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Trump und Cassis verdrängen Flüchtlinge: Worüber die CH-Medien 2017 schrieben

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Die Suche nach dem neuen FDP-Bundesrat war ein regelrechtes Medienspektakel.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Trump und Cassis verdrängen Terror und Flüchtlinge: Worüber die CH-Medien 2017 schrieben

Nein, es kommt dir nicht nur so vor, als hätte Donald Trump die Berichterstattung dieses Jahr krass dominiert. Eine Auswertung der Universität Zürich zeigt: Nur etwas versetzte die Schweizer Redaktionen noch stärker in Aufregung.
29.12.2017, 06:5929.12.2017, 18:07
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Und plötzlich schwenkten die Scheinwerfer um: Hatten die Flüchtlingskrise und der Bürgerkrieg in Syrien vergangenes Jahr die Schlagzeilen geprägt, nahm das Interesse an den beiden Themen dieses Jahr drastisch ab. Die Berichterstattung dazu brach um fast die Hälfte ein, wie eine Auswertung des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Universität Zürich zeigt.

Die «Medienagenda 2017» analysiert, über welche Player und Themen die Schweizer Leitmedien dieses Jahr am intensivsten berichtet haben (siehe Box). Dass US-Präsident Donald Trump mit seinen Eskapaden weit oben auf dem Treppchen steht, vermag kaum zu überraschen. Dass es ein Thema gibt, das noch öfter in den Schlagzeilen war, schon eher.

Tatsächlich wurde dieses Jahr über nichts anderes so häufig geschrieben wie über die Präsidentschaftswahl in Frankreich: Der Showdown zwischen der rechtspopulististischen Marine Le Pen und dem europafreundlichen Emmanuel Macron hielt die Schweizer Medien in der ersten Jahreshälfte in Atem.

Über die Studie
Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Universität Zürich hat für die Medienagenda 2017 alle redaktionellen Beiträge von «Blick», «20 Minuten», «Tages-Anzeiger» und NZZ sowie der SRF-Sendungen «Tagesschau» und «Rendez-vous» ausgewertet. In der Westschweiz gehören «Le Temps«, «Le Matin» und die RTS-Sendung «Le Journal» dazu.

Gross war aber auch das Interesse am hiesigen Politbetrieb: Die Abstimmung über die Rentenreform schafft es auf den dritten Rang der wichtigsten Themen, die Ersatzwahl für Didier Burkhalter auf den vierten. Dabei setzte sich mit Ignazio Cassis übrigens jener Bundesratskandidat durch, der die grössten Medienresonanz genossen hatte.

Unter den Top-Themen rangieren auch die Abstimmungen über die Energiestrategie und die Unternehmenssteuerreform III. Selbst die No-Billag-Debatte schaffte es in die Top 20 des Jahres 2017 – obwohl der Urnengang erst im kommenden März ansteht. «Diese frühe, hohe Aufmerksamkeit ist aussergewöhnlich», schreiben die Studienautoren.

Die Top-20-Themen im Überblick

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Medienagenda 2017 – die Top-20-Themen
Rang 20: Die Debatte über die No-Billag-Initiative begann ungewöhnlich früh – und schaffte es so bereits im Jahr vor der Abstimmung auf die Liste der meistbeachteten Themen.
quelle: keystone / marcel bieri
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Massiv an Gewicht verloren hat derweil, neben den Flüchtlingen und dem syrischen Bürgerkrieg, auch die Islamismus-Debatte. Der «IS»-Konflikt büsste sechs Plätze ein und rangiert jetzt noch auf Platz 17. Die Diskussion über Islamismus in der Schweiz verschwand gar ganz aus der Liste der wichtigsten 20 Themen.

Terror – sind wir abgestumpft?

Auch Terroranschläge prägten die mediale Berichterstattung dieses Jahr weniger als in den beiden vergangenen Jahren – obwohl Europa auch 2017 nicht von solchen Attacken verschont blieb. Zu nennen wären etwa die Anschläge in Barcelona, Manchester und London, aber auch der Amoklauf an einem Musikfestival in Las Vegas mit 58 Toten und über 500 Verletzten.

