«Wenn man der Lüge nicht entgegentritt, verwandelt sie sich in Wahrheit», sagte George Orwell einst.
Der Satz sollte ein Vorgeschmack werden auf sein wohl berühmtestes Werk und bis heute eines der am häufigsten zitierten Bücher in der Literaturgeschichte: «1984». Ein dystopischer Weltroman, bei dem sich die Hauptfigur Winston Smith gegen Big Brother stellt, gegen die Lüge und die Unterdrückung und sich einsetzt für die Wahrheit, die Humanität und die Liebe.
Zwar war George Orwell bereits 1945 mit «Farm der Tiere», einer satirischen Parabel auf die bolschewistische Revolution, einem breiten Publikum bekannt geworden. «1984» ist aber bis heute sein bekanntestes Werk.
Dabei war George Orwell nicht nur ein hervorragender Autor und Schriftsteller, sondern vor allem auch ein brillanter Essayist. Viele Experten sehen in seinem früheren Schaffen das wahre Vermächtnis des 1950 verstorbenen Eric Arthur Blair, wie er mit richtigem Namen hiess.
Geboren ist Orwell 1903 im damals britischen Bihar, im heutigen Indien, als Sohn eines Kolonialbeamten. 1904 zog er mit seiner Mutter und seiner Schwester nach England.
Später diente Orwell selber als Polizeibeamter in der Kolonialverwaltung in Burma (heute Myanmar), bis er mit 24 wieder zurück nach England kam.
Es folgte eine für ihn persönlich schwierige Zeit, als er sich als freier Journalist mehr oder weniger erfolglos durchzuschlagen versuchte und oftmals gegen die Armut zu kämpfen hatte. In dieser Zeit hatte er auch das erste Mal eine Lungenentzündung. Das Leiden mit der Lunge wird ihn sein Leben lang begleiten und am 21. Januar 1950 für seinen Tod sorgen.
Seine Erlebnisse aus dieser Zeit in England schrieb er unter anderem in «Der Weg nach Wigan Pier» nieder. Ein teilweise dokumentarisches, aber auch essayistisches Werk über die Folgen des Ersten Weltkriegs: die grassierende Armut und das Elend, das viele englische Arbeiter in existenzielle Nöte brachte. Es war auch eines der ersten Werke Orwells, in dem er sich Gedanken zu einer gerechteren, sozialeren Welt machte.
Am 15. Dezember 1936 reiste George Orwell nach Barcelona. Damals herrschte in Spanien ein brutaler Bürgerkrieg zwischen der demokratisch gewählten Regierung und den Putschisten rund um den General und späteren Diktator Francisco Franco.
Ursprünglich wollte Orwell wohl nur als Berichterstatter am Konflikt teilnehmen, wurde aber schnell Teil des Widerstands. Er schloss sich der halb-anarchistischen, trotzkistischen Miliz P.O.U.M (Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit) an und kämpfte fortan gegen die spanischen Faschisten an.
Es war auch die Zeit, in der Orwell seinen Platz in der Welt suchte, zuerst als Teil des Widerstands, dann wieder als Pazifist, später, als Grossbritannien in den Krieg eintrat, als revolutionärer Patriot. Der Grund für seine damals innerliche Zerrissenheit findet sich in einem Zitat von ihm:
Orwell kämpfte aber nicht nur gegen Franco, sondern berichtete auch als Korrespondent über den spanischen Bürgerkrieg. Das Büro teilte er sich mit bekannten Grössen wie Ernest Hemingway, André Malraux und Leopold Kohr. Es war die Zeit, als sich viele Schriftsteller und Intellektuelle mit Berichterstattungen aus dem Krieg profilieren wollten.
Seine Zeit in Spanien ist aber auch die Zeit, in der Orwell die Gefahren des Stalinismus brutal aufgezeigt wurden. In Spanien erkannte er die hässliche Fratze eines totalitär geführten Systems, wie es in der UdSSR herrschte.
Die Sowjetunion unterstütze damals zwar die Demokraten unter anderem mit Waffen und erlangte so viel Einfluss, ging aber auch mit brutaler Hand gegen abweichende Meinungen aus dem linken Spektrum vor.
