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Interview

Interview mit Rachid Nekkaz, der Burkaverbote mit Geld neutralisieren will

Eines der wenigen Bilder, das eine vollverschleierte Frau in der Schweiz zeigt.
Eines der wenigen Bilder, das eine vollverschleierte Frau in der Schweiz zeigt.
Bild: KEYSTONE
Interview

«Ich werde dieses Gesetz mit meinem Scheckbuch neutralisieren» – Interview mit dem Mann, der im Tessin alle Burka-Bussen bezahlen will

27.11.2015, 09:2129.11.2015, 13:50
Kian Ramezani
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Rachid Nekkaz hat Geld. Viel Geld. Seit Frankreich 2011 die islamische Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verbot, begleicht der franko-algerische Unternehmer die anfallenden Bussen. Auch im Tessin, wo ein entsprechendes Gesetz diese Woche die letzte Hürde genommen hat, will der Millionär eingreifen. Demnächst wird er nach Lausanne und Lugano reisen, um die Gründe für sein aussergewöhnliches Engagement darzulegen. Im Interview verrät der 43-Jährige, wie enttäuscht er von der Schweiz ist.

Was ist Ihre Motivation, diese Burka-Bussen zu bezahlen?
Rachid Nekkaz: Erlauben Sie mir zunächst eine Präzisierung: In Europa kommt ausschliesslich der Nikab vor, die Burka hingegen gehört nach Afghanistan.

Einverstanden. Ihre Motivation?
Ich nahm es dem damaligen Präsidenten Sarkozy sehr übel, dass er die Angst vor dem Islam in Europa dafür missbrauchte, um Gesetze vorzuschlagen, welche die Grundrechte einschränken und die muslimischen Mitbürger stigmatisieren und diskriminieren. Ich teilte den französischen Abgeordneten mit: Wenn ihr dieses Gesetz verabschiedet, werde ich es auf der Strasse mit meinem Scheckbuch neutralisieren. Genau das werde ich auch in der Schweiz tun.

Bild
bild via youtube/Choufchouf Dz
Zur Person
Rachid Nekkaz (43) wurde in Frankreich als Sohn algerischer Einwanderer geboren. Er hält einen Abschluss in Philosophie von der Sorbonne und wurde mit einem Internet-Start-up vermögend. Inzwischen ist er im Immobilienbereich tätig. 2013 gab er seine französische Staatsbürgerschaft auf, um bei der algerischen Präsidentschaftswahl 2014 anzutreten. Er ist mit einer amerikanisch-französischen Doppelbürgerin verheiratet und Vater eines Kinds.

Was ist Ihre persönliche Sicht auf die Vollverschleierung?
Ich habe immer gesagt, dass ich gegen den Nikab in Europa bin. Das ist nicht die ideale Art sich zu integrieren und Arbeit zu finden. Aber ich halte es mit Voltaire: «Du bist anderer Meinung als ich und ich werde dein Recht darauf bis in den Tod verteidigen». Ich führe hier keinen religiösen Diskurs, es geht um die Wahrung von Grundrechten.

Rachid Nekkaz neben einer gebüssten Nikab-Trägerin.
Rachid Nekkaz neben einer gebüssten Nikab-Trägerin.
bild: afp

Wie viele Bussen haben Sie bislang bezahlt?
In Frankreich 1002, in Belgien 252 und in Holland zwei. Total belaufen sich die Kosten auf 220’000 Euro.

«Die Schweizer Banken horten seit 50 Jahren die Milliarden reicher Araber, ohne sich zu beklagen.»
Rachid Nekkaz

Das ist viel Geld.
Falls nötig, bin ich auch bereit, mehr bereitzustellen, um all jenen Ländern Europas eine Demokratie-Lektion zu erteilen, welche offenbar die Bedeutung der Freiheit und der Toleranz vergessen haben. Ich bin traurig, dass Länder wie die Schweiz, einst ein Symbol für die Freiheit und die Toleranz, heute in dieselbe Falle tappen und freiheits- und muslimfeindliche Gesetze beschliessen.

Bist du für ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit?

Im Unterschied zu Frankreich ist die Zahl der Burkaträgerinnen in der Schweiz verschwindend klein – oft handelt es sich zudem um Touristinnen aus Golfstaaten, die sich die Busse gewiss leisten können.
Ich habe gehört, dass einige Schweizer Parlamentarier deshalb die Bussen heraufsetzen wollen. Ich finde das unglaublich!

Können Sie die Ängste jener nicht nachvollziehen, die den Anblick vollverschleierter Frauen nicht gewohnt sind?
Frankreich hat Algerien während 130 Jahren kolonialisiert und bei dieser Gelegenheit Tausende vollverschleierte Frauen gesehen. Die Schweizer Banken horten seit 50 Jahren die Milliarden reicher Araber, ohne sich zu beklagen. Für mich zieht dieses Argument mit der Gewohnheit nicht. Nein, es sind verantwortungslose Politiker, die auf dem Rücken der Terroranschläge und der Angst vor dem Islam die Grundrechte einschränken. Das ist inakzeptabel und des toleranten Esprits Europas unwürdig.

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225 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Christian vG
27.11.2015 10:26registriert Oktober 2014
Was hat eine Niqab (Nikab bzw. Burka mit Grundrechten bzw. Religionsfreiheit zu tun? Rein gar nichts. Es steht nirgends im Koran, dass dies zu den religösen Pflichten einer muslimischen Frau gehört. Ich habe als Christ den Koran gelesen, weil ich es genau wissen wollte. Es ist lediglich eine kulturelle Angelegenheit. In der westlichen Kultur ist es Gang und Gäbe, dass man im Umgang mit Menschen sein Gesicht zeigt. Wenn ich in einem fremden Land bin passe ich mich aus Respekt auch an. Und laufe zum Beispiel nicht mit Schuhen in eine Mosche, sondern respektiere die Regel und ziehe die Schuhe aus
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Tatwort
27.11.2015 12:09registriert Mai 2015
Weshalb diskutiert hier eigentlich niemand mehr über Rachid Nekkaz? Ein "Traumpolitiker" - denn er bezahlt seinen Wählern - so er gewählt wird - 300 Euro. Ein Paradebeispiel dafür, dass Demokratie käuflich ist.
Und woher genau hat Rachid Nekkaz sein Geld? Welches Startup hat er gegründet?
In Europa, USA und Australien finde ich keine Firma, die ihm gehörte oder gehört. Er behauptet, die Firma sei in Bangalore gewesen. Hat Watson keine Freunde bei der "Times of India"? Fragt doch mal bei denen nach.... Dann hättet ihr ne Europa-exklusiv Story... und Nekkaz kurze Hosen an...
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Bowell
27.11.2015 10:52registriert Mai 2014
"Ich kauf mir die Welt, wie sie mir gefällt🎶"
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