Während der Frühjahrssession der eidgenössischen Räte lädt die CVP jeweils zum Medienapéro. Im lockeren Rahmen können Journalistinnen und Journalisten den zwanglosen Austausch mit Mitgliedern der CVP-Fraktion pflegen. Am Mittwoch war es wieder so weit. Die Stimmung war gut wie immer, obwohl die Partei am Wochenende zuvor ein Wechselbad der Gefühle erlebt hatte.
Bei der No-Billag-Abstimmung gehörte sie zu den Siegern. Sie hatte sich aktiv gegen die Initiative engagiert, während die FDP weitgehend unsichtbar blieb. Bei den Wahlen in Kantonen und Gemeinden aber erlitt die CVP einmal mehr bittere Niederlagen. In Zürich flog sie aus dem Stadt- und dem Gemeinderat. In den Halbkantonen Nid- und Obwalden verlor sie insgesamt vier Parlamentssitze.
Der anhaltende Niedergang in diesen klassischen Stammlanden schmerzt besonders. Allein in Obwalden büsste die CVP drei Sitze im Kantonsrat ein, was durch den Sitzgewinn ihrer «Schwesterpartei» CSP nur bedingt kompensiert werden konnte. Und im Regierungsrat muss sie befürchten, eines ihrer bislang zwei Mandate im zweiten Wahlgang zu verlieren.
Nach den erneuten Wahlpleiten musste sich einmal mehr Parteichef Gerhard Pfister in den Medien rechtfertigen. Der Zuger Nationalrat hatte sein Amt vor zwei Jahren mit dem erklärten Ziel angetreten, die Trendwende zu schaffen. «Wo bleibt der Pfister-Effekt?», fragte der «Blick». Der Turnaround für eine Partei, die seit Jahren nicht vorwärts komme, brauche Zeit, erwiderte der Angesprochene.
Tatsächlich haftet der Partei ein Verlierer-Image an. Ihr Niedergang ist seit Jahrzehnten im Gang. Auf nationaler Ebene nähert sie sich langsam, aber stetig dem einstelligen Prozentbereich. Eine Wende zum Besseren lässt sich nicht von heute auf morgen herbeizaubern. Und doch gibt es Gründe zur Hoffnung. Dafür aber muss die CVP einige Schwachpunkte eliminieren.
Das Gute daran ist, dass die Partei das Problem erkannt hat, wie den Gesprächen am Medienapéro zur entnehmen war. Hier deshalb ein Vorschlag für einen 7-Punkte-Plan zum Wiederaufstieg der CVP, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Gerade in den Stammlanden agiert die CVP häufig mit dem Selbstverständnis einer quasi von Gott gegebenen Vorherrschaft. Doch die Zeiten, in denen Katholiken fast automatisch die CVP wählten, sind vorbei. Auch in den «schwarzen» Regionen der Schweiz muss die CVP um ihre Wählerschaft kämpfen. Diese Erkenntnis hat sich in manchen Kantonen zu wenig verbreitet.
Wie es geht, hat die CVP in Gerhard Pfisters Heimatkanton Zug vorgemacht. Dort lag sie vor 20 Jahren ebenfalls am Boden. Die Trendwende schaffte sie, indem sie sich modernisierte und gleichzeitig einen wertkonservativen Kurs einschlug. Damit konnte die CVP Zug entgegen dem nationalen Trend ihren Wähleranteil steigern und ihre Führungsrolle im Kanton verteidigen.
Die CVP gilt als Partei der guten Köpfe. Bei Majorzwahlen ist sie meistens erfolgreicher als bei Proporzwahlen. Was nicht heisst, dass sie nicht noch besser werden kann. In Zürich etwa setzte sie mit Stadtratskandidat Markus Hungerbühler auf das falsche Pferd. Er hatte die im christlichsozialen Arbeitermilieu verwurzelte CVP in die Arme von FDP und SVP geführt.
In der internen Ausmarchung setzte sich Hungerbühler gegen Nicole Barandun durch. Sie politisiert als Präsidentin des städtischen Gewerbeverbands auch auf dem rechten Flügel, dennoch sind viele überzeugt, dass die CVP mit ihr den Stadtratssitz und auch die Vertretung im Gemeinderat verteidigt hätte. Mehr Frauen wären überhaupt ein gutes Rezept für die CVP.
Hier hat die CVP seit Jahren grossen Nachholbedarf. Juso, Junge SVP, Jungfreisinnige und auch die Junge GLP sorgen immer wieder für Wirbel. Von der Jungen CVP hört man wenig. Hier muss die Partei einen Zacken zulegen. Vereinzelte Nachwuchskräfte mit Potenzial sind vorhanden, etwa Laura Curau, nationale Kampagnenleiterin und selbst ernannter Wirbelwind.
