Wir Menschen tun uns schwer damit, offene existenzielle Fragen auszuhalten. Um unseren «Seelenfrieden» zu bekommen, suchen wir krampfhaft eine Antwort. Wenn sich keine plausible finden lässt, nehmen wir Zuflucht bei der nächstbesten.
Eine vernünftige Lösung wäre, die offenen Fragen vorurteilslos zu ergründen. Vielen Menschen ist dies aber lästig. Einerseits ist es anstrengend, andererseits haben sie mehr oder weniger bewusst Angst, dass die Antwort ihr Weltbild auf den Kopf stellen könnte. Oder dass es keine Antwort gibt. Sich einzugestehen, dass gewisse Fragen unser Erkenntnisvermögen übersteigt, löst Unsicherheit aus.
Eine dieser zentralen Fragen lautet: Gibt es Gott? Eine andere: Was passiert nach dem Tod?
Das Bedürfnis, diese Fragen zu beantworten, ist fundamental. Und wo ein grosses Bedürfnis oder eine grosse Nachfrage besteht, entsteht immer ein Markt. Dann drängen Menschen in den Vordergrund, die behaupten, wasserdichte Antworten gefunden zu haben. Bei der Frage nach Gott treten Propheten und Glaubensgemeinschaften als Verkünder der reinen Wahrheit auf. Sie liefern den Interessenten gleich noch angebliche Beweise für ihre Erkenntnisse.
In der modernen Welt, in der spirituelle Konzepte den religiösen den Rang abzulaufen scheinen, übernehmen Esoteriker die Funktion der Wahrheitsverkünder. Eine ihrer Disziplinen, mit denen sie die Existenz unsterblicher Seelen «beweisen» wollen, sind Jenseitskontakte.
In der Schweiz gibt es Hunderte von angeblich medial begabten Personen, die solche Kontakte mit Verstorbenen anbieten. Allein bei der Plattform meinmedium.ch sind 179 Medien aufgeführt, die angeblich mit Verstorbenen kommunizieren können. Bei einer Umfrage des Schweizer Fernsehens gab immerhin ein Viertel der 5000 befragten Personen an, an die Vermittlung von Botschaften von Verstorbenen aus dem Jenseits zu glauben.
Das