Wer diesen Sommer beispielsweise eine Ausbildung zum Mauerer oder Gipser antritt, kann sich schon jetzt auf fünf handyfreie Tage pro Woche einstellen: «Da die Versuchung, SMS- und Whatsapp-Nachrichten während der Arbeitszeit zu beantworten, bei Jugendlichen am grössten ist, haben sich viele Betriebe entschlossen, die Smartphones ihrer Lehrlinge bei Arbeitsbeginn einzuziehen und die Geräte in der Baubaracke zwischenzulagern», sagt Matthias Engel, Sprecher des Schweizerischen Baumeisterverbands. Das ist neu, mache aber Sinn: «Hierbei geht es darum, den Jugendlichen die nicht immer einfache Umstellung von der Schulzeit auf die Berufswelt zu erleichtern.»
Die Digitalisierung verändert den Arbeitsalltag auf dem Bau, wobei Smartphone und Tablet immer wichtigere Arbeitsinstrumente werden. «Ihre Verwendung wird von den Baumeistern begrüsst und sogar gefördert», so Engel. Doch auf der Baustelle sind die Probleme gross, denn die meisten Handwerker beantworten während der Arbeit auch private SMS, telefonieren mit ihrem Handy oder surfen mehrmals kurz auf Facebook. Was früher die von den Chefs vielbeklagte Rauchpause war, ist heute die Handypause. Der Maurerberuf ist einer der wichtigsten im Baugewerbe. Rund 1200 Lehrverträge werden jährlich abgeschlossen.
Beim Baukonzern-Riesen Implenia will man künftig bei den Lehrlingen hart durchgreifen und Handys auf der Baustelle komplett verbieten, denn «auch wir stellen fest, dass das Mobiltelefon auf der Baustelle unter anderem für private Zwecke zum Einsatz kommt», sagt Sprecher Reto Aregger. «Implenia ist es wichtig, dass sich ihre Mitarbeitenden auf ihre Arbeit konzentrieren, insbesondere auf der Baustelle, wo es bei Unachtsamkeit gefährlich werden kann.»
Auch diverse andere Handwerksverbände diskutieren die Problematik, und auf Anfrage bei mehreren Grossbetrieben heisst es, selbst einige Mitarbeiter seien mittlerweile genervt, wenn vor allem die jüngeren Kollegen zu viel die Handy-Kopfhörer im Ohr hätten oder allgemein Zeit mit dem Smartphone verbrächten. Denn jede Unterbrechung lenkt ab und kostet zusätzliche Zeit, um sich wieder einzudenken. Manchmal sind es ein paar Sekunden, manchmal mehr.
Zum Beispiel wenn ein Mitarbeiter Material aus dem Auto holt und ein Teil vergisst, weil das Handy klingelt. Also muss er noch einmal los. Während alle anderen warten. Nebst der Konzentration leidet so auch die Sicherheit.
Der Schweizerischen Unfallversicherung Suva ist das Thema bekannt. Studien oder genaue Zahlen gäbe es dazu noch nicht und es wäre auch keine Sensibilisierungskampagne unterwegs, «aber jedes Jahr gibt es rund 100'000 Stolperunfälle auf Treppen. Sei es in der Freizeit oder bei der Arbeit», sagt Mediensprecher Serkan Isik. Das Unfallrisiko könne reduziert werden, wenn beim Treppensteigen konsequent auf Telefongespräche und SMS verzichtet werde. Für ein Handyverbot auf dem Bau spricht sich die Suva noch nicht aus, schlägt aber vor: «Einige Baubetriebe lassen die private Handynutzung nur während den Pausenzeiten zu. Für unsere Sicherheitsspezialisten ist dies eine gute und für alle verträgliche Lösung.»
Bei der Gewerkschaft Unia sieht man keine Handy-Probleme im Baugewerbe: «Wir teilen die Auffassung nicht, dass Bauarbeiter mehr als andere Arbeitnehmende Zeit am Handy verbrächten. Das entspricht nicht unseren Beobachtungen», sagt Pepo Hofstetter. Und er ist sicher, dass das Handy «grundsätzlich in den Pausen genutzt wird». Es dürfe nicht vergessen werden, dass das Handy auch ein Arbeitsinstrument sei, mit dem Aufträge empfangen werden. «Ein Handyverbot ist deshalb nicht angezeigt.»
Egal ob sich die Unia wehrt, die neuen Handyverbote sind rechtens: Nach Schweizer Arbeitsrecht ist die private Handy- oder Internetnutzung am Arbeitsplatz grundsätzlich eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. In Notfällen oder wegen nicht aufschiebbarer Dringlichkeit darf ein Arbeitnehmer sein Handy am Arbeitsplatz aber benutzen.