Auch Orwell lief damals Gefahr, von moskautreuen Stalinisten verhaftet zu werden, musste sich zeitweise aufgrund seiner Vergangenheit in der P.O.U.M. gar verstecken. Zusammen mit seiner Frau gelang ihm schliesslich die Flucht nach Frankreich, später kehrte er nach England zurück.
Zwar blieb er dem Sozialismus sein ganzes Leben lang treu, jedoch differenzierte er nach seiner Zeit in Spanien zwischen einem Sozialismus, wie er in der Sowjetunion vorherrschte, und einem humanistischen Sozialismusansatz, für den er sich einsetzte.
«Jede Zeile ernsthafter Produktion, die ich seit 1936 geschrieben habe, wurde, direkt oder indirekt, gegen den Totalitarismus geschrieben und für einen demokratischen Sozialismus, wie ich ihn verstehe.»
Seine Zeit im Spanischen Bürgerkrieg verarbeitete er in seinem Buch «Mein Katalonien», das 1938 erschien und das eine Reflexion seiner «tiefen Enttäuschung über den stalinistischen Verrat an Spanien» war. Orwell selbst betrachtete dieses Buch als eines seiner besten Werke, obwohl anfangs nur einige hundert Exemplare verkauft wurden.
Nach seiner Rückkehr nach England schlug sich Orwell wieder mit einem altbekannten Leiden herum: seiner Lunge. Eigentlich wollte er 1939 als Freiwilliger gegen Nazideutschland in den Krieg ziehen, wurde jedoch aufgrund seiner Krankheitsakte abgewiesen.
Orwell widmete sich in der Folge vermehrt Buchkritiken, schrieb weiterhin fleissig Essays und war unter anderem auch für die «BBC» tätig, die er jedoch bald wieder wegen politischer Unstimmigkeiten verliess.
Seinen ersten Welterfolg, «Farm der Tiere», stellte er 1944 fertig, veröffentlicht wurde das Buch dann im August 1945. Oft zitiert wird eine Zeile (das letzte und abgeänderte Gebot, das als einziges von ursprünglich sieben Geboten am Schluss auf der Scheune steht) aus dem Buch, in der es heisst:
Das Buch sollte der endgültige Durchbruch für Orwell als Schriftsteller werden. 1947 zog er mit seiner Schwester auf die abgelegene Insel Jura vor der Westküste Schottlands. Dort entstand sein zweiter Weltroman und bis heute eines der bedeutendsten Bücher der Literaturgeschichte: «1984».
Gesundheitlich ging es mit Orwell in dieser Zeit allerdings bergab. 1947 wurde er in Glasgow in ein Krankenhaus eingewiesen, wo man eine erhebliche Zerstörung des linken Lungenflügels diagnostizierte.
Als 1949 «1984» veröffentlicht wurde, war er immer häufiger als Patient im Krankenhaus. Kurz vor seinem Tod heiratete er im Oktober 1949 die 15 Jahre jüngere Sonia Brownell, die als Vorlage für die Figur Julia in «1984» gilt.
Unmittelbar vor einer geplanten Reise in die Schweiz starb Orwell am 21. Januar 1950 im Alter von 46 Jahren in London an einer Lungenblutung.
Was bleibt, ist ein gewaltiges literarisches Erbe, das auch heute noch aktuell und zeitgemäss ist – vielleicht sogar noch aktueller und zeitgemässer als damals.
Orwell war nicht frei von Fehlern, vor allem seine bigotte Art gab später immer wieder zu reden, aber er war ein unermüdlicher Kämpfer für seine Ideale.
Eine Szene, die die Person Orwells gut auf den Punkt bringt, ist ein Ausschnitt aus «Mein Katalonien». Dort beschreibt er szenenhaft, wie er in Spanien auf einen Faschisten zielte, als dieser aus einer Latrine kommend versuchte, seine Hose hochzuziehen, was ihm aber nicht gelang.
Orwell entschied sich, nicht abzudrücken. Er sagte: