Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Lieber Marius
Es ist nicht sehr anspruchsvoll, sich auf Kosten anderer zu amüsieren. Und darum weit verbreitet. Ganze Fernsehshows bauen auf dieses Konzept, es funktioniert unabhängig von Alter und Bildungsstand. Sie müssen sich drum nicht gross wundern, dass es auch mit Ihnen passiert. Das ist nur menschlich.
Dennoch bleibt die Frage bestehen, was Sie damit machen wollen. Es sind noch viele Verhaltensformen menschlich und deswegen trotzdem nicht sinnvoll. Sich in einer Gruppe über jemanden anders lustig machen gibt Ihnen das Gefühl, dazuzugehören. Sie gehören zu den Starken, haben sich einem Rudel angeschlossen, das die schwachen ausgrenzt. Was genau befriedigt das in Ihnen? Könnten Sie das Gefühl von Dazugehörigkeit auf eine andere Art und Weise erleben?
Wir Menschen wollen dazugehören. Es war früher einmal eine Bedingung, dass wir überleben konnten. Heute könnten wir im Prinzip auch als Einsiedler in einem anonymen Wolkenkratzer existieren. Dennoch haben wir noch immer das Bedürfnis, Teil von etwas Grösserem zu sein. Sie können nun selber entscheiden, wie dieses «Grössere» aussehen und worüber es sich definieren soll. Ist der gemeinsame Nenner, sich besser zu fühlen, indem man andere abwertet? Oder könnte es auch eine Gemeinsamkeit sein, die auf eine andere Weise zum Lachen bringt oder inspiriert? Könnte man sich das Leben amüsanter gestalten, indem man peinliche Dinge miteinander teilt, die einem selber passiert sind? Sich über sich selber lustig machen, anstatt über andere?
Gruppendynamik hat eine unglaubliche Kraft. Es gibt dafür unzählige grausige Beispiele. Die positive Form sehe ich aber immer wieder, wenn wir nach einem Seminar eine einmonatige Facebook-Gruppe machen, die zum Zweck hat, sich gegenseitig auszutauschen und das Gelernte zu vertiefen. Es sind schon unglaubliche Aktionen aus solchen Gruppen entstanden, ich erinnere mich an eine Entrümpelungsaktion, die entstanden ist, nachdem eine Teilnehmerin ein Buch zum Thema gepostet hatte. Innert kürzester Zeit stapelten sich Fotos von vollen Abfallsäcken auf der Pinnwand, der Schwung in der Gruppe erfasste jede einzelne Teilnehmerin. In einer anderen Gruppe wurden plötzlich alle in irgendeiner Weise sportlich oder man animierte sich gegenseitig, eine Weiterbildung zu besuchen.
Mir ist klar, dass das jetzt etwas bibelgruppenmässig klingt im Vergleich zu einem Whatsappchat, bei dem man schenkelklopfend über andere wiehert. Ich wollte mit dem Beispiel nur aufzeigen, welche Power in einer Gruppe entstehen kann und in welche Richtung man diese lenken könnte. Es ist Ihnen überlassen, wohin Ihre Energie fliessen soll. Meine wäre mir aber mit Sicherheit zu schade für so eine bescheuerte Gruppe.
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi