Sag das doch deinen Freunden!
Die christlichen Landeskirchen stecken in einer tiefen Krise. Die Austrittswelle lässt die Steuereinnahmen schrumpfen, die katholische Kirche hat Nachwuchsprobleme und muss Pfarrer bis ins hohe Alter auf die Kanzel schicken.
Dort predigen sie vor einem kleinen, überalterten Publikum und kämpfen gegen den schlechten Ruf ihrer Kirche, die mit ihren Skandalen jahrelang für unrühmliche Schlagzeilen sorgte. Ein entspanntes Arbeitsleben sieht anders aus.
Die Krise macht auch vor dem Glauben nicht Halt. Es gibt heute bereits Pfarrer, die offen dazu stehen, dass sie nicht an Gott glauben.
Gott ist zwar noch nicht tot, wie Friedrich Nietzsche in seiner fundamentalen Kritik an den Religionen schon vor fast 150 Jahren erklärte, doch er liegt auf dem Krankenbett.
Die Statistiken belegen den Niedergang der Kirchen. Zwar gehören immer noch rund 39 Prozent der Schweizer Bevölkerung der katholischen und knapp 20 Prozent der reformierten Kirche an, doch die meisten sind Karteileichen. Sie möchten zumindest in der Kirche heiraten und von einem Pfarrer beerdigt werden. Eine Rückversicherung kann schliesslich nicht schaden.
Eine Untersuchung des schweizerischen Nationalfonds «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» hat ergeben, dass sich nur noch 23 Prozent der Katholiken und 15 Prozent der Protestanten als echte Anhänger ihres Glaubens bezeichnen. Und selbst von diesen gläubigen Christen besucht nur eine Minderheit die Gottesdienste: Laut einer Umfrage des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institutes nehmen keine 10 Prozent der Schweizer an Gottesdiensten teil.
Driftet die Schweiz also in den Atheismus ab? Nein, definitiv nicht. Denn die Summe der religiösen Bedürfnisse nimmt kaum ab. Gott ist zwar fast tot, doch es leben die Götter. Sie kriechen aus allen Löchern und Ritzen und nisten sich in den Seelen der abtrünnigen Gläubigen ein. Oder anders ausgedrückt: Religion ist out, es lebe die Spiritualität.
Verantwortlich für diese Entwicklung im Westen sind hauptsächlich Esoterik und Buddhismus. Diese Konzepte haben wesentlich mehr Sexappeal als eine Religion, die uns einen Glaubensstifter präsentiert, der tot an einem Kreuz hängt.
Die neuen Götter und Gurus heissen Wotan, Dalai Lama, Uriella, St.Germain, Kryon, Hubbard, Moon, Buddha, Krishna, Gaia, Shiva, Bhagwan, Aleister Crowley, Maharishi, Sai Baba, Amma usw.
Was gleich bleibt: Viele Menschen brauchen Idole, denn die Autoritätsgläubigkeit hat kaum abgenommen. Das Bedürfnis, sich unter den vermeintlichen Schutz der Götter zu stellen und sie zu verehren, auch nicht.
Die Angst vor der Zukunft und dem Tod produziert eine Sehnsucht nach übersinnlicher Erlösung, die Gurus und spirituelle Meister anbieten. So nebenbei reklamieren sie für sich auch einen göttlichen Status, was ihrem Ego und ihrem Image äusserst zuträglich ist. Weil dies ganz im Sinn der verklärten Anhänger ist, kommen alle auf ihre Rechnung, auch wenn bei dem Deal mit dem Aberglauben nur die Gurus und Sektenführer reich werden.
Die Flucht in die esoterische oder spirituelle Parallelwelt führt zu einer Atomisierung der religiösen Landschaft. Die Konsumhaltung hat auch den Religionsmarkt erreicht, die Ansprüche steigen stetig, wie auch im weltlichen Alltag. Glaube als Event.
Die Erwartungen der Suchenden an die Pseudoheiligen sind entsprechend gross. Diese sollen ein übersinnliches Schaumbad füllen, in dem es sich wohlig räkeln lässt. Es darf sich auch anfühlen wie in einer Gebärmutter. So mutieren die Götter und Gurus zu Fluchthelfern aus einer Welt, die von Hass, Neid und Gier geprägt ist.
Die esoterischen und spirituellen Konzepte haben also einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Während sich Christen die Erlösung am Jüngsten Tag durch Jesus oder Gott erhoffen müssen, können sich Esoteriker und spirituelle Sucher durch Meditation, esoterische Rituale und Hingabe an die Götter und Gurus vermeintlich selbst erlösen. In einer Art Machbarkeitswahn glauben sie, die Erleuchtung zu erlangen und Teil der göttlichen Hierarchie zu werden.
Das System der Selbstvergottung ist zwar ein Selbstbetrug, aber er lässt die Welt in sanften Pastellfarben erscheinen. Dieser Weichzeichner wirkt wie ein geistiges Valium.