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Vor 42 Tagen sind die Kloten Flyers zu einem Blindflug gestartet und noch immer weiss niemand, wohin die Reise geht und wann sie zu Ende sein wird. Am 11. März hat die kanadische Avenir-Gruppe offiziell erklärt, dass sie nach nur einem Jahr in Kloten wieder aus- und dafür in Lausanne einsteigt.
Eigentlich ist es nicht so kompliziert: Die Avenir-Gruppe muss bloss einen Käufer für die Kloten Flyers finden. Das Problem: Die Kloten Flyers sind hoch defizitär. Das Geschäftsjahr endet am 30. April und dürfte gemäss Geschäftsführer Matthias Berner mit mehr als sieben Millionen Franken Verlust enden. Logisch wäre eine Übernahme durch die neuen Besitzer auf den 1. Mai. Aber diese neuen Besitzer haben sich nach wie vor nicht konstituiert. Wenn es sie dann gibt, übernehmen sie einen Klub, der alleine an Lohnsummen jeden Monat 800'000 Franken kostet.
Geschäftsführer Matthias Berner hat inzwischen ein neues Budget erstellt und rechnet künftig mit einem Defizit von «nur» drei Millionen. Der Mut zum grossen Sparprogramm fehlt. Die Hockeygeschichte hat für Kloten in diesem Frühjahr ein Fenster geöffnet. Jetzt wäre es möglich, sich von allen teuren Stars zu trennen und das Publikum würde in dieser Situation wohl eine Saison mit «Tabellenende-Hockey» akzeptieren. Aber die möglichen neuen Besitzer möchten offenbar sportlich nicht gleich so stark «abspecken». Aber die Einsicht kann ja noch kommen.
Wer soll unter solchen Voraussetzungen die Kloten Flyers übernehmen? Der Geschäftsführer hat schon Ideen. Etwa einen Klub mit 34 Mitgliedern, die im Jahr 34'000 Franken zahlen (die Zahl 34 vom Gründungsjahr 1934). Das ist wohl zu ehrgeizig. Aber immer mehr zeichnet sich ab, dass die Rettung nicht unmöglich ist. Matthias Berner sagt: «Wir sind noch nicht soweit. Aber es könnte gelingen.»
Neu soll das Unternehmen wieder EHC Kloten heissen. Morgen Freitag gibt es ab 17 Uhr eine symbolische Rücktaufe von Kloten Flyers auf EHC Kloten und ein Volksfest im Stadion. Es ist die Taufe eines Phantoms und juristisch völlig belanglos. Aber immerhin wissen wir: Wenn es in Kloten weitergeht, dann heisst die Mannschaft EHC Kloten.
EHC Kloten - Vorwärts zu unseren Wurzeln!: https://t.co/nOuuYkUXQs pic.twitter.com/hAQ9twbDBx
— Kloten Flyers (@klotenflyers) 12. April 2016
Matthias Berner, ein ausgewiesener Finanz- und Sanierungsspezialist, aber vom Typ her mehr «Buchhalter Nötzli» als ein charismatischer «Superman», den es eigentlich bräuchte, ist die zentrale Figur geworden. Einerseits obliegt es ihm, Investoren zu finden, die bereit sind, Kloten von den kanadischen Besitzern zu übernehmen und die NLA-Existenz finanziell zu sichern. Andererseits muss er diese kanadischen Besitzer davon überzeugen, Kloten diesen neuen Investoren schuldenfrei und zum symbolischen Preis von einem Dollar zu überlassen, die Bilanz zu bereinigen (sozusagen alle Zähler auf null zu stellen) und sich damit abzufinden, dass niemand bereit ist, für dieses Unternehmen etwas zu bezahlen.
Eine Lösung ausserhalb von Kloten ist sowieso unrealistisch. Allenfalls wären die Lakers bereit, einzuspringen – aber auch sie würden für die Lizenz der Kloten Flyers – eine Lizenz zum Geldvernichten – nicht mehr als einen symbolischen Dollar bezahlen. Matthias Berner sagt: «Die Kanadier haben immer betont, dass sie eine Klotener Lösung möchten. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei Wochen zu einem Abschluss kommen.» Den Deal bis zum 30. April, also zum Ende des Geschäftsjahres, über die Bühne zu bringen, ist Matthias Berners ehrgeiziges Ziel. Allerdings ist diese Frist nicht zwingend. Auch von der Liga her gibt es keine Fristen.
Das NLB-Team aus Winterthur ist gemäss Matthias Berner von den Turbulenzen in Kloten nicht betroffen. «Wir haben einen Zusammenarbeitsvertrag, aber keine gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen oder Einsitze in den Verwaltungsräten. Wenn es bei uns weitergeht, dann ist vorgesehen, dass wir Winterthur fünf Spieler aus unserer Organisation zur Verfügung stellen.» Wenn es nicht weitergehen sollte, werden die Spieler aus dem Klotener Nachlass sowieso auswählen können wie Buben im Spielzeugladen.
In den letzten Wochen ist Matthias Berner zum «doppelten Matthias» geworden: Er arbeitet seit gut 40 Tagen in zwei Schichten: am Vormittag geht er ins Büro und bis so gegen 16.00 Uhr erledigt er die hiesigen Geschäfte. Ab 16.00 Uhr ist es dann möglich, mit den Besitzern drüben an der kanadischen Westküste, neun Zeitzonen entfernt, zu telefonieren und der Arbeitstag zieht sich bis gegen 22.00 Uhr hin. Er muss jetzt auch noch die Arbeit von Sportchef Sean Simpson erledigen. Soeben hat er den Vertrag mit Timo Helbling aufgelöst (Helbling geht nach Zug), den Sean Simpson ausgehandelt hatte.
Ein Geschäftsführer, der am Tag in zwei Schichten arbeitet, ein Sportchef und Trainer, der «abgetaucht» ist und nichts mehr tut, bzw. nichts mehr tun kann – das sind die Piloten beim nun mehr als 42 Tage andauernden Blindflug der Kloten Flyers. Kein Wunder, dass es den Passagieren (den Fans, den Spielern, den Agenten und allen, denen Kloten am Herzen liegt) nicht mehr ganz wohl ist.
Matthias Berner sagt, dass ein weiterer Abgang von Spielern aus laufenden Verträgen vorerst nicht vorgesehen sei. Wenn es eine Rettung gebe, sei es dann allerdings an den neuen Besitzern, die sportliche Strategie festzulegen. Es ist sicherlich ein Vorteil, dass sich die Zuschauer mit Sean Simpson schon an den sportlichen Misserfolg gewönnen konnten: 2015 reichte es nicht einmal für die Playoffs und in der soeben abgelaufenen Saison schaffte die Mannschaft gerade noch die Playoffs und scheiterte gleich im Viertelfinal ruhmlos gegen Davos. Solches Hockey kann auch ein nominell schwächeres und billigeres Kloten bieten.
Eigentlich ist allen klar, dass es für Trainer und Sportchef Sean Simpson in Kloten keine Zukunft mehr gibt. Matthias Berner ist auch dieser Meinung, wagt es aber noch nicht, diese Meinung auch öffentlich in Worte zu fassen. Die ideale Lösung wäre Trainer Heinz Ehlers. Er ist von den neuen Besitzern in Lausanne (die zurzeit ja auch noch die Besitzer von Kloten sind) gefeuert worden – obwohl er noch einen Vertrag für die nächste Saison hat. Heinz Ehlers wäre der perfekte Trainer für eine spielerisch etwas abgemagerte «Sparversion» des EHC Kloten.
Matthias Berner mag davon (noch?) nichts wissen: «Dazu kann ich nichts sagen. Bevor wir nicht eine Lösung haben, verhandeln wir nicht mit anderen Trainern.» Immerhin zeichnet sich ab, wer Sean Simpson als Sportchef ersetzen könnte. Matthias Berner kann sich vorstellen, dass der bisherige «Schattensportchef» Pascal Müller doch bleibt. Der Emmentaler hat auf Ende Saison von sich aus gekündigt. «Aber er hat für uns so gute Arbeit geleistet, dass ich nicht ausschliessen mag, dass er doch bei uns bleibt.»
Sean Simpson hat in Kloten einen Vertrag als Trainer und Sportchef, der noch zwei weitere Jahre läuft. Für diese zwei Jahre stehen ihm rund eine Million Franken Salär zu. Zahlen die Kanadier Simpson (und seinen Assistenten Colin Muller) aus oder müssen das die neuen Besitzer tun? Wer bezahlt Sean Simpson eine Million? Auch das sollte Matthias Berner noch regeln. «Ich kann dazu nur so viel sagen: Sean Simpson hat für unsere schwierige Situation grosses Verständnis.»
Der WM-Silberschmied von 2013 reagiert auf eine Anfrage unwirsch und bleibt wortkarg: «Ich habe einen Vertrag. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.» Auch die Aufmunterung, er könne doch jetzt in der Zwischenzeit wenigstens an seinem Golf-Handicap arbeiten, vermag ihn nicht aufzuheitern. «Das Wetter ist zu wenig schön, um auf den Golfplatz zu gehen.»
Nach allem, was wir jetzt wissen, sind die Chancen gar nicht mehr so schlecht, dass der Blindflug der Kloten Flyers doch noch mit einer sanften Landung in der NLA enden wird. Im oberen Emmental, in Langnau, in einer der wirtschaftlich schwächsten Regionen der Schweiz (das obere Emmental ist die Leventina des Bernerlandes) ist es gelungen, für 30 Millionen einen neuen Hockeytempel zu erbauen, ein hoch verschuldetes NLA-Unternehmen zu sanieren, einen NLB-Abstieg zu korrigieren und nun diese Saison trotz verpassten Playoffs schwarze Zahlen zu schreiben. Also müsste es doch auch möglich sein, im Glatttal, in einer der reichsten Industrieregionen der Welt, ein NLA-Hockeyunternehmen zu finanzieren. Oder?