Mitte Juli in der Schweiz: Graue Wolken, wohin man schaut. Doch es gibt Hoffnung: Im Wallis, genauer in Stalden bei Visp, ist die Chance, dem Nass von oben zu entgehen, am grössten. Das sagt zumindest die Statistik von Meteo Schweiz: Die Messstation Ackersand Stalden verzeichnete von 1981 bis 2010 im Schnitt nur 75,8 Regentage (≥1mm) pro Jahr. Zum Vergleich: Zürich-Fluntern kam auf 133,9 Tage und die regenreichste Station, Schwägalp am Fuss des Säntis, sogar auf 169,9 Tage.
Wem es im Wallis immer noch zu feucht ist, der sollte eine Reise nach Süden ins Auge fassen. Und zwar nicht in die Sahara oder die Wüste Namib, wo es in der Tat ziemlich wenig Regen gibt. Wirklich trocken ist die Zentralantarktis, wo Niederschlag einzig durch Abkühlung von absinkender Höhenluft entsteht. In dieser trockenen Eiswüste fallen weniger als 50 mm Niederschlag pro Jahr. Überhaupt keinen Niederschlag gibt es in den antarktischen Trockentälern, die zum Teil seit Millionen Jahren eisfrei sind.
Feuchter als die antarktischen Trockentäler ist die Atacama-Wüste in Chile, die früher als trockenster Ort der Welt galt. Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt dort bei 0,1 mm, aber es gibt Messstationen in der Atacama-Wüste, die seit Jahrzehnten noch nie einen Tropfen Regen registriert haben. Im Vergleich dazu ist die Sahara mit im Schnitt 25 bis 45 mm ein wahres Feuchtgebiet.
Sogar wenn Regen fällt, heisst das nicht immer, dass das kühle Nass auch wirklich den Boden netzt. Es gibt Niederschläge, die den Boden nicht erreichen. Das Phänomen nennt sich «Virga» (lat. «Zweig»). Die Fallstreifen unterhalb einer Wolke können aus Regentropfen, Schnee, Hagel oder Frostgraupeln bestehen.
Jedes Kind kann Tropfen zeichnen. Doch Regentropfen weisen gar nicht diese charakteristische Tropfenform – unten rund, oben spitz – auf. Sie sind am Anfang kugelförmig, flachen dann beim Fallen auf der Unterseite wegen des Luftwiderstands zusehends ab, bis ihre Form einem Hamburger-Brötchen ähnelt. Überschreitet der Tropfen eine bestimmte Grösse, teilt er sich in mehrere kleinere auf, die wiederum kugelförmig sind.
Die amerikanischen Professoren Peter V. Hobbs und Arthur Rango sind Jäger der gigantischen Regentropfen. Sie messen die Tropfen mit einem Laser vom Flugzeug aus. 1995 in Brasilien und 1999 auf den Marshallinseln erwischten sie riesige Tropfen mit einem Durchmesser von mindestens 8,8 mm. Möglicherweise erreichten die Regentropfen sogar einen Durchmesser von 1 cm.
Darts wurde in England erfunden – da kann es nicht verwundern, dass die Entstehung des beliebten Kneipensports etwas mit Regen zu tun haben soll. Ein Regenguss trieb nämlich der Legende nach die Teilnehmer eines Bogenschiess-Wettkampfs in eine Bar, wo sie den Wettbewerb kurzerhand fortsetzten und gekürzte Pfeile auf ein Ziel an der Wand warfen.
Jedes Jahr fallen im Schnitt 519'000 km3 Wasser auf die Erde. Da ein km3 Wasser rund eine Milliarde Tonnen schwer ist, wiegt die gesamte Regenmenge 519 Billionen Tonnen.
In unserem Sonnensystem regnet es nicht nur auf der Erde. Auch auf der Venus oder auf dem Saturnmond Titan gibt es Niederschläge. Allerdings ist dort ein Regenschauer bedeutend weniger gemütlich als auf der Erde: Auf unserem Nachbarplaneten Venus regnet es Schwefelsäure, und es ist so heiss, dass der Niederschlag verdampft, bevor er die Oberfläche erreicht. Auf dem Titan, dem zweitgrössten Mond unseres Sonnensystems, ist der Himmel von einer dichten Wolkendecke aus Methan bedeckt. Daraus regnet flüssiges Methan ab, in 1 cm grossen Tropfen, und bildet Methan-Seen und -Flüsse.
Wenn Regen auf den Boden fällt, entsteht oft ein angenehmer Geruch – besonders nach längerer Trockenheit. Für diesen Geruch gibt es einen Begriff: «Petrichor» (aus griech. petros für «Stein» und ichor, das Blut der Götter). Der Geruch entsteht durch ätherische Öle, die von Pflanzen bei Trockenheit produziert werden und in den Boden gelangen. Wenn die Regentropfen auf dem Boden auftreffen, bilden sich kleine Bläschen, die dann platzen und aromatische Aerosole freisetzen. Diese verbinden sich mit dem stark erdig-muffig riechenden Stoff Geosmin, einem von Mikroorganismen produzierten Alkohol.
Das Wort «Regen», althochdeutsch «regan», stammt aus dem Germanischen. Die weitere Herkunft ist laut Duden ungeklärt; die anderen indoeuropäischen Sprachen verwenden diese Wurzel jedenfalls nicht. Dafür ist sie in den skandinavischen Sprachen (regn), im Friesischen (rein), Niederländischen (regen) und Englischen (rain) vorhanden.
Legendär sind die Regenmengen, die in der Monsunzeit auf Indien niedergehen. Regenhauptstadt der Welt ist denn auch ein Ort in Indien: Cherrapunji. Die Stadt im Bundesstaat Meghalaya liegt am Fuss des Himalaja auf knapp 1500 Meter Höhe. Bei der durchschnittlichen Regenmenge pro Jahr liegt Cherrapunji mit 11'430 mm auf Platz 3 hinter dem nur 16 Kilometer entfernten Mawsynram (11'873 mm) und dem Berg Wai’ale’ale auf der Insel Kauai in Hawaii (11'684 mm). Doch der Ort hält gleich zwei Weltrekorde: 1861 wurde hier die höchste Regenmenge gemessen, die jemals in einem Monat (9300 mm) und in einem Jahr (26'461 mm) fiel. Den Rekord für die höchste Regenmenge an einem einzigen Tag hält Foc-Foc auf La Réunion im Indischen Ozean: 1966 fielen hier in 24 Stunden 1825 mm Regen. Die höchste Regenmenge in nur einer Minute wurde auf der französischen Karibik-Insel Guadeloupe gemessen: 38 mm.
Bei Regen kriechen sie aus der Erde, die Regenwürmer. Da müsste doch klar sein, dass der Name vom Regen kommt. Dem ist aber nicht so: Die Bezeichnung bezieht sich auf die fleissige Tätigkeit des Wurms – er ist ein «reger Wurm». Bis ins 16. Jahrhundert wurde er noch so genannt; der ursprüngliche deutsche Name lautete eigentlich «Tauwurm». Der nützliche Wurm kriecht übrigens bei Niederschlag nicht an die Oberfläche, weil er den Regen so sehr mag, sondern um nicht in seinen Gängen zu ertrinken.
(dhr)