Eine starke letzte Saison, intelligente Transfers, ein guter Torhüter – man musste den EHC Biel dieses Jahr auf der Rechnung haben. Dennoch: Mit einem derart guten Start der Seeländer hätten wohl die Wenigsten gerechnet. Nach einem Fünftel der Qualifikation grüsst Rot-Gelb souverän von der Tabellenspitze. Die einzigen Niederlagen zog man gegen Fribourg und Zug ein.
Wird es im Seeland nun die ganze Saison so weitergehen? Vermutlich nicht. Wie schon gegen Ende der letzten Saison ist der PDO (Summe aus Fangquote des Torhüters und Schusseffizienz der Feldspieler) der Bieler hoch. Ab Werten über 100 agiert ein Team eher glücklich. Biels PDO liegt bei über 107. Ein Rückgang auf einen Wert näher bei 100 scheint im Verlauf der Saison wahrscheinlich. Das bedeutet, dass die Bieler vermutlich weniger Tore schiessen und mehr Tore kassieren werden.
Die eher hohe Schusseffizienz der Bieler überrascht grundsätzlich nicht. Das Team von Antti Törmänen gibt rund 48 Prozent seiner Schüsse aus Positionen im Slot direkt vor dem gegnerischen Tor ab. Es ist die grosse Stärke dieser Mannschaft und macht sie extrem gefährlich. Aber die Bieler Fans sollten nicht zu euphorisch werden: Im Moment läuft vieles über die ausländischen Stürmer Toni Rajala, Marc-Antoine Pouliot und Robbie Earl, die allesamt mehr als einen Punkt pro Spiel produzieren. Eine Pace, die keiner der drei je über eine ganze Saison durchgezogen hat.
Und die Frage sei erlaubt: Was wenn Torhüter Jonas Hiller und der überraschende Elien Paupe plötzlich eine Schwächephase einziehen?
Das andere Berner Team, das sich in einem Höhenflug befindet, sind die SCL Tigers (beim SCB ist man sich Top-Platzierungen gewohnt). Die Stürmer treffen, die Special Teams funktionieren und beide Torhüter sind in Top-Form. Die grösste Stärke der Tiger: Den Spielfluss des Gegners zu zerstören, das klassische «Ehlers-Hockey». Langnau lässt nur rund 25 Schüsse pro Spiel auf das eigene Tor zu. Das ist der beste Wert der Liga.
Doch auch die Fans der Tigers sollten nicht bereits die Playoffs planen: Damiano Ciaccio und Ivars Punnenovs spielen momentan über ihren Verhältnissen. Ihre gemeinsame Fangquote von 96,23 Prozent wird wohl eher früher als später einbrechen. Und auch der momentane offensive Shootingstar Raphael Kuonen wird seine Schusseffizienz von 26,09 Prozent nicht beibehalten können.
Die «letzte Chance» sollte es sein, der Wechsel zum HC Davos. Die Chance für Inti Pestoni, zu beweisen, dass er immer noch ein führender Skorer und Leader sein kann. Und das ist dem Tessiner gelungen. Er hat im Bündnerland seine offensiven Qualitäten wiedergefunden und ist momentan einer der wenigen Lichtblicke für die Debakel-geplagten Davoser Fans. Mit je fünf Toren und Assists ist er mit Abstand der beste Skorer seiner Mannschaft. Und wenn sich seine Mitspieler an ihm ein Vorbild nehmen, gibt es für Davos noch Hoffnung.
Hat Servette ein Torhüter-Problem? Nein, Servette hat ein Robert-Mayer-Problem. Der eigentliche Stammtorhüter der Genfer, der sich im Moment den Job mit dem 22-jährigen Gauthier Descloux teilt, kommt überhaupt nicht auf Touren. In fünf Einsätzen konnte Mayer nur einen Sieg feiern. Seine Fangquote liegt bei 88,11 Prozent – der tiefste Wert der gesamten Liga. Derweil hat Descloux fünf Siege auf dem Konto und eine Fangquote von 96,17 Prozent. Gut möglich, dass Mayer in diesem Duell auch langfristig das Nachsehen hat.
Im Frühjahr noch im Playoff-Final und den Titel nur knapp verpasst, nun der Sturz unter den Strich nach einem Fünftel der Qualifikation. Der Saisonstart ist dem HC Lugano gründlich misslungen, was in der ganzen Aufregung um Davos beinahe etwas vergessen geht. Woran hapert es im Sottoceneri?
