Der Abergläubige meint, sein Handeln habe direkten Einfluss auf Federers Spiel: «Immer wenn ich schaue, spielt er schlecht» – ein typischer Satz eines Aberglaubens-Beginners. Deshalb schliesst er bei entscheidenden Punkten gerne die Augen – oder er kontrolliert nochmals die Rechnungen von Mike Shiva.
Über solche Banalitäten kann der Aberglaubens-Profi nur lächeln. Er erkennt in JEDER seiner Handlungen eine Einflussnahme. Vernichtete er beim ersten verwerteten Satzball von Federer gerade ein Bier, wird er sich auch fürs Ende des zweiten Satzes in Stellung bringen – und beim dritten, und auch beim ersten Satzball des Gegners, denn vielleicht gewinnt Federer ja jedes Spiel, bei dem der Aberglaubens-Profi ein Bier vernichtet. Aufs Klo gehen kommt aber nicht in Frage – das könnte den Bann brechen. Manchmal muss man für den Sieg seines Lieblings Opfer bringen.
Der Tennisbanause zeichnet sich im besten Fall nur durch mangelndes Fachwissen aus. Schlimm sind aber diejenigen, die das Spiel nicht lesen können, es nicht fühlen, und trotzdem lautstark mitfiebern. Auch Gebrüll braucht Timing und ein Schrei zum falschen Zeitpunkt ist etwa so angebracht wie Mirkas Pulli im Halbfinale.
Er ist die ärmste Sau im Federer-Fan-Lager. Die Aufregung rund um den geliebten Star wird während den Spielen so gross, dass die Gesundheit leidet. Hurra Herzkasper. Während Roger die Fitze schwingt, verkriechen sich solche Fans in der Regel mit dem Hund in den Wald. Ohne Smartphone. Dass der Spaziergang dann aber doch am Bahnhof und am laufenden TV im Kiöskli vorbei führt, ist reiner Zufall.
Er fiebert mit, er leidet mit. Aber die wichtigsten Momente im Spiel verpasst er allesamt. Denn wenn's brenzlig wird, verzieht er sich in der Regel auf das WC. Er beugt damit zwar einem Herzkasper vor, ist aber beim Smalltalk nach dem Spiel das fünfte Rad am Wagen. Denn über den dritten Punkt im zweiten Satz spricht danach keine Sau. Da waren nämlich alle anderen auf dem WC.
Ab dem ersten Ballwechsel geht der Überemotionale mit, wie Murrays Mutter. Und das bereits in der ersten Runde gegen die Weltnummer 145. Scheidet Federer aus, heult er wie ein Schlosshund. Auch wenn's nur eine Exhibition war.
Im ersten Aufschlagspiel von Federer steht es 0:15 und der Schnödi bringt seinen Spruch: «Der ist durch. Aufhöööööööören!» Winner werden konsequent ignoriert, Fehlschläge dafür aber archiviert. Egal, wie überirdisch Roger spielt. Ihm ist es nie gut genug. Er motzt unablässig. Zufrieden gibt es nicht. Vor allem aber weiss er alles besser. «Hätte er doch Backhand gespielt» oder «Warum ging er nicht ans Netz?» sind Sätze, die er liebt. Oft steht er dazu auf und zeigt an, wie es Federer besser hätte machen sollen.
Die Inbrunst, mit der der Fedi-Schnödi sich den Mund zerreisst, ist mehr als nur verdächtig: Tief im Inneren liebt der Schnödi nämlich seinen Schützling. Genauso wie Trolle auch watson lieben.
Er versteht nicht, weshalb sich alle Schweizer so für Tennis interessieren. Denn er findet Tennis doof. Der Desinteressierte hofft, dass das ganze Tamtam möglichst rasch vorbei ist, damit er auf watson endlich wieder noch mehr wichtige Artikel zu Donald Trump (Nr. 345), zur MEI (Nr. 231) und zur USR III (Nr. 666) lesen kann.
Er ist deutsch und wahnsinnig gut integriert in der Schweiz. Der Überintegrierte kauft sich im Athleticum ein Hop-Schwiiz-Retro-Shirt und malt sich auf beide Backen Schweizerkreuze. Allein deshalb (und ja, schon auch wegen dem spitzen «Grützi») fällt der Überintegrierte an jedem Stammtisch auf. Was er eigentlich gar nicht will. Aber auch nicht merkt.
Er redet mit jeder und jedem über das anstehende Finale, über die grandiosen Spiele, die Federer bis ins Endspiel gebracht haben. Er redet auch über jeden Netzroller, obwohl er selber keinen gesehen hat. Der Party-Fan tut, als sei er schon immer ein grosser Federer-Fan gewesen. Am Samstag feiert er dann aber so ausgelassen («Wooooo! Woooooo!»), dass er am Sonntagmorgen das Spiel grandios verpennt.
Er ist Roger, seine Freundin nennt er Mirka: Seit Jahren wünscht er sich doppelte Zwillinge und seinen Trainings-Partner ruft er nur noch «Seve». Als Federer wegen Knieproblemen der Tour fern blieb, kam auch der Superfan nur noch mit Krücken und Künzli-Schuhen ins Büro. Jetzt ist aber wieder alles Roger.
Er ist wie der Superfan 1. Aber er geht noch einen Schritt weiter. Er sieht Roger eigentlich immer live. Seine Ferien richtet er nach Federer. Und heisst seine Freundin nicht Mirka, schafft sie es kaum in die zweite Runde.
Er liebt grosse Federer-Spiele und er zelebriert diese. Mit weissem Gedeck, feinem Essen und auserlesenen Weinen. Er bleibt eher ruhig vor dem TV. Denn er geniesst nicht nur das Spiel, sondern auch das Essen.
Der Verbundene ist überzeugt, dass es zwischen ihm und Federer eine tiefe Connection gibt. Ist Federer verletzt, ist die berufliche Karriere der Verbundenen ganz sicher auch in Gefahr. Hat der Verbundene Dünnpfiff vor einem Federer-Spiel, sinken die Chancen auf einen Sieg gegen null. Der Verbundene glaubt auch nicht, dass er die Situation mit einem Imodium beeinflussen kann. Federer und er, das ist eine lebenslange Schicksalsgemeinschaft.
Ja, die gibt es auch. Für die Federer-Hasser ist Roger der Inbegriff des bösen Kapitalismus. Verantwortlich für die ungerechte Verteilung der Gelder auf der Welt. Dass er ungleich viel mehr Geld verdient als sie selbst, damit könnten sie noch leben. Dass ihm aber niemand übel nimmt, dass er in einem steuergünstigen Ort wohnt, können sie nicht verstehen. Vor allem aber können sie nicht verstehen, warum es niemanden gibt, der Federer nicht mag, «diesen Langweiler».