61 Minuten lang verhielt sich Brutus ruhig im Publikum. Dann zückte er den Dolch. Und rammte ihn mit voller Kraft in Walter Wobmanns ungeschützte Flanke.
«Wir sind so viele Leute auf der Welt und in der Schweiz, wir brauchen gewisse Regeln. Es geht im Verkehr nicht ohne, es geht in der Schule nicht ohne, es geht zuhause nicht ohne. Sie glauben ja wohl nicht, man kann den Staat immer aussen vor lassen.»
Brutus heisst mit richtigem Namen Christian Müller, ist von Beruf Land- und Energiewirt – und wählt SVP. Und die Standpauke, die er Walter Wobmann hielt, hatte es in sich.
«In ein paar Wochen, wenn die nächste Unternehmenssteuerreform zur Debatte steht, dann schreien Sie wieder nach dem Staat, aber beim Thema Klimaerwärmung nicht. Das ist ein bisschen inkonsequent.»
Wobmann, zwar nicht ein Klimaleugner, aber doch ein Klimaskeptiker («das Klima hat sich schon immer erwärmt, unabhängig vom Menschen»), hatte den ganzen Abend darzulegen versucht, warum sich der Staat beim Thema Klimaerwärmung heraushalten sollte («immer diese Verbote, immer diese Planwirtschaft à la DDR») und dann kommt einer aus den eigenen Reihen und bezichtigt ihn und seine Partei, mit gezinkten Karten zu spielen.
Das Sendeprogramm versprach eine «heisse Klima-Debatte», aber was da am Leutschenbach serviert wurde, machte über weite Strecken den Anschein eines lauwarmen Tee-Kränzchens, und das lag noch nicht einmal an den vielen müden Wortspielen von Aushilfsmoderator Mario Grossniklaus, der beständig den «CO2-Gürtel enger schnallen» und «Frischluft in die stickige Debatte» bringen wollte, um dann «auf die CO2-Bremse» zu treten, weil sonst «die Temperatur steigt». Es lag vielmehr daran, dass sich in der Sache alle einig waren: Das Klima erwärmt sich. Man muss etwas dagegen tun.
Einigkeit macht stark, sagt das Sprichwort. Aber offenbar auch ein bisschen langweilig.
Zum Glück war dann noch Walter Wobmann. Der Präsident der Föderation der Motorradfahrer der Schweiz war nicht nur aus politischen, sondern auch aus geografischen Gründen ein Fremdkörper in dieser Runde. Die Studiogäste Regula Rytz (Grüne), Werner Luginbühl (BDP) und Christian Wasserfallen (FDP) stammen alle aus Bern. Klima-Forscher und Expertengast Thomas Stocker lehrt an der Universität Bern. Und auch Moderator Grossniklaus ist Berner. Wobmann, gebürtiger Entlebucher, war so etwas wie der Lozärner Rollkuchen auf der Berner Platte.
Zur Rekapitulation: Eine Woche nachdem Trump den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet hatte, segnete der Ständerat in der Schweiz das Übereinkommen ab. Die Ziele, die die kleine Kammer formulierte, sind ambitioniert: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoss im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent gesenkt werden. Das soll vor allem mittels einer Erhöhung der CO2-Abgabe bewerkstelligt werden.
Ein ambitioniertes Ziel, wie Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, zugab. Aber ein erreichbares, und vor allem: ein alternativloses. «Es muss sein, damit die zukünftige Generation nicht noch mehr leisten muss.»
Die zukünftige Generation sass in Gestalt von einem halben Dutzend Gymnasiastinnen und zwei angehenden Lastwagenspediteuren im Publikum. Und diese machten deutlich, dass die Klimaerwärmung ein Thema ist auf dem Pausenplatz und auf der Raststätte. Ja, man spreche darüber. Und ja, man versuche auch, sein eigenes Scherflein für eine gesunde und intakte Umwelt beizutragen.
Die Aussagen der jungen Frauen und Männer erwärmten das Herz von Wasserfallen, der sich allem Anschein nach gut erholt hatte von der Niederlage bei der parteiinternen Ausmarchung für die Regierungsratskandidatur.
Wasserfallen pochte wie Wobmann vor allem auf die Eigenverantwortung der Wirtschaft und der privaten Haushalte. Und auf Flexibilität bei der Gesetzgebung. «Je liberaler die Gesetzgebung, desto schneller und einfacher kann man investieren.»
Dass Gesetze alleine die Temperatur nicht senken, räumte auch Luginbühl ein. Der BDP-Nationalrat klagte über die jungen Engländer, die heutzutage übers Wochenende nach Riga fliegen, um sich dort mit billigem Alkohol «die Lampe zu füllen» (Wobmann ironisch: «Dann muss man halt den Alkohol teurer machen»). Man müsse die Leute auch sensibilisieren, nicht einfach nur Verbote aufstellen, forderte Luginbühl.
Was für Luginbühl die Easyjet-Generation, das ist für Rytz die SUV-Fraktion. «Ich verstehe nicht, warum die Leute immer noch grosse Autos kaufen», so Rytz in aufrichtiger Empörung.
Wobmann hingegen ortete das Problem vor allem bei der Zuwanderung. Kein Wunder, nehme der Verkehr und damit auch der CO2-Ausstoss gesamthaft zu, schliesslich habe man ja im Vergleich zu 1990 auch zwei Millionen mehr Menschen im Land. Bei Luginbühl und Rytz löste das gebetsmühlenartige Wiederholen der ungebremsten Zuwanderung belustigtes Kopfschütteln aus.
Auf die «freiwillige Basis» setzt Wobmann beim Thema CO2-Ausstoss. «So weitermachen, wie wir bis jetzt unterwegs sind». Ohne Verbote, ohne «Planwirtschaft à la DDR».
Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt, konterte Rytz mit Immanuel Kant.
Die anderen, das sind die kommenden Generationen.