Benjamin Wittes ist Jurist am renommierten Thinktank Brookings Institution in Washington. Er ist auch Autor des Blogs Lawfare, der als Pflichtlektüre in der US-Politszene gilt. Wittes ist in den vergangenen Monaten dadurch aufgefallen, dass er in Tweets jeweils vorzeitig und akkurat auf neue Enthüllungen aus dem Weissen Haus aufmerksam gemacht hat.
Nun ist Wittes erneut in die Schlagzeilen geraten. Er fordert den Kongress auf, ein Impeachment gegen den Präsidenten einzuleiten. Spätestens seit der skandalösen Reinwaschung von Rassisten und Nationalisten nach den Vorfällen in Charlottesville sei dieser Schritt unumgänglich geworden, so Wittes.
Die US-Verfassung verlangt von den Abgeordneten und den Senatoren, dass sie darüber wachen, dass sich der Präsident so verhält, wie es sein Amt von ihm verlangt. Bei Trump ist dies offensichtlich nicht der Fall. «Sein moralisches Verhalten ist grotesk», so Wittes und zählt Trumps Verfehlungen auf: Er lüge, er werfe seinem Vorgänger Barack Obama frei erfundene Verbrechen vor, er verunglimpfe die Geheimdienste, er lasse mutwillig wichtige Stellen in der Verwaltung unbesetzt und seine Mitarbeiter würden ihn wie ein kleines Kind behandeln. «Die Parlamentarier müssen jetzt ihren Job machen», sagt daher Wittes.
Theoretisch kann der Präsident auch mittels des 25. Amendments abgesetzt werden. Dieser Verfassungszusatz sieht eine Amtsenthebung vor, wenn der Präsident körperlich oder mental nicht mehr in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen. Trump leidet jedoch nicht an Alzheimer, wie das etwa bei Ronald Reagan am Schluss der Fall war. Deshalb wäre dieser Weg politisch heikel. «Es wäre ein schlechter Dienst am medizinischen Berufsstand und der Demokratie, wenn ein politischer Entscheid auf diesem Niveau sich als klinische Einschätzung verkleiden würde», warnen die beiden Psychiater Peter Kramer und Sally Satel in der «New York Times».
Tatsächlich gibt es auch genügend politische Gründe für ein Impeachment. So ist über das Wochenende bekannt geworden, dass Trump erneut gelogen hat. Die «Washington Post» und die «New York Times» haben aufgedeckt, dass er noch im Frühjahr 2016 – zu einem Zeitpunkt, an dem er bereits fürs Präsidentenamt kandidiert hatte – einen Vorvertrag unterschrieben hatte für das Projekt eines Trump Towers in Moskau.
Dies steht im krassen Gegensatz zu Trumps Beteuerungen, wonach er keinerlei geschäftliche Beziehungen zu Russland unterhalte und auch kaum Russen kenne. Nun aber hat sein persönlicher Anwalt Michael Cohen eben diesen Sachverhalt bestätigt. Gleichzeitig wurde bekannt, dass als Zwischenhändler in diesem Deal ein gewisser Felix Sater aufgetreten ist, ein Mitglied der Russenmafia. Er hatte eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung abgesessen, durfte aber trotzdem als Trumps «Senior Adviser» auftreten.
Sater hatte Kontakt zu Dmitri Peskov, dem Sprecher und engen Freund von Wladimir Putin. In einem Mail an ihn hatte Sater geprahlt: «Unser Boy kann Präsident werden, und wir können das Verfahren leiten. Ich will, dass das gesamte Team von Putin an Bord ist und werde den Prozess managen.»
Auch für Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort wird die Luft immer dünner. Nachdem im Juli das FBI zu nächtlicher Stunde eine Hausdurchsuchung in seinem Haus in Washington durchgeführt hatte, haben nun auch sein Sprecher Jason Maloni und seine Anwältin Melissa Laurenza eine Vorladung von Sonderermittler Robert Mueller erhalten. Beides, die nächtliche Hausdurchsuchung und die Vorladungen, gilt als Indizien, dass sich die Schlinge um Manaforts Hals bedrohlich zuzieht.
Manafort kann nicht damit rechnen, dass Trump ihn im letzten Moment begnadigt. Die Begnadigung des umstrittenen Sheriffs Joe Arpaio hat bereits hohe Wellen geworfen und ist auch von führenden Republikanern verurteilt worden. Eine allfällige Begnadigung Manaforts oder von Michael Flynn, dem ehemaligen Sicherheitsberater, würde wahrscheinlich vom Kongress rückgängig gemacht werden.
Das skandalöse Verhalten Trumps zeigt immer mehr Wirkung selbst im Weissen Haus. Aussenminister Rex Tillerson hat am Sonntag auf Fox News erklärt, der Präsident vertrete nicht amerikanische, sondern seine eigenen Werte. Verteidigungsminister Jim Mattis weigert sich derweil schlicht, Trumps Weisung umzusetzen, Transsexuelle aus dem Militär auszuweisen. Anlässlich eines Truppenbesuches in Jordanien hat Mattis seine Soldaten angewiesen, die Stellung zu halten und sich nicht vom Chaos in Washington beeinflussen zu lassen.
Schliesslich legt sich Trump erneut mit den Spitzen der Republikanischen Partei an. Nach seinen Tweet-Attacken auf Mitch McConnell, Chef der Republikaner im Senat, zankt er sich wieder mit Paul Ryan, dem Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus. Angesichts der Tatsache, dass in den kommenden Wochen der Kongress das heikle Geschäft der Erhöhung der Schuldenobergrenze und einer Steuerreform in Angriff nehmen will, ist dies ein politisch gefährliches Manöver.
Impeachment oder nicht? Diese Frage teilt das politische Washington. Angesichts des immer schlimmer werdenden Chaos und den zu erwartenden Enthüllungen von Sonderermittler Mueller sei ein Amtsenthebungsverfahren eine Frage der Zeit geworden, erklären die einen. Der republikanisch dominierte Kongress werde niemals ein Impeachment zulassen, widersprechen die anderen. Die Zeit wird’s richten.