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Wirtschaft

Das grosse Streitgespräch zur Fair-Food-Initiative.

Uneinig: Tierschützer Hansuli Huber (links) und Roger Wehrli von Economiesuisse.
Uneinig: Tierschützer Hansuli Huber (links) und Roger Wehrli von Economiesuisse.Bild: watson/cbe
Interview

«Unschweizerisch» oder «zukunftsweisend»? – Der grosse Streit um Fair-Food

Am 23. September stimmt die Schweiz über die Fair-Food-Initiative ab. Für Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz ist sie notwendig, um neue Lebensmittelskandale zu verhindern. Roger Wehrli von Economiesuisse befürchtet ein bürokratisches Monster.
13.09.2018, 10:1713.09.2018, 21:08
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Herr Wehrli, die Fair-Food-Initiative will Lebensmittel von guter Qualität, die umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt worden sind. Das tönt doch gut.
Roger Wehrli:
Richtig, das tönt erstmal gut. Wir sind auch nicht gegen das grundsätzliche Anliegen der Initiative, teilen es sogar. Unser Problem bei der Initiative ist die Umsetzbarkeit. Auch der Bundesrat sagt, dass sie sich kaum umsetzen lässt. Unsere Bedenken: Bei einem Ja entsteht ein riesiger Kontrollapparat, in der Schweiz steigen die Preise für Lebensmittel, die Auswahl wird kleiner – die Initiative bewirkt nicht, was sie zu wollen vorgibt.

Höhere Preise, weniger Auswahl: Am Ende müssen Familien mit geringem Budget bei den Lebensmitteln draufzahlen für die grüne Ideologie der Initianten, Herr Huber.
Hansuli Huber:
Die Initianten waren besonnen genug, auch an Leute mit tieferen Einkommen zu denken. Unser Anliegen ist ein qualitatives: Lebensmittel sollen für alle – egal ob reich oder arm – gesund, sicher und aus nachhaltiger und tierschutzkonformer Produktion stammen. Solche Produkte müssen nicht teurer sein.

Die Streitenden
Roger Wehrli lehnt die Initiative ab. Er ist stellvertretender Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung bei Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Hansuli Huber befürwortet die Initiative. Er ist Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz STS.

Die Nein-Kampagne behauptet aber genau das.
Huber:
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ein deutscher Pouletmäster bekommt zwei Franken pro Kilogramm geschlachtetes Poulet. Wenn sie zum Metzger nach Konstanz fahren, zahlen sie 8 Franken pro Kilo Pouletbrust. Wenn Sie zur Migros um die Ecke gehen, zahlen sie für das genau gleiche Poulet aus dem deutschen Mastbetrieb zwischen 16 und 20 Franken. Man rechne.

Was an dieser Rechnung spricht für ein Ja zur Initiative?
Huber:
Der Schweizer Detailhandel hat im europäischen Vergleich sehr hohe Margen. Klar, ein Teil der Preisdifferenz erklärt sich mit Schweizer Löhnen, Schweizer Mieten etc. Aber längst nicht die ganze Differenz. Bei einem Ja zur Initiative müssten sie auf einen Teil der Gewinnmarge beim Import verzichten, die Preise werden aber nicht steigen. Und wir Konsumenten profitieren, weil wir beim Import bessere Lebensmittel bekommen. Und ihre Herkunft wird transparenter deklariert sein.

«Die Initiative greift tatsächlich einen Trend auf. Und genau deshalb braucht es sie nicht.»
Roger Wehrli

Eine optimistische Sicht.
Huber:
Ich stütze mich hier auf Erfahrungswerte. Vor fünf Jahren prangerten wir vom Schweizer Tierschutz STS die Bedingungen in der Pouletmast im Ausland an. Rund 45 Prozent des hierzulande konsumierten Poulets wird importiert. Wir haben den Detailhandel dazu aufgefordert, nur noch Poulets zu importieren, welches gemäss Schweizer Tierschutzgesetzen produziert wird. Unsere Forderung stiess auf offene Ohren. Die grossen Detailhändler setzen seither beim Import von Frisch-Poulets auf tierschutzkonforme Haltung. Die Preise für den Konsumenten sind dadurch nicht gestiegen.

Damit wäre ihr Totschlagargument der steigenden Preise widerlegt, Herr Wehrli.
Wehrli:
Die Preisunterschiede beim Fleisch zwischen der Schweiz und dem Ausland sind in erster Linie auf die Zölle zurückzuführen. Die Margen der Händler unterscheiden sich nicht gross. Die Annahme, dass sich an den Preisen nichts ändern wird, ist naiv. Die Migros etwa hat ausgerechnet, dass ihr bei einem Ja zur Initiative 20 Prozent mehr Kosten entstehen, für die Kontrollen, für die Dokumentation, etc. Heute vertraut der Konsument auf private Labels wie etwa Max Havelaar.

