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Mit der Geschichte «Kleider machen Leute» hat Zürichs ehemaliger erster Staatschreiber Gottfried Keller (1809 bis 1890) ein Stück Weltliteratur geschaffen. Die Geschichte handelt vom Schneidergesellen Wenzel Strapinski, der sich trotz Armut vornehm kleidet. Er gelangt in eine fremde Stadt namens Goldach und wird dort wegen seines Äußeren für einen polnischen Grafen gehalten, erobert das Herz einer reichen Frau und bringt es so zu grossem Reichtum und hohem Ansehen.
Die gleiche Wirkung wie Kleider in Gottfried Kellers Geschichte können Namen im Eishockey haben. Der Dichterfürst Goethe irrte, als er sagte, Namen seien bloss Schall und Rauch. Die Karriere von Heino wäre unter seinem bürgerlichen Namen Heinz Georg Kramm wohl kaum möglich gewesen. Gölä hätte es als Marco Pfeuti sicherlich schwerer gehabt und als Gerhard Hölerich wäre Roy Black kein Star geworden. Die Manager im Showbusiness wussten schon immer um die Wichtigkeit eines Namens.
Sie mögen denken, das habe doch alles mit Hockey nichts zu tun? Oh doch, gerade die Viertelfinals zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern zeigen, dass wir bei der Beurteilung von Leistungen durch Klang der Namen und von Herkunft beeinflusst werden.
Nehmen wir an, ZSC-Trainer Marc Crawford hiesse Markus Krähenbühl und wäre ein Schweizer, ZSC-Star Auston Matthews ein ZSC-Junior mit Schweizer Pass namens Anton Mathys und SCB-Trainer Lars Leuenberger ein Kanadier, der auf den Namen Larry Lionhill hört. Die Geschichte dieses Viertelfinals wäre bei den genau gleichen Leistungen, Vorkommnissen und Resultaten bisher ganz anders geschrieben worden.
Bei den ZSC Lions wäre die Polemik gegen Trainer Markus Krähenbühl und Jungstar Anton Mathys heftig. Es sei doch klar, dass ein Schweizer Trainer mit den vielen Stars der ZSC Lions einfach nicht klarkomme. Es sei schon erstaunlich, dass Sportchef Edgar Salis die Überforderung seines Trainers nicht schon längst bemerkt habe.
Bereits 2014 (gegen Lausanne) und 2015 (gegen Biel) sei die Mannschaft ja beinahe im Viertelfinale gescheitert. Und der Titel von 2014 im Finale gegen Kloten sei nun wirklich keine Heldentat gewesen. Bereits letzte Saison habe sich im Finale gegen den HCD wieder gezeigt, dass Markus Krähenbühl an der Bande einfach überfordert sei und das aktuelle Gejammer über die Schiedsrichter sei einfach amateurhaft. Grosse Mannschaften wie die ZSC Lions brauchen grosse Trainer – die Zürcher müssten längst einen NHL-General an die Bande holen.
Die «kanadaphilen» Experten würden vor allem Anton Mathys heftig kritisieren. Sein überragendes Talent würde wohl anerkannt und er gälte als das grösste Schweizer Talent seit Menschengedenken. Aber man sehe in den Playoffs einfach, dass er zu weich sei. Ein typischer Schweizer halt, dem die nötige Härte abgehe. Ja, wenn der in den kanadischen Junioren-Ligen gross geworden wäre – dann könnte er jetzt die Differenz machen.
In Bern würden selbst die jeder Polemik abholden Lokalmedien für eine Vertragsverlängerung des kanadischen Trainers Larry Lionhill trommeln. Viel zu spät sei der Operettentrainer Guido Bucher im Laufe der Saison gefeuert und durch den Kanadier ersetzt worden. Die Fortschritte des Teams unter Larry Lionhill seien sensationell. Er habe die Mannschaft nicht nur unter schwierigsten Voraussetzungen doch noch in die Playoffs geführt – nun sehe man in den Playoffs, was ein grosser Trainer bei einer grossen Mannschaft eben ausmache.
Er passe zum SCB wie einst Bill Gilligan. Der Boulevard hätte sicherlich den kleingewachsenen SCB-Trainer schon bildlich als Hockey-Napoléon dargestellt, womöglich in einer Montage mit dem berühmten Napoléon-Gemälde von Jacques-Louis David. Aber einen wilden Löwen statt ein aufbäumendes Pferd reitend. Larry Lionhill, die Hockeyversion des kleinwüchsigen korsischen Feldherrn.
Ja, wenn der ZSC-Treffer zum 2:2 nicht von Andreas Fischer, sondern von einem NHL-Gastschiri namens Andy Fisher annulliert worden wäre, dann würde von den Experten fabuliert, welch starke Persönlichkeit der Mann habe. Welcher Mut, in einem so wichtigen Spiel gnadenlos Recht vor Fingerspitzengefühl walten zu lassen – da sehe man einfach, dass die NHL-Schiedsrichter viel besser geschult und viel stärkere Persönlichkeiten seien als Schweizer Schiedsrichter.
Aber die Wirklichkeit ist eine andere. SCB-Trainer Lars Leuenberger traut immer noch niemand über den Weg und allgemein gilt: Er hat eigentlich keine Zukunft beim SCB. Auston Matthews wird als «Messi on Ice» tief verehrt und ZSC-Bandengeneral Marc Crawford geniesst allerhöchsten Respekt. Selbst stillose Schiedsrichterschelte wird ihm verziehen.
Die Kanadier sagen, Namen seien bloss auf dem Dress aufgenähte Buchstaben. Sie irren sich. Gottfried Keller hatte recht.