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Hugo Stamm: Kirchen leeren sich, dafür haben Sekten Zulauf

Uriella und ihr Ehemann Icordo bei einer Veranstaltung ihrer Sekte Fiat Lux im Jahr 1992.
Uriella und ihr Ehemann Icordo bei einer Veranstaltung ihrer Sekte Fiat Lux im Jahr 1992.
Bild: KEYSTONE
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Gott ist tot – es leben die Götter!

Die Kirchen leeren sich, Zulauf haben dafür esoterische und spirituelle Heilsbringer.
18.02.2016, 18:0019.02.2016, 08:33
Hugo Stamm
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Die christlichen Landeskirchen stecken in einer tiefen Krise. Die Austrittswelle lässt die Steuereinnahmen schrumpfen, die katholische Kirche hat Nachwuchsprobleme und muss Pfarrer bis ins hohe Alter auf die Kanzel schicken.

Dort predigen sie vor einem kleinen, überalterten Publikum und kämpfen gegen den schlechten Ruf ihrer Kirche, die mit ihren Skandalen jahrelang für unrühmliche Schlagzeilen sorgte. Ein entspanntes Arbeitsleben sieht anders aus.

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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei. Neu befasst er sich mit dem Thema wöchentlich auf watson.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und auf Twitter folgen.

Die Krise macht auch vor dem Glauben nicht Halt. Es gibt heute bereits Pfarrer, die offen dazu stehen, dass sie nicht an Gott glauben.

Die Karteileichen der Kirchen

Gott ist zwar noch nicht tot, wie Friedrich Nietzsche in seiner fundamentalen Kritik an den Religionen schon vor fast 150 Jahren erklärte, doch er liegt auf dem Krankenbett.

Anhänger der Bhagwan-Sekte umkreisen ihren spirituellen Führer, Osho.
Anhänger der Bhagwan-Sekte umkreisen ihren spirituellen Führer, Osho.
Bild: AP

Die Statistiken belegen den Niedergang der Kirchen. Zwar gehören immer noch rund 39 Prozent der Schweizer Bevölkerung der katholischen und knapp 20 Prozent der reformierten Kirche an, doch die meisten sind Karteileichen. Sie möchten zumindest in der Kirche heiraten und von einem Pfarrer beerdigt werden. Eine Rückversicherung kann schliesslich nicht schaden.

Die Götter kriechen aus allen Löchern und Ritzen und nisten sich in den Seelen der Suchenden ein.

Eine Untersuchung des schweizerischen Nationalfonds «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» hat ergeben, dass sich nur noch 23 Prozent der Katholiken und 15 Prozent der Protestanten als echte Anhänger ihres Glaubens bezeichnen. Und selbst von diesen gläubigen Christen besucht nur eine Minderheit die Gottesdienste: Laut einer Umfrage des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institutes nehmen keine 10 Prozent der Schweizer an Gottesdiensten teil.

Religion ist out – es lebe die Spiritualität

Driftet die Schweiz also in den Atheismus ab? Nein, definitiv nicht. Denn die Summe der religiösen Bedürfnisse nimmt kaum ab. Gott ist zwar fast tot, doch es leben die Götter. Sie kriechen aus allen Löchern und Ritzen und nisten sich in den Seelen der abtrünnigen Gläubigen ein. Oder anders ausgedrückt: Religion ist out, es lebe die Spiritualität.

Die neuen Götter und Gurus heissen Wotan, Dalai Lama, Uriella, St.Germain, Kryon, Hubbard, Moon, Buddha, Krishna, Gaia, Shiva, Bhagwan, Aleister Crowley, Maharishi, Sai Baba, Amma usw.

Verantwortlich für diese Entwicklung im Westen sind hauptsächlich Esoterik und Buddhismus. Diese Konzepte haben wesentlich mehr Sexappeal als eine Religion, die uns einen Glaubensstifter präsentiert, der tot an einem Kreuz hängt.

