Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Liebe Christine
Wenn Ihr Onkel wissen möchte, ob er noch eine 2. Chance bekommt, um endlich das aus seinem Leben zu machen, was er bisher nicht gemacht hat, dann eher nicht. Wenn er aber fragt, weil er nicht sicher ist, ob es lohnt, sich in diesem Leben zu bemühen für ein nächstes, dann eher ja. Mich beschäftigt das Thema nicht. So wie mich Religion nicht beschäftigt, auch wenn mir das auf der Redaktion von Bref (das refomierte Magazin, für das ich schreibe) niemand so richtig glauben will. Ich lebe sehr im Hier und jetzt und mache mir heute noch keine Gedanken darüber, was dann mal sein wird. Meine ganze Energie dreht sich um die Gegenwart, ich weiss ja noch nicht einmal, was in 5 Jahren sein soll! Wie soll ich mich da auf das Jenseits einstellen können.
Diese Reinkarnationssache wird oft zum Thema, wenn man Angst vor dem Sterben hat. Diese Unsicherheit, was danach kommt, ist für viele Menschen kaum zu ertragen. Der Tod ist in unserer Kultur ein ganz grosses Tabu. Sterben hat hier keinen Platz, obwohl es tagtäglich geschieht und früher oder später auch uns passieren wird. Wenn im Spital ein Mensch stirbt, dann wird er sofort in den Keller befördert, damit der Anblick des Leichnams niemanden verstören kann. Und auch das tagelange Aufbahren im offenen Sarg kennen wir mehr aus dem Fernsehen, als aus dem Alltag. In anderen Kulturen beweint man Tote tagelang und das Abschied nehmen wird lautstark zelebriert. Was in meinen Augen ein sinnvoller Umgang mit diesem Lebensabschnitt ist.
Denn schliesslich gehört der Tod zum Leben wie die Geburt. Stattdessen redet man möglichst schnell nicht mehr über Verstorbene und blendet sie am liebsten aus. Wenn Ihr Onkel sich mit dem Thema beschäftigen möchte, dann empfehle ich ihm die Literatur von Elisabeth Kübler-Ross. Sie hat sehr viele Menschen beim Sterben begleitet und hat ihre Erfahrungen diesbezüglich auf sehr beeindruckende Art und Weise aufgeschrieben. Wenn man sich auf ihre Aufzeichnungen einlässt, dann könnte man anfangen, an Reinkarnation zu glauben. Er soll drum ja die Finger von ihr lassen, wenn er lieber nicht dran glauben will.
Ich werde – bis es soweit ist – an das Leben vor dem Tod glauben. Damit bin ich mehr als beschäftigt. Und Sie und Ihr Onkel vermutlich auch.
Herzlich. Ihre Kafi