«Man könnte sagen, es hat eine Normalisierung stattgefunden – oder: die Leute sind ein Stück weit abgestumpft.»
Dominik Unternährer, wissenschaftlicher Mitarbeiter FÖG

«Über diese Anschläge wurde für kurze Zeit jeweils intensiv berichtet – allerdings lösten sie nicht mehr die ganz grossen Grundsatz-Debatten aus», sagt Dominik Unternährer, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter des FÖG für die Studie verantwortlich ist. «Man könnte sagen, es hat eine Normalisierung stattgefunden – oder: die Leute sind ein Stück weit abgestumpft.»

Es entspreche der normalen Medienlogik, dass der Nachrichtenwert abnimmt, wenn zum wiederholten Mal ein ähnliches Ereignis stattfindet. «In den Medien kämpfen verschiedene Akteure um Resonanz. Da ist es zwangsläufig so, dass sich die Prioritäten verschieben.»

«Die seit Jahren andauernden, gewaltsamen Konflikte in Somalia, Nigeria und Südsudan beispielsweise erhalten hierzulande kaum Beachtung.»
Medienagenda 2017

Dass die Berichterstattung einer selektiven Logik folgt, zeigt sich etwa auch in der Kategorie Kriege und Konflikte: «Die seit Jahren andauernden, gewaltsamen Konflikte in Somalia, Nigeria und Südsudan beispielsweise erhalten hierzulande kaum Beachtung», heisst es im Bericht zur Medienagenda 2017. Der Fokus liege eher auf dem Nahen Osten oder Nordkorea. 

Digitalisierung, #MeToo und Bitcoin als Debatten-Trends

Abseits dieser Ereignisse identifizierten die Forscher des FÖG auch übergeordnete gesellschaftliche Debatten, die dieses Jahr trendeten. Am stärksten an Beachtung gewonnen hat demnach die Digitalisierung. Machten sich Journalisten und Politiker schon seit einiger Zeit vermehrt Gedanken dazu, verhalf der erste «Schweizer Digitaltag» dem Schlagwort definitiv zum medialen Höhenflug. Drei Bundesräten und viel Brimborium sei Dank, wie unser Redaktor Peter Blunschi nach der «PR-Show» analysierte:

Gleich hinter der Digitalisierung folgen Debatten zu Gender- und Gleichstellungsthemen, die mit dem Weinstein-Skandal und dem Hashtag #MeToo kräftig an Schub gewonnen haben. Und schliesslich war 2017 auch das Jahr, in dem die Bitcoins ihrem Schattendasein entfliehen konnten. Dank einer breiten Berichterstattung – die Debatte rangiert auf Rang drei der gesellschaftlichen Trends – weiss bald jedes Kind über Kryptowährungen Bescheid.

Du hast die Diskussion verschlafen? Hier beantwortet watson-Redaktor Patrick Toggweiler die wichtigsten Fragen dazu:

Wenn Superhelden texten ...

Video: watson/Sandro Zappella, Emily Engkent

Augenblicke – Bilder aus aller Welt

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Augenblicke – Bilder aus aller Welt
Zoo Berlin: Panda Weibchen Meng-Meng mit einem ihrer gerade geborenen Babies am 2. September 2019.
quelle: epa / zoo berlin handout
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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Delos
29.12.2017 07:58registriert August 2016
Hätte man noch die Beiträge von watson in die Studie miteinbezogen, wäre Trump mit grösster Sicherheit zu oberst auf dem Treppchen.
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Thinktank
29.12.2017 09:13registriert Oktober 2016
Es ist ja nicht so, dass diejenigen Themen über die die Medien berichten auch diejenigen sind, die die Menschen interessiert. Nur ein kleiner Teil der Informationen sind bedeutend, der Rest sind Manipulationsversuche, um die Ideologie des entsprechenden Medienunternehmens oder deren Lobbyisten. Seit Jahren verschwendet das SRF täglich Gelder für Berichte, Reporter,Vorortbesuche und Sendezeit im nahen Osten, Israel etc. was niemanden interessiert.
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