Wie man mit den Jungen Erfolg haben kann, hat die CVP am Sonntag in Obwalden selbst erlebt, genauer im Klosterdorf Engelberg. Dort ging sie eine Listenverbindung mit der Generation Engelberg ein, die vor allem auf jüngere Wählerinnen und Wähler zielte. Prompt konnte sie entgegen dem Trend im Halbkanton einen zusätzlichen Sitz erobern, den sie der FDP abjagte.
In der CVP ist nach dem Prinzip der Ochsentour organisiert. Man arbeitet sich sukzessive auf der Parteileiter nach oben. Das ist verdienstvoll, doch um bei der Wählerschaft zu punkten, sollte sie vermehrt auf prominente Quereinsteiger setzten. Andere haben es vorgemacht, mit Namen wie Roger Köppel, Filippo Leutenegger oder Tim Guldimann.
Die CVP hat damit selber schon gute Erfahrungen gemacht. Bei den Regierungsratswahlen 2015 im Kanton Zürich trat sie mit Silvia Steiner an, die als frühere Chefin der Kriminalpolizei und Staatsanwältin zuvor kein politisches Amt bekleidet hatte. Das Wagnis lohnte sich, Steiner konnte den Sitz in der Kantonsregierung zurückerobern, den die CVP vier Jahre zuvor verloren hatte.
Die FDP hat im Gegensatz zur CVP den Turnaround geschafft. Sie hat heute wieder ein Winner-Image. Dies verdanke sie nicht zuletzt ihrer Professionalität, attestiert man ihr in der CVP. Das betrifft weniger Marketing und Kommunikation, sondern das Organisatorische. Die Freisinnigen planen ihre (Wahl-)Kampagnen sehr professionell.
Bei der CVP dagegen ist manches handgestrickt. Das betrifft zum Beispiel die Wahllisten. Die Partei schafft es nicht immer, sie vollständig mit Namen zu füllen. Wenn Linien leer bleiben, besteht für die Wählerinnen und Wähler jedoch ein Anreiz, Kandidierende aus anderen Parteien einzutragen. Das schwächt die Listenstimme und auch die Partei.
Die Luzerner Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger hat in einem Beitrag für das Magazin «Schweizer Monat» ein Plädoyer für eine mutigere Schweiz gehalten. Man musste bei der Lektüre unweigerlich schmunzeln, stammte es doch ausgerechnet von der Vertreterin einer Partei, die die Inkarnation der mittleren Unzufriedenheit und des braven Kompromisses darstellt.
Dabei ist Gmürs Text gescheit. Man sollte ihn ihrer Partei ans Herz legen, dann begeht sie vielleicht weniger Dummheiten wie die CVP-Männer letzte Woche im Ständerat, als sie eine schon arg verwässerte Vorlage zur Lohngleichheit an die Kommission zurückschickten und dabei auch ihre Parteikolleginnen brüskierten. Das war nicht mutig, sondern feige.
Doris Leuthard hat ihre Meriten. Ihr Erfolgsausweis als Bundesrätin ist beeindruckend. Aber sie besetzt den einzigen Sitz ihrer Partei in der Landesregierung seit bald zwölf Jahren. Eine «Blutauffrischung» würde der CVP guttun. Immerhin hat die Aargauerin ihren Rücktritt in Aussicht gestellt. Wartet sie bis Ende Jahr, könnte das der Partei Schwung für die Wahlen 2019 verleihen.
In einem Punkt kann die CVP beruhigt sein. Ihr Bundesratssitz ist trotz der anhaltenden Talfahrt bei Wahlen nicht in Frage gestellt. Als Mehrheitsbeschafferin ist sie für links und rechts unentbehrlich. Das gilt besonders für den Ständerat, wo sie überdurchschnittlich stark vertreten ist und wo ohne die CVP gar nichts geht.
Man könnte weitere Punkte erwähnen, etwa die ewige Frage, ob das «C» noch zeitgemäss ist. Es gibt aber auch gute Gründe, am etablierten Label CVP festzuhalten. Zulegen könnte die Partei kommunikativ, denn bei Abstimmungen ist die CVP eine Siegerpartei, obwohl sie letztes Jahr bei zwei wichtigen Vorlagen (USR III, Altersvorsorge) nicht reüssierte.
Keine Partei im Bundeshaus vertritt ein so breites Bevölkerungsspektrum wie die CVP. Gleichzeitig tritt die Fraktion so geschlossen auf wie nie zuvor. Ihre Rolle als Brückenbauerin in der Mitte ist in Zeiten der Polarisierung wichtiger denn je. Das gilt etwa für den Neustart bei der Altersvorsorge. «Die Schlüsselrolle bei der nächsten AHV-Reform liegt bei der CVP», schrieb die NZZ. Im Interesse der Schweiz wünscht man der CVP, dass der Turnaround gelingt.