Darum geht's bei Fair Food und Ernährungssicherheit

Video: watson/Lya Saxer

Und das ändert sich?
Wehrli:
In Absatz 2 der Initiative heisst es nun aber, «der Staat stellt sicher», dass importierte Lebensmittel den verlangten Anforderungen entsprechen. Damit greift er in diese Vertrauensbeziehung zwischen Konsumenten und Produzenten ein. Er muss vor Ort im Ausland kontrollieren, ob die Kontrollen des Max Havelaar-Labels dem Gesetz entsprechen. Das gibt es nicht gratis.

Labels liegen im Trend, Herr Wehrli. Immer mehr Leute wollen wissen, woher ihre Lebensmittel stammen. Die Initiative vollzieht nur, was sowieso schon passiert. Aber die Konsumenten hätten dann die staatlich garantierte Sicherheit, dass die Labels auch halten, was sie versprechen.
Wehrli:
Die Initiative greift tatsächlich einen Trend auf. Und genau deshalb braucht es sie nicht. Der Konsument kann sich heute schon mit Lebensmitteln aus nachhaltiger, tierschutzkonformer Produktion mit fairen Arbeitsbedingungen ernähren, wenn er das will. Wir sind gegen die Bevormundung und den Zwang, dass das jeder tun muss. Dank den Labels haben alle Konsumenten die nötigen Informationen. Ich kann mir dafür auch entsprechende Apps herunterladen, die mir Informationen zur Zusammensetzung und Herstellung liefern. Der Trend hin zu mehr Transparenz über die Herkunft von Lebensmitteln ist in vollem Gange. Er funktioniert auf privater Basis. Und das ist der richtige Weg.

Aufklärung statt Zwang – das müsste auch Ihnen einleuchten, Herr Huber.
Huber: 
Absolut, und das ist auch das tolle an dieser Initiative. Sie unterstützt einen Trend, der am Markt schon im Gange ist. Aber trotzdem muss der Staat hier helfend zur Seite stehen. Denn es gibt gerade bei den Labels leider auch viele Trittbrettfahrer, die viel gutes versprechen, aber wenig halten in der Realität. Konsumentenumfragen zeigen, dass die PR-Kampagnen des Detailhandels dazu geführt haben, dass die Herstellungsbedingungen massiv überschätzt werden.

Bild
Bild: watson/cbe

Weshalb?
Huber
: Sie schmücken sich mit ihren Wohltaten beim Tierschutz und verschweigen, dass Labelbedingungen nicht der Normalfall sind. Die Leute glauben, dass alle Nutztiere in der Schweiz Auslauf haben. Dabei stammen etwa beim Fleisch über 50 Prozent aus konventioneller, wenig tierfreundlicher  Haltung. Und deshalb braucht es den Staat, der im Label-Dschungel für Transparenz sorgt und das Trittbrettfahren verhindert.

An den Vorschriften für die konventionelle Landwirtschaft in der Schweiz ändert sich mit der Initiative nichts …
Wehrli:
Wenn ich Herrn Huber zuhöre, bin ich mir nicht so sicher, ob man durch die Hintertüre nicht auch die hiesigen Vorschriften verschärfen will.

Huber: Wir haben nicht die Absicht, mit Hilfe dieser Initiative die Schraube weiter anzuziehen. Es gibt genügend andere Möglichkeiten, die Schweizer Landwirtschaft ökologischer und tierfreundlicher zu gestalten. Die Initiative will einen Missstand beheben: Heute kann man Geld verdienen, indem man Produkte in die Schweiz importiert, die hier verboten wären – wegen qualvollen Tiertransporten, unzulässiger Massentierhaltung oder ähnlichem. Das ist störend.

«Mit der Fair-Food-Initiative würde man dem Bundesrat ein starkes Verhandlungsmandat in die Hand geben, um auf die Interessen der Nachhaltigkeit und des Tierschutzes zu pochen.»
Hansuli Huber

Wir reden jetzt immer von Tierhaltung und von Fleisch, aber die Initiative betrifft sämtliche Lebensmittelimporte. Die Nein-Kampagne warnt vor weniger Auswahl. Weshalb?
Wehrli:
Es ist ganz simpel: Nehmen wir einen Schoggistängeli-Produzenten im Ausland, der vielleicht 5 Prozent seiner Produktion in die Schweiz verkauft. Wenn er für den Schweizer Markt andere Voraussetzungen erfüllen muss als für seine anderen Absatzmärkte, wird er deswegen nicht seine ganze Produktion umstellen. Er wird sein Produkt einfach nicht mehr hierher verkaufen – so verringert sich für die Schweizer Konsumenten die Auswahl im Supermarkt.

Huber: Jeder Detailhändler trifft eine Vorauswahl für seine Konsumenten. Mit der Initiative würden hier einfach Kriterien der Nachhaltigkeit miteinfliessen. Es kann auch einen Overkill an Produkten geben. Ich muss nicht aus 50 verschiedenen Zahnbürsten auswählen können. Was gerne vergessen wird: Eine riesige Auswahl zu bieten, ist teuer. Da bezahlen wir als Konsumenten mit. Jene Detailhändler in der Schweiz, welche in den vergangenen Jahren das grösste Wachstum verzeichnen konnten, setzen bewusst auf eine kleinere Auswahl.

Wehrli: Wenn ihnen eine kleinere Auswahl mehr entspricht, dann können Sie in den Laden, der ihnen das bietet. Wenn Sie gern mehr Auswahl haben, gehen Sie in einen anderen. Aber der Konsument soll diese Entscheidung treffen, nicht der Staat.

Darum lehnt Roger Wehrli die Fair-Food-Initiative ab

Video: watson

Auch die Detailhändler mit kleinerer Auswahl lehnen die Initiative ab. Sie sehen darin keine Lösung, Herr Huber.
Huber:
 Natürlich schaut jedes Unternehmen zuerst für seine finanziellen Interessen und dass sie sich beim Kunden profilieren können. Wenn die Verfassung nachhaltigere Lebensmittel fordert, geraten automatisch die Margen der Importeure unter Druck. Und für Detaillisten, welche bezüglich ihrer Nachhaltigkeit fortschrittlich sind, fällt die Pionierrolle weg. Doch unter dem Strich werden langfristig alle vom Handel mit gesunden und sicheren Lebensmitteln profitieren. Das Geschäftsmodell der Konkurrenz, die auch noch das hinterletzte Billig-Poulet aus haarsträubenden Tierfabriken importiert, ist ein Auslaufmodell.

Wehrli: Herr Huber, Sie sagen es ja selber: Der Detailhandel – und auch andere Unternehmen – macht sich schon von sich aus Gedanken und bietet Produkte an, wie sie die Initiative fordert. Sie haben das auch bereits vor Lancierung der Initiative getan. Warum muss man jetzt denen noch einen staatlichen Kontrollapparat aufhalsen und Mehrkosten auferlegen, die letztlich der Konsument bezahlt.

Ein weiterer Streitpunkt im Abstimmungskampf ist der Freihandel. Grünen-Präsidentin Regula Rytz sagte in der NZZ, man wolle eine Umsetzung im Rahmen der bestehenden Verträge. Ein illusorischer Wunsch?
Wehrli:
Frau Rytz hat insofern recht, dass man im Rahmen von bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) Aspekte der Nachhaltigkeit aufnehmen kann. Wo es kein FHA gibt, gelten die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Diese verbieten, auf nicht nachhaltig angebauten Kartoffeln höhere Zölle zu verlangen als auf nachhaltig angebauten. In FHA kann man solche Aspekte hingegen einfliessen lassen.

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Bild: watson/cbe

Also ist die Fair-Food-Initiative mit dem Freihandel kompatibel?
Wehrli:
Nein. Das grösste Problem ist: 75 Prozent der Lebensmittelimporte stammen aus der EU. Mit ihr hat die Schweiz das Landwirtschaftsabkommen, das die Zölle regelt und die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Produkte vorschreibt. Hier würde die Initiative also schon mal nicht greifen. Es sei denn, sie wollen das Landwirtschaftsabkommen mit der EU neu verhandeln. Und Verhandlungen mit der EU sind momentan alles andere als einfach. Das wissen wir zur Genüge.

Man könnte beim Freihandel mit Nicht-EU-Staaten auf die Durchsetzung der Initiative pochen.
Wehrli:
Es wäre einfach ein weiteres Beispiel einer Initiative, die nicht umgesetzt wird, da die Umsetzung wie vorher gesagt nicht mit WTO Recht vereinbar ist. Der Bund müsste sicherstellen, dass importierte Lebensmittel den Anforderungen im Inland genügen. Das heisst für mich, dass alle anderen Lebensmittel nicht reingelassen werden. So hatten das die Initianten ursprünglich auch kommuniziert. Jetzt sind sie zurückgekrebst. Das heisst für mich: Der Initiativtext ist nicht umsetzbar und sollte deshalb auch nicht in die Verfassung geschrieben werden. Denn mit der vor einem Jahr angenommenen Initiative für Ernährungssicherheit ist der Bundesrat bereits heute dazu aufgefordert, beim Freihandel auf die Nachhaltigkeit zu achten.

Also Problem gelöst, Herr Huber.
Huber:
Nein. Bei diesen Verhandlungen, wie aktuell mit den Mercosur-Staaten, sind nachhaltige, tierschutzkonforme Lebensmittel immer nur eines von vielen Interessen. Häufig fallen sie total unter den Tisch. Etwa beim Freihandelsabkommen mit China. Mit der Fair-Food-Initiative würde man dem Bundesrat ein starkes Verhandlungsmandat in die Hand geben, um auf die Interessen der Nachhaltigkeit und des Tierschutzes zu pochen.

«Schauen Sie die grossen Lebensmittelskandale der letzten 10 Jahre an. Keine dieser Sauereien fand in der Schweiz statt, aber wir haben diese Produkte importiert. Das will die Initiative verhindern.»
Hansuli Huber

Also reicht die Initiative für Ernährungssicherheit doch nicht aus, Herr Wehrli?
Wehrli:
Im entsprechenden Artikel heisst es, der Bundesrat soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Handel zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt. Das ist Teil des Verhandlungsmandats. Aber dann setzt man sich an einen Tisch und sucht eine Einigung zwischen zwei gleichberechtigten Partnern. Genauso wie wir keine Freude daran hätten, wenn US-Beamte unsere Bauernhöfe kontrollieren würden, kann auch die Schweiz anderen Ländern nicht diktieren, was Umweltschutz ist. Die Fair-Food-Initiative verlangt aber genau das. Und würde damit zu massiven Problemen beim Freihandel führen.

Einmal mehr dreht sich die Debatte darum, wie die Initiative genau umgesetzt würde. Ist die Fair-Food-Initiative unklar formuliert, Herr Huber?
Huber:
Nein, der Initiativtext ist wohlüberlegt und sorgfältig formuliert. Die Initiative kann umgesetzt werden, gerade auch dank den vielen Möglichkeiten, welche sie der Privatwirtschaft zur Verfügung stellt. Dass nun Fragen kommen von betroffenen Firmen und von Konsumenten, ist völlig normal. Diese versuchen wir nun, im Abstimmungskampf zu beantworten. Das hat nichts mit unklarer Formulierung oder mit Zurückkrebsen zu tun.

Darum unterstützt Hansuli Huber die Fair-Food-Initiative

Video: watson

Eine Streitfrage bei der Umsetzung sind die Kontrollen. Entsteht hier ein wirtschaftsfeindlicher Bürokratieapparat, wie die Gegner warnen?
Huber:
Es ist überhaupt nicht die Idee, dass Schweizer Beamte in jede Fabrik oder Plantage ins Ausland reisen, aus denen Lebensmittel importiert werden. Hier gibt es schon bewährte Kooperationen. Kontrollen können an Private delegiert werden. Natürlich wird es mehr Kontrollen geben. Aber die Konsumenten profitieren davon! Schauen Sie die grossen Lebensmittelskandale der letzten 10 Jahre an. Keine dieser Sauereien fand in der Schweiz statt, aber wir haben diese Produkte importiert. Das will die Initiative verhindern.

Wehrli: Auch wenn die Kontrollen teilweise delegiert würden, müssten die Kontrolleure in  jedem Fall bezahlt werden: Entweder mit Steuergeldern oder vom Konsumenten. Sie fallen nicht nur bei Grossimporteuren mit bestehenden Kontrollinstrumenten an. Auch der kleine Balsamico-Produzent in Süditalien, der seine Produkte auf Schweizer Wochenmärkten verkauft, muss kontrolliert werden. Der Bundesrat kommt nicht ohne Grund zum Schluss, dass die Initiative kaum umsetzbar ist.

«Die Fair-Food-Initiative würde die gesamte Verantwortung dem Staat übergeben. Damit wird der Privatwirtschaft der Anreiz genommen, von sich aus etwas zu unternehmen.»
Roger Wehrli

Die Initiative will nur noch Lebensmittel importieren, die unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Wie wollen Sie das garantieren, Herr Huber?
Huber:
Bei diesem Punkt ist die Umsetzung sicherlich schwieriger zu erreichen und dürfte mehr Zeit in Anspruch nehmen als beim Tierschutz oder dem ressourcenschonenden Anbau. Es geht zunächst darum, dass die Importeure diejenigen Produkte identifizieren, bei denen die Arbeitsbedingungen – Stichwort Kinderarbeit – am problematischsten sind. Dazu gehören Kakao und Kaffee. Dort muss man dann entweder bei den Lieferanten eine glaubwürdige Verbesserung durchsetzen oder auf den Import verzichten.

Wehrli: Das ist doch exemplarisch für die ganze Initiative. Wir wissen beispielsweise, dass in Spanien oder Süditalien viele Erntehelfer schwarz angestellt sind. Auf dem Papier gehören diese beiden EU-Länder aber zu den Handelspartnern mit guten Arbeitsbedingungen. Das Problem ist dort, dass der Staat sich nicht durchsetzt. Wie soll die Schweiz dies ändern? Wir können nicht einem anderen Staat befehlen, was er zu machen hat. Die Fair-Food-Initiative liesse sich deshalb nur schon da kaum umsetzen. Wie soll das dann erst in Ländern möglich sein, die sich bezüglich Standards bei den Arbeitsbedingungen noch viel stärker von der Schweiz unterscheiden?

Wie stimmst Du bei der Fair-Food-Initiative?

Was ist Ihr Lösungsvorschlag?
Wehrli:
Auch hier sollte man auf die Bemühungen der Privatwirtschaft vertrauen: Die Schokoladenbranche etwa arbeitet bereits heute von sich aus mit NGOs zusammen, um sozialverträgliche Produktionsbedingungen und fairen Handel durchzusetzen.

Herr Huber, bei den Arbeitsbedingungen haben Sie selber eingeräumt, dass die Umsetzung schwierig wird. Geht es den Fair-Food-Initianten einmal mehr darum, per Volksentscheid «ein Zeichen zu setzen»?
Huber:
Ich bin ein Feind davon, Zeichen zu setzen. Das ist wie wenn Sie mit einer Lichterkette gegen etwas protestieren: Damit ändern Sie nichts am Grundübel. Die Fair-Food-Initiative ist viel konkreter. Die Schweiz wird in Zukunft noch mehr Lebensmittel importieren als heute. Die Initiative verlangt, dass wir bei der Herstellung dieser Lebensmittelimporten die Diskrepanz zu den Schweizer Standards schliessen. Sie erteilt sowohl der Wirtschaft als auch der Politik einen klaren Auftrag, wie das umzusetzen ist. Das ist keine Symbolpolitik, sondern eine zukunftsweisende Lösung.

Herr Wehrli, wie würden Sie die Initiative beschreiben?
Wehrli:
Es ist eine gefährliche Initiative. Denn sie würde einen Mentalitätswandel einleiten. Zu Beginn des Gesprächs hat Herr Huber beschrieben, wie er und seine Kollegen vom Schweizer Tierschutz gemeinsam mit den Detailhändlern für Verbesserungen beim Mastpoulet-Import gesorgt haben. Das ist der Schweizer Weg: Im Dialog gemeinsam nach pragmatischen Lösungen suchen. Die Fair-Food-Initiative möchte die gesamte Verantwortung dem Staat übergeben. Damit wird der Privatwirtschaft der Anreiz genommen, von sich aus etwas zu unternehmen. Die Initiative ist letztlich unschweizerisch.

Letzte Frage: Worauf achten Sie beim Einkaufen?
Wehrli:
Ich achte vor allem darauf, möglichst viele Produkte aus der Region zu kaufen und bei Früchten und Gemüsen achte ich auf die Saison.

Huber: Wir führen einen kleinen Bauernbetrieb (ohne Fleischproduktion), von dem her sind wir teilweise Selbstversorger. Ansonsten kaufen wir möglichst viele Bioprodukte ein. Den Grossteil der Einkäufe erledigen wir im Volg. Da gibt’s Bio-, Label- und vor allem regionale Produkte.

Mitarbeit: Peter Blunschi.

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31 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
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DieRoseInDerHose
13.09.2018 10:49registriert August 2016
Ja zu fairen Lebensmitteln, Nein zu Geiz-ist-geil.
8234
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Zum Kommentar
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Snowy
13.09.2018 10:27registriert April 2016
"...Wir sind auch nicht gegen das grundsätzliche Anliegen der Initiative, teilen es sogar."

Und was wäre ihrer Meinung nach die bessere Lösung, Herr Wehrli?

Ach so, sie haben keine bessere Lösung.

Keine weiteren Fragen.
8539
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Zum Kommentar
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KenGuru
13.09.2018 11:13registriert Januar 2015
Immer jammern aber selber kein Lösung auf den Tisch bringen - Typisch für die Wirtschaftsverbände. Wird wohl leider abgelehnt. Das Schweizer Stimmvolk kann man leider immer wieder mit Angst bändigen.
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