Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Lieber Mark.
Oh, welch Freude Sie mir mit dieser Frage machen! Nicht nur, weil ich drauf antworten darf, sondern vielmehr, weil ich ganz offensichtlich mit diesem Thema nicht alleine dastehe. Danke dafür! Gerade gestern wurde ich mit der Thematik einmal mehr konfrontiert. Und zwar an einem Winterfahrtraining. Man kommt dort mit Leuten zusammen, die man davor nicht kennt, setzt sich zusammen in ein Auto und fährt mit 75 km/h über ein Eisfeld oder fährt eine Rampe mit 100% Gefälle herunter.* Mag sein, dass sich das die meisten Leute nicht einmal überlegen, aber ich schaue schon am Vorabend an der Bar, wer mir sympathisch genug ist, dass ich mich ihm oder ihr als Beifahrerin anvertraue. Natürlich sagt die Sympathie noch nicht viel über den Fahrstil aus, aber ich habe ja schon mehrfach geschrieben, dass man den Charakter einen Menschen hinter dem Steuer eines Wagens sehr schnell erkennen kann. Wenn sich jemand im Verkehr rücksichtslos verhält, dann auch im Alltag und ein Gentleman am Steuer ist meist auch einer im Leben. Allerdings kann man diesen Rückschluss auch andersrum ziehen. Und darum fahre ich grundsätzlich nicht mit Leuten mit, die ich nicht riechen mag.
Sich zu einem Menschen in ein Auto zu setzen ist für mich persönlich eine Frage von grossem Vertrauen. Es sterben heute bedeutend mehr Menschen in Verkehrsunfällen, als bei Flugzeugabstürzen. Dennoch kenne ich viel mehr Menschen, die unter Flugangst leiden, als unter Fahrangst. Ja, es gibt noch nicht einmal ein schlaues Wort für diese Art von Angst. Dabei habe ich schon viel mehr brenzlige Situationen in Autos erlebt, als in Flugzeugen oder anderen Verkehrsmitteln. Und ich habe schon oft in meinem Leben Diskussionen deswegen führen müssen und bin mehr als einmal mitten auf der Strecke aus einem Auto ausgestiegen, wenn auch noch nie aus einem fahrenden.
Ich persönlich finde es weniger anspruchsvoll einem Taxifahrer zu sagen, er solle doch bitte rechts ran fahren, ich wolle den Rest des Weges lieber zu Fuss gehen, als wenn man es zu einer näheren Person sagen muss. Und am schwierigsten ist es, wenn man sich mit dem eigenen Partner nicht finden kann. Ich habe jede Version schon erlebt und mich nicht selten in einen Konflikt begeben deswegen. Entweder, weil ich mich nicht sicher genug fühlte oder die Person am Steuer gar alkoholisiert war. Wie oft wurde ich als spiessige Spielverderberin bezeichnet, weil ich mich weigerte, mich von jemandem, der ein paar Gläser Wein intus hatte, nach Hause bringen zu lassen. Oder ich keine Eltern mit Kinder in meinem Auto beförderte, weil ich keinen Kindersitz dabei hatte?
Es beschämt mich sehr, dass das alkoholisierte Fahren noch immer als Kavaliersdelikt angeschaut wird und in vielen Kreisen fast schon zum guten Ton gehört.
Sie haben nun also die Wahl. Sie können sich ab und an als Nervensäge geben und klipp und klar auf die Mitfahrgelegenheit verzichten, oder aber auf die Zähne beissen und sich in eine Situation begeben, die Ihnen nicht behagt. Ich weiss ob der Angst, als Quälgeist dazustehen. Auch mich nervt diese Rolle, niemand ist gern eine Nervensäge. Gleichzeitig trage ich allein die Verantwortung für mich. Und ich bestimme, wem ich mich anvertraue und wem nicht. Wir Menschen tun so viele Dinge, um nicht anzuecken und gut dazustehen. Am Ende des Tages wollen wir alle geliebt werden. So auch ich. Das ist normal, schliesslich können wir nur in einem engen sozialen Netz bestehen. Gleichzeitig lohnt es sich, wenn man immer mal wieder hinterfragt, wie weit man dafür geht. Ist es einem wichtiger, vor dem Kollegen gut dazustehen, oder sich selber treu zu sein? Und wie steht es mit dem Taxifahrer? Wer genau ist jetzt wichtiger, er oder ich?
Das ist eine Frage, die Sie sich in diesem Zusammenhang stellen können. Aber im Prinzip muss man sie sich immer wieder aufs Neue stellen, in den verschiedensten Lebenssituationen. Gut, wenn Sie das einem eher harmlosen Thema üben können, wie dem Autofahren.
Ich habe mir den Ruf erworben, eine anstrengende Beifahrerin zu sein. Man sagt, dass ich immer erst den Reifendruck und das Profil überprüfe, bevor ich jemandem ins Auto steige. Aber das stimmt so nicht, die Person hinter dem Steuer muss mich jeweils auch noch anhauchen, bevor es losgehen kann. Sobald Sie sich einen ähnlichen Ruf erworben haben, läuft alles wie von selber. Bis dahin müssen Sie Tacheles reden. Oder sich als Angsthase positionieren. Die meisten Menschen haben weniger Mühe, Rücksicht auf einen ängstlichen Beifahrer zu nehmen als auf einen, der wie ein Fahrlehrer klingt ...
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi
*Update: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt Product Placement, welches nachträglich entfernt wurde.