Die watson-Userin «rhabarber» schickte uns einen kurzen Text. Er regt zum Denken an. Deshalb möchten wir ihn dir nicht vorenthalten.
Wenn früher – also bis vor etwa 20 Jahren – ein Kind geboren wurde, pflanzten die Eltern oft einen Baum. Diesen Baum zeigte man dem Kind und es konnte sich Jahr um Jahr über das gemeinsame Wachsen freuen.
Wenn dann nach vielen Jahrzehnten aus dem Kind schliesslich eine Greisin oder ein Greis wurde der die Welt bald wieder verlassen würde, fand der so gealterte Mensch oft Trost darin, dass der mit ihm gewachsene Baum, sein Lebensbaum, noch viele Jahre überdauern würde.
Der Baum war Symbol dafür, dass der Mensch selbst auch nur ein Aspekt der vielfältigen Natur ist. Der Baum stand für gemeinsames Wachstum, Gesundheit, Fruchtbarkeit und vieles mehr. Aber vor allem verbreitete er Freude. Dem Menschen, dem zu Ehren er einst gepflanzt wurde, und vielen anderen, die an ihm vorbei spazierten oder ihn sonst zu sehen bekamen. Womöglich war er sogar ein Obstbaum, von dem mehrere Generationen die Früchte geniessen konnten.
Wenn heute ein Kind geboren wird, dann wird ein Baum gefällt. Man trennt den Baum von seinen Wurzeln in der Natur, schleppt ihn in die asphaltierte Menschenwelt und stellt ihn dort unter Zuhilfenahme metallener Stützen vor dem Haus des Neugeborenen auf. Ein buntes Schild wird an den Stamm genagelt, auf dem der Name des Kindes steht. Und man hängt allerlei Spielzeug in die Äste, das man zuvor im Supermarkt gekauft hat. Das meiste, oder nein, eigentlich alles ist aus Plastik.
So steht dann also der aus der Natur gerissene, gefällte Baum vor dem Haus des Kindes und man kann zusehen, wie er langsam zerfällt und stirbt. Nach und nach fallen die Spielzeuge aus seinen Ästen, weil diese morsch abbrechen oder gar wegfaulen. Die Lebenskraft des Baumes wird stumpf und tot und verliert sich – je nach Baumart – nach einigen Wochen bis spätestens wenigen Jahren komplett.
Sollte das Kind den Baum, mit dem seine Geburt gefeiert wurde, noch bewusst erleben, dann sieht es kein Wachstum, geschweige denn Gesundheit oder Fruchtbarkeit. Nur Tod und Zerstörung, versteckt hinter giftigen aber bunten Plastikspielsachen.
Anstatt die Natur zu ehren und unterstützen, aus der wir alle stammen, wird sie ausgebeutet und zerstört. Zeitgemäss wird stattdessen mit dem Spielzeug den Götzen des Geldes in den «Kaufhaus» und «Supermarkt» genannten Tempeln der Moderne gehuldigt.
Falls man kein eigenes Grundstück hat, auf dem das machbar ist, gibt es Gemeinden und Gärtnereien, die das anbieten. So muss der Baum auch nicht nach ein paar Jahren gefällt werden.