«Du bist doch eine intelligente Frau» sagt er. Er ist ein Typ Anfangs 40 an einem Freitagabend in einer Zürcher Bar, die zurzeit an einem ganz geheimen Ort nur für ganz kurze Zeit betrieben wird. Ich bin über 17 Ecken da gelandet.
Der Mann an der Bar hat was. Schöne Augen zum Beispiel. Und Chöpfli. Guter Mix. «Deine Eltern stammen also beide von unten?», will er wissen. Das Wort «Jugos» nimmt er nicht in den Mund. Ist ihm in diesem Moment zu primitiv. Mir nicht. Könnte schwierig werden. Ich bin für Enttabuisierung. Ich antworte jedenfalls wahrheitsgetreu mit Ja.
Er, nennen wir ihn Frank, sieht mir das Slawische «so gar nicht an». Nicht mal jetzt, da er's weiss. Er redet so, als wär meine Herkunft eine Behinderung. Keine schlimme. Aber schon so biz eine Beeinträchtigung.
Ich mach Frank klar, dass ich im Reinen bin mit meinen Wurzeln. Noch während ich rede, schiesst er sich zum ersten Mal ins Aus: «Wänn nur all so gschiid und sympathisch wäred wie du!?»
Come on!
Ich weiss genau, was jetzt kommt. Er wolle mich auf keinen Fall beleidigen, er kenne selber «super Leute aus Ex-Jugoslawien», ein Rassist, jesses, das sei er nie im Leben.
Paar Minuten später, er hat grad alles genau so gesagt, wie ich es vorausahnte, doppelt er nach: «Mal im Ernscht, schämsch dich nöd für Jugos wie dä Vujo?». Vujo nennt er also «Jugo». «Oder, ui, nei, dä Bendrit, d Zaklina und d Eli sind doch au Jugos, oder!?» Ah, die also auch!
Weil ich gerade einen Negroni intus und die Muse hab, hol ich aus. Ich schäme mich null für die Vujos, Bendrits und Elis dieses Landes. Frank reibt mir Vujos Instagram-Account unter die Nase. «Da en Maserati, dete en Privatjet, wottsch mer nöd säge, dass er sich das alles uf legali Art leischte chan!?»
Mir sind Vujos Lifestyle und Kontostand egal. Ich kenne Vujo sowieso nur oberflächlich. Aber ich bin Fan. Weil ich vor nicht all zu langer Zeit in seiner Twins-Bar landete. Wo er und seine Gang zu Jugo-Sound auf Tischen und dem Tresen tanzten. Diese eine Stunde hat mir gereicht, um Vujo und seinen Bruder Aleks für immer in mein Herz zu schliessen.
Frank ist enttäuscht. Er hätte mir mehr Tiefgang gegeben. Seiner Tristesse setze ich das Krönchen auf, als ich ihm erzähle, dass ich mega stolz drauf bin, Bendrits 1000ter Fan auf Facebook gewesen zu sein.
Und dass ich mal mit Ex-Bachelorette Eli Simic Auto gefahren bin und die Gute mehr als verstand, als sie ausrastete, weil der vor ihr statt erlaubte 80 kmh nur 50 km/h fuhr. Und dass ich, wenn ich es mir aussuchen könnte, gerne einen Jugo heiraten würde. Kein Must, aber schön wäre es allemal.
Frank verabschiedet sich.
Ich schaue mich um. Meine Freunde sind weg. Die Erklärung dafür finde ich auf meinem Handy. Sie wünschen mir viel Spass mit Frank. Zwinker-Smiley.
Spass finde ich gut. Frank nicht mehr.
Also schreibe ich meinem Jugo-Kumpel und frage ihn, ob er unterwegs ist. Es dauert keine zwei Sekunden bis zu seinem «Natürlich!». Ich lache. «Hajde da ludujemo ove Noci!» schreibt er. «Lass uns diese Nacht durchdrehen!»
Zehn Minuten später stelle ich mein Velo vor dem Elite-Club in Zürich Altstetten ab. Noch einmal zehn Minuten später stehe ich auf einer Box und tanze und singe inmitten Gleichgesinnter zu ziemlich sinnloser, dafür umso lüpfiger Musik.
Wenig Sinn. Dafür gute Party. Ausgelassene Stimmung. Kein Frank.
Welt, was willst du mehr?
Eure Ludmila
Oh, fast vergessen: Liebe Polizisten, entspannen Sie sich. Die illegale Bar ist bereits wieder Geschichte. Wir haben keine Nachbarn gestört, nicht randaliert und auch sonst nichts beschädigt. Ludmila-Ehrenwort.