Wer Gruppenchats nutzt, sollte die Rechtslage kennen. Ein Jurist erklärt ...bild: shutterstock
Interview
Verbotene Bilder und Videos via Gruppenchat: Der Rechtsanwalt und Digital-Experte Martin Steiger erklärt, worauf Smartphone-User achten müssen.
11.11.2018, 16:3612.11.2018, 07:52
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In einem aktuellen Fall musste sich ein junger Mann aus dem Aargau vor Gericht verantworten. Bei einer Hausdurchsuchung war sein Handy sichergestellt und von Spezialisten der Polizei durchsucht worden. Es kam zu einer Anklage wegen Verbreitung von illegaler Pornografie ...
Ich habe den Rechtsanwalt Martin Steiger, Digital-Experte und spezialisiert auf Internet-Recht, gebeten, die wichtigsten Fragen zum Thema zu beantworten:
Kommt das häufiger vor?
Dazu der Rechtsanwalt:
«Leider kommt es immer wieder vor, dass in Instant Messaging- oder Social-Media-Gruppen verbotene Inhalte geteilt werden. Die meisten Strafverfahren werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei den Staatsanwaltschaften behandelt: Das Strafverfahren wird eingestellt, was einem Freispruch entspricht, oder es kommt zu einer Verurteilung mit einem Strafbefehl.»
Wer illegale Pornografie verbreitet, ist selbst dumm schuld, so viel ist klar. Aber wie ist das mit dem (ungewollten) Empfang? Mache ich mich bereits strafbar, sobald der Inhalt via Internet auf meinem Gerät, bzw. im Gruppenchat, gelandet ist?
Muss man als Empfänger mit juristischen Konsequenzen rechnen?
Dazu der Rechtsanwalt:
«Wenn man in einem Gruppenchat ein offensichtlich verbotenes Bild oder Video erhält und dieses unverzüglich löscht, hat man gute Aussichten, in einem Strafverfahren freigesprochen zu werden.»
Das gelte selbstverständlich nicht, wenn ein Gruppenchat in erster Linie dem Austausch von verbotener Pornografie diene oder wenn man gezielt nach verbotenen Inhalten suche.
«In der Schweiz wurde das Strafrecht in Bezug auf verbotene Pornografie vor einigen Jahren verschärft. Der Bundesrat betonte damals, dass nur der vorsätzliche Konsum bestraft werden solle. Man dachte vor allem an den Fall, dass beim Surfen im Web plötzlich Kinderpornografie auftaucht.»
Wie verhalte ich mich korrekt, wenn ich ein problematisches Video oder Foto erhalten habe?
Dazu der Rechtsanwalt:
«Ich empfehle, das Bild oder Video unverzüglich zu löschen. Ausserdem sollte man beim Absender deutlich protestieren und davon einen Screenshot – ohne sichtbares Bild oder Video! – erstellen. So kann man sich in einem allfälligen Strafverfahren besser verteidigen. Je nach Absender sollte man den weiteren Kontakt meiden.»
Gerade in grossen WhatsApp-Gruppenchats mit Personen, die man nicht sehr gut kennt, besteht ein Restrisiko. Da kann es passieren, dass man ein vermeintlich lustiges Video abspielt und ungewollt einen illegalen Inhalt konsumiert.
Wie sollen sich Smartphone-User schützen?
Viele WhatsApp-User dürften wissen, dass man das automatische Speichern von Videos/Bildern in den App-Einstellungen deaktivieren kann. Aber ist das nötig?
Dazu der Rechtsanwalt:
«Ich halte es nicht für erforderlich, das automatische Speichern zu deaktivieren. In erster Linie soll man keinen Kontakt mit Personen pflegen, die verbotene Inhalte versenden. Ausserdem sollte man sein Smartphone nie anderen Personen überlassen, auch wenn es sich um scheinbar gute Freunde handelt. Es gibt leider immer wieder den Fall, dass solche Freunde die Gelegenheit für ein Verhalten missbrauchen, das strafbar sein kann. So können auch Nachrichten ohne Bilder den Straftatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren erfüllen.»
Was Eltern wissen sollten
Es ist nicht lange her, da machte ich Bekanntschaft mit dem Jugenddienst der Kantonspolizei Zürich.
Zum Glück war das nur am Elternabend. Einem Informationsanlass über die Gefahren des Internets.
Die referierende Beamtin vermittelte den Vätern und Müttern unmissverständlich: Wer WhatsApp nutzt, steht mit einem Bein im Gerichtssaal.
Gut, so hat sie es natürlich nicht gesagt. Aber so kam es rüber. Dies bewiesen die verdutzt-betroffenen Blicke der versammelten Smartphone-User. Und dies zeigte sich auch in der anschliessenden Diskussions- und Fragerunde.
Meine Frage an Martin Steiger: Wie sollen sich Erziehungsberechtigte verhalten, wenn ihr Kind via WhatsApp und Co. problematische Bilder oder Videos erhält?
«Erziehungsberechtigte und andere Personen sollten mit dem Kind besprechen, wo die Problematik bei verbotenen Inhalten liegt. Je nach Kind geht es auch um den Umgang mit der eigenen Sexualität. Eltern sollten ein Kind erst einmal nicht bestrafen, aber klarmachen, zu welchen Auswirkungen ein Strafverfahren wegen verbotenen Inhalten führen kann. Ein Kind sollte sich in jedem Fall den Erziehungsberechtigten anvertrauen können.»
Für die Eltern habe ein solcher Fall grundsätzlich keine direkten rechtlichen Folgen, erklärt der Rechtsanwalt.
«Hingegen können Kinder in der Schweiz ab dem Alter von 10 Jahren strafrechtlich verfolgt werden. Ein solches Strafverfahren geht an Erziehungsberechtigten normalerweise nicht spurlos vorbei.»
Wie wir oben erfahren haben, werden die meisten Strafverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei den Staatsanwaltschaften behandelt. Bleibt die Frage:
Erhält man mit einem Strafbefehl auch einen Eintrag ins Strafregister?
Ja, bestätigt der Rechtsanwalt und präzisiert:
«Ein Urteil im Zusammenhang mit verbotenen Inhalten ist im privaten Strafregisterauszug ersichtlich. Bei einer bedingten Strafe, wie sie bei Ersttätern häufig möglich ist, erscheint ein Urteil nicht mehr, wenn sich die verurteilte Person während der Probezeit bewährt hat. Die Probezeit beträgt häufig zwei Jahre. Für Behörden ist ein solches Urteil wesentlich länger sichtbar. Auch wird bereits ein laufendes Strafverfahren im Strafregister eingetragen.»
Und wie ist das bei Jugendlichen?
«Bei Jugendlichen sind die Hürden für einen Strafregistereintrag höher, sodass auch bei einer Verurteilung wegen verbotenen Inhalten nicht immer ein Eintrag erfolgt.
Bei erwachsenen Personen, die als Jugendliche verurteilt wurden, gibt es ebenfalls Einschränkungen, was die Sichtbarkeit im privaten Strafregisterauszug betrifft.»
Das war's. Danke für die Aufmerksamkeit.
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