Ein Blick auf die Tagesordnung des Basler Kantonsparlaments verrät es:
Alles klar? Natürlich nicht. Doch hinter dem umständlichen Titel verbirgt sich eine Vorlage mit politischem Sprengstoff. Eine knappe rot-grüne Mehrheit der Wirtschafts- und Abgabenkommission (WAK) will, dass Arbeitnehmenden die Steuern im Normalfall direkt vom Lohn abgezogen werden. Mit dem «automatisierten freiwilligen Direktabzug» sollen «Schulden, Notlagen und administrative Leerläufe aufgrund unbezahlter Steuern verhindert werden».
Die baselstädtischen Arbeitgeber werden dazu verpflichtet, monatlich zehn Prozent des Bruttolohns abzuziehen. Diesen Beitrag müssen sie an die kantonalen Steuerbehörden überweisen. Die Steuerverwaltung behandelt diese Beiträge als Akontozahlungen der Arbeitnehmenden – ähnlich wie die Mieter für die Heizkosten eine Pauschale im Voraus zahlen. Am Ende einer Steuerperiode werden die bereits überwiesenen Direktabzüge an die geschuldete Einkommenssteuer angerechnet.
Aus rechtlichen Gründen kommen für den Direktabzug nur Arbeitnehmer in Frage, die sowohl in Basel-Stadt arbeiten als auch wohnen. Wer Quellensteuern zahlt – beispielsweise Ausländer mit B-Niederlassungsbewilligung – ist ebenfalls nicht vom Systemwechsel betroffen. Für einen Direktabzug kommen von den 152’900 Arbeitnehmenden im Kanton bloss 25’700 in Frage. Eine weitere Einschränkung lässt diese Zahl zusätzlich schrumpfen: Um KMU nicht mit übermässigem administrativem Aufwand zu belasten, sind Arbeitnehmer von Firmen mit weniger als zehn Angestellten ebenfalls ausgenommen.
Die Mehrheit der Kommission plädiert für eine sogenannte «Opt-out-Lösung». Arbeitnehmende können die Höhe der Abzüge selber bestimmen oder auch ganz darauf verzichten. Allerdings müssen sie einen solchen Wunsch dem Arbeitgeber fristgerecht und schriftlich mitteilen. Wer das nicht tut, bei dem wird automatisch zehn Prozent des Lohns abgezogen.
Bei den Arbeitgebern fällt wegen des Direktabzugs ein administrativer Aufwand an. Dafür sollen sie eine Entschädigung erhalten. Die Regierung schätzte die jährlichen Kosten – für den Mehraufwand bei der Steuerverwaltung und die Entschädigungszahlungen an die Arbeitgeber – auf rund zwei Millionen Franken. Zusätzlich würden dem Kanton aufgrund des Systemwechsels einmalige Kosten von 2,6 Millionen Franken entstehen. Keine Einigkeit herrscht bei der Frage, ob der Systemwechsel die Steuerausfälle reduzieren würde. 2016 entgingen Basel-Stadt wegen nicht bezahlter Steuerschulden 29,8 Millionen Franken.
Nein. An der Steuererklärung wird nichts geändert. Die vorgesehenen zehn Prozent Direktabzug werden lediglich den kantonalen Einkommenssteuern angerechnet. Wie hoch diese Einkommenssteuer ausfällt, wird weiterhin aufgrund der Steuererklärung festgestellt. Auch für die Bundes- und Gemeindesteuer – sie sind vom Systemwechsel nicht betroffen – braucht es weiterhin eine Steuererklärung.
«Steuerschulden sind das Schuldenproblem Nummer 1», schreibt SP-Grossrat Georg Mattmüller in einem Gastbeitrag in der «bz Basel». Sie seien meist nicht das Resultat von mangelndem Einkommen, sondern von mangelnder Planung der Betroffenen. Diese richteten ihre Ausgaben nach dem Kontostand aus und «vergessen dabei, die Steuern einzuplanen». Wenn sich daraus Steuerschulden und Betreibungen ergeben, ist das laut Mattmüller problematisch: «Betreibungen sind für viele Menschen eine schwere Belastung und können bei der Stellen- und Wohnungssuche zu Stigmatisierungen führen.»
Auch sei der direkte Lohnabzug für die allermeisten Arbeitgeber technisch kein Problem, schreibt Mattmüller. Sein Fazit:« Letztlich wird der Kanton entlastet, denn es fallen weniger Verwaltungskosten an. Der freiwillige Abzug der Steuern vom Lohn wirkt präventiv darauf hin, dass weniger Menschen unter Steuerschulden leiden.»
«Grosser Aufwand für alle, kleiner Nutzen für wenige», bilanziert die WAK-Minderheit. Es sei unwahrscheinlich, dass die anvisierte Zielgruppe des Systemwechsels – Menschen mit Steuerschulden – durch die Reform überhaupt erreicht wird. Diese würden sich wegen ihrer finanziell prekären Situation sowieso dagegen entscheiden, durch die Direktabzüge zusätzlich an liquiden Mitteln zu verlieren.
«Viele Betroffene werden sich in der falschen Sicherheit wiegen, mit dem Abzug seien die Steuern beglichen», schreibt FDP-Grossrat Christophe Haller in seiner Replik auf Mattmüllers Beitrag in der «bz Basel». Das sei falsch. Weder seien Bundes- und Gemeindesteuern darin erfasst, noch reichten die zehn Prozent Lohnabzug in den meistens Fällen für die kantonalen Steuern aus. Steuerpflichtige könnten zu wenig Reserven bilden, was wiederum Liquiditätsprobleme und eine Erhöhung der Steuerausfälle zur Folge habe, so die Reformgegner. Ausserdem würde den Basler Unternehmern ein Sondersystem auferlegt, das sich negativ auf die Standortattraktivität auswirke, schreibt Grossrat Haller.
Befürworter des Direktabzugs beobachten die Abstimmung im Grossen Rat mit Spannung. «Wenn es in Basel eine Mehrheit dafür gibt, ist das ein starkes Signal für die ganze Schweiz», sagte SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen im Frühsommer gegenüber watson.
Bereits vor drei Jahren forderte Kiener Nellen den landesweiten direkten Steuerabzug per Motion – sie zog ihre Eingabe später zurück, um die Entwicklungen in Basel abzuwarten. Mit Blick auf die Entwicklungen in Basel zeigte sie sich optimistisch: «Ich bin überzeugt, dass der Direktabzug der Steuern vom Lohn in der ganzen Schweiz in fünf bis zehn Jahren Standard ist.» Heute könnte das Basler Parlament einen ersten Schritt dahin machen.