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Die neuen Götter und Gurus heissen Wotan, Dalai Lama, Uriella, St.Germain, Kryon, Hubbard, Moon, Buddha, Krishna, Gaia, Shiva, Bhagwan, Aleister Crowley, Maharishi, Sai Baba, Amma usw.

Sathya Sai Baba: Der Inder wurde von vielen Menschen als lebende Gottheit verehrt. Er starb 2011.
Sathya Sai Baba: Der Inder wurde von vielen Menschen als lebende Gottheit verehrt. Er starb 2011.
Bild: AP

Was gleich bleibt: Viele Menschen brauchen Idole, denn die Autoritätsgläubigkeit hat kaum abgenommen. Das Bedürfnis, sich unter den vermeintlichen Schutz der Götter zu stellen und sie zu verehren, auch nicht.

Die Angst vor der Zukunft und dem Tod produziert eine Sehnsucht nach übersinnlicher Erlösung, die Gurus und spirituelle Meister anbieten. So nebenbei reklamieren sie für sich auch einen göttlichen Status, was ihrem Ego und ihrem Image äusserst zuträglich ist. Weil dies ganz im Sinn der verklärten Anhänger ist, kommen alle auf ihre Rechnung, auch wenn bei dem Deal mit dem Aberglauben nur die Gurus und Sektenführer reich werden.

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Der Glaube als Event

Die Flucht in die esoterische oder spirituelle Parallelwelt führt zu einer Atomisierung der religiösen Landschaft. Die Konsumhaltung hat auch den Religionsmarkt erreicht, die Ansprüche steigen stetig, wie auch im weltlichen Alltag. Glaube als Event.

Während sich Christen die Erlösung am Jüngsten Tag erhoffen müssen, können sich Esoteriker und spirituelle Sucher durch Meditation, esoterische Rituale und Hingabe an die Götter und Gurus vermeintlich selbst erlösen.

Die Erwartungen der Suchenden an die Pseudoheiligen sind entsprechend gross. Diese sollen ein übersinnliches Schaumbad füllen, in dem es sich wohlig räkeln lässt. Es darf sich auch anfühlen wie in einer Gebärmutter. So mutieren die Götter und Gurus zu Fluchthelfern aus einer Welt, die von Hass, Neid und Gier geprägt ist.

Selbsterlösung statt warten bis zum Jüngsten Tag

Die esoterischen und spirituellen Konzepte haben also einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Während sich Christen die Erlösung am Jüngsten Tag durch Jesus oder Gott erhoffen müssen, können sich Esoteriker und spirituelle Sucher durch Meditation, esoterische Rituale und Hingabe an die Götter und Gurus vermeintlich selbst erlösen. In einer Art Machbarkeitswahn glauben sie, die Erleuchtung zu erlangen und Teil der göttlichen Hierarchie zu werden.

Das System der Selbstvergottung ist zwar ein Selbstbetrug, aber er lässt die Welt in sanften Pastellfarben erscheinen. Dieser Weichzeichner wirkt wie ein geistiges Valium.

Noch mehr Götter: Fussballer und ihre schönsten Spitznamen

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quelle: ap / frank augstein
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94 Kommentare
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Als ich lernte zu heizen und kläglich scheiterte
Unsere Heizung stammt gefühlt aus der kleinen Eiszeit. Meine Wohnung auf eine vernünftige Temperatur zu bekommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich meinen Vermieter auf einen Heizungsersatz ansprach, kam sowas wie: «Also aus Gründen und so und überhaupt, wissen Sie.»

In meiner Wohnung musste ich jahrelang kaum heizen. Das Haus ist uralt, unisoliert, wird nach wie vor mit Erdgas beheizt und die Fenster waren aus dem tiefsten letzten Jahrhundert. Wieso ich die Heizung so selten brauchte, war mir schleierhaft. Bis zum vorletzten Winter.

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