Wie Facebook den Grossen half – und die Kleinen hängen liess
Das Wichtigste in Kürze
- Ein britischer Parlamentsausschuss hat am Mittwoch brisante interne Dokumente von Facebook veröffentlicht, die zuvor beschlagnahmt worden waren.
- Die vertraulichen Unterlagen, darunter E-Mails, geben Einblick in das Geschäftsgebaren von Facebook. Das wirft Fragen bezüglich Datenschutz-Vergehen und des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung auf.
- Aus den 250 PDF-Seiten geht hervor, dass Facebook in Betracht zog, von Dritten Geld zu verlangen für den Zugriff auf User-Daten. Das Unternehmen hat bislang behauptet, dass es dies niemals tun würde.
- Facebook machte es Android-Usern so schwer wie möglich, die weitreichenden Folgen eines App-Updates zu erkennen. Dabei ging es um das heimliche Auswerten von Gesprächsprotokollen und Kurznachrichten.
- In den Unterlagen, die sich auf die Jahre 2012 bis 2015 beziehen, ist von einem Whitelisting unter anderem von Netflix und Airbnb die Rede. Das heisst, Facebook erlaubte gewissen Firmen, User-Daten zu nutzen, und verweigerte dies anderen Unternehmen, um ihnen zu schaden.
- Konkurrenten wurde der Zugang zu wichtigen Facebook-Funktionen (API) gekappt, wie etwa der Video-App Vine die Freunde-Suche. Den folgenschweren Entscheid segnete Mark Zuckerberg 2013 persönlich ab. Drei Jahre später gab Twitter die Schliessung von Vine bekannt.
- Weiter zeigen die Unterlagen, wie Facebook den 2013 gekauften Smartphone-VPN-Dienst Onavo als Spyware einsetzte, um andere App-Anbieter auszuspionieren. Dank der auf vielen Mobilgeräten installierten Onavo-App erkannte Facebook frühzeitig die Bedrohung, die von WhatsApp ausging, und schluckte den Konkurrenten 2014.
Hier gibt's das 250-Seiten-PDF. Es enthält Screenshots des beschlagnahmten Materials, das von der Firma Six4Three stammt (siehe unten: Woher stammen die Dokumente).
Wer hat die Veröffentlichung veranlasst?
Der Ausschuss für Digitales, Kultur, Medien und Sport des britischen Parlaments, der unter dem Vorsitz des konservativen Politikers Damian Collins (44) steht.
Der Ausschuss hatte Mark Zuckerberg im Zuge des Datenskandals um Cambridge Analytica im März 2018 aufgefordert, persönlich zu erscheinen. Doch dieser weigerte sich.
Was soll mit der Veröffentlichung erreicht werden?
Der Digitalausschuss des britischen Parlaments will mit den Enthüllungen den Druck auf Facebook und dessen Chef erhöhen.
Collins versucht seit Monaten vergeblich, Zuckerberg für eine Anhörung nach London zu bekommen.
Der Ausschussvorsitzende twitterte gestern:
Und weiter:
Wie reagiert Facebook?
Am Tag vor der Veröffentlichung der vertraulichen Dokumente gab der US-Konzern – zunächst überraschend – eine Lockerung seiner Richtlinien für Software-Entwickler bekannt. Der Schritt entpuppte sich als PR in eigener Sache.
Über seinen Newsroom hat Facebook gestern Abend eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht und versucht darin, sämtliche Vorwürfe zu entkräften.
Dabei hält das Unternehmen an seiner Verteidigungsstrategie fest, wonach die nun veröffentlichten Unterlagen nicht die ganze Realität widerspiegelten. Die Dokumente seien selektiv durchgesickert, um einige, aber nicht alle der internen Diskussionen publik zu machen. Aber die Fakten seien klar:
Ebenfalls gestern Mittwoch veröffentlichte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auf seiner öffentlich zugänglichen Facebook-Seite eine Stellungnahme zur Veröffentlichung.
Facebook konzentriere sich seit Jahren darauf, missbräuchliche Apps zu verhindern, und das sei auch der Hauptzweck der grossen Plattformumstellung ab 2014 gewesen.
Diese Änderung habe dazu geführt, dass viele zweifelhafte Apps – wie die Quiz-App, die Daten an Cambridge Analytica verkaufte – nicht mehr bei Facebook laufen konnten.
Wie geht es weiter?
Das ist offen.
Woher stammen die Dokumente?
Die Unterlagen stammen vom App-Entwickler Six4Three, der in einen Rechtsstreit mit Facebook verwickelt ist. Sie wurden Ende November in London überraschend beschlagnahmt.
Six4Three hatte bei Facebook eine App mit dem Namen «Pikinis» angeboten, die automatisch nach öffentlich zugänglichen Fotos von Facebook-Nutzerinnen im Badeanzug suchte. Das funktionierte nur so lange, wie Facebook Apps Zugang zu Daten von Freunden eines Nutzers gewährte.
Diese Programmier-Schnittstelle (API) – die auch die Voraussetzung für den Datenskandal um Cambridge Analytica war – machte Facebook 2015 angeblich dicht. Six4Three wollte sich damit nicht abfinden und zog vor Gericht.
Die Dokumente seien in dem in den USA laufenden Verfahren unter Verschluss, hält Spiegel Online fest. Der Digitalausschuss des britischen Parlaments habe aber zumindest einen Teil davon in die Hände bekommen.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA
