Chaos auf den verschneiten Strassen, dazu kamen Strom- und Flugausfälle.