Interessantes Bild für Lugano:
— Micha Hofer (@EuroCaps) October 13, 2018
Die ganze 5v5 Offensive läuft über den Linken Flügel/Linken Verteidiger. pic.twitter.com/m9TQDs311i
Ganz klar: an der Verteidigung. Die Offensive ist zwar auch noch nicht komplett nach Wunsch ins Rollen gekommen (Gregory Hofmann hat erst zwei Tore auf dem Konto, Luca Fazzini erst eines), doch die Problemzone der Bianconeri liegt weiter hinten. Das Team von Greg Ireland lässt in der ganzen Liga die meisten Schüsse (34,11 Schüsse pro Spiel) auf das eigene Tor zu – mehr als Davos, minim mehr als Rapperswil. Zu viele auf jeden Fall.
Nur weil man mit Elvis Merzlikins einen starken Torhüter zwischen den Pfosten hat, steht man nicht noch schlechter da. Taylor Chorney enttäuscht bislang, wie so viele ausländische Verteidiger bei Lugano in den letzten Jahren. Weil dieser auch noch in der ersten Powerplay-Formation ran darf (man hätte ja auch noch Romain Loeffel im Kader), ist auch das Überzahlspiel unterdurchschnittlich. Zuletzt gab es zwar wieder einen Sieg, doch das Tief der Luganesi dürfte noch anhalten.
Der HC Davos war das Gesprächsthema der ersten Meisterschaftsrunden. In zehn Spielen haben die Bündner 37 Tore kassiert. Ein klares Torhüterproblem, oder? Nicht zwangsläufig. Es gab zwar Spiele, in denen Anders Lindbäck auch nicht immer hervorragend ausgesehen hat. Doch das Problem bei Davos liegt – genau wie bei Lugano – beim Defensivspiel der Feldspieler.
Das Team von Arno Del Curto lässt seine Gegner zu einfach zum Abschluss kommen. Das Positionsspiel von Stürmern und Verteidigern stimmt oft noch überhaupt nicht. Zu oft werden Spieler alleine gelassen und können unbedrängt, direkt vor dem Goalie abschliessen. Erst in den letzten beiden Spielen (gegen Ambri und den ZSC) gelang es den Davosern vermehrt, den Gegner nach aussen oder nach hinten zu drängen.
Scheibenverluste im Spielaufbau sorgen zudem oft dafür, dass die Gegner der Bündner immer wieder mit Überzahlsituationen auf das Davoser Tor losziehen können. Dann ist meist auch der beste Torhüter machtlos.
Erfreulich, wie viele junge Spieler momentan mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen. Jérôme Bachofner (22) ist bei den ZSC Lions Topskorer und erhält gemeinsam mit Linienkollege Raphael Prassl (20) immer mehr Verantwortung.
Janis Jérôme Moser (18) hat sich beim EHC Biel in der Verteidigung innert kürzester Zeit etabliert. Der Youngster spielt mit einer unglaublichen Abgeklärtheit, als hätte er schon mehrere Jahre NL-Erfahrung auf dem Buckel. Vorne sorgen bei den Seeländern Damien Riat (21) und Dominik Diem (21) für Gefahr.
Bei Ambri sind Dominic Zwerger (22) und Dominik Kubalik (23) erneut die torgefährlichsten Spieler. Und in Langnau hat Flügel Stefan Rüegsegger (20) unlängst mit Skorerpunkten für Aufsehen gesorgt.
So gross die Euphorie letzte Saison mit Cupsieg und Aufstieg war, so gross ist nun die Ernüchterung am oberen Zürichsee. Zehn Spiele, neun Niederlagen und nur neun Tore erzielt. Damit ist klar, die grösste Baustelle bei den Rapperswilern liegt im Sturm. Gerade mal zwei Spieler (Dion Knelsen und Martin Ness) haben mehr als einen Treffer erzielt.
Der Lichtblick für die Lakers bleibt Melvin Nyffeler. Obwohl er von seinen Vorderleuten teilweise sträflich im Stich gelassen wird, hält er sie jeweils lange im Spiel. Ohne Nyffeler würden die Resultate wohl noch deutlicher gegen die Lakers ausfallen. Dennoch, mit dem schwachen Saisonstart ist auch die Euphorie in Rapperswil mehrheitlich verschwunden. Waren beim Heimauftakt gegen den ZSC noch 5000 Leute im Stadion, sind es fünf Runden später gegen Langnau noch knapp 3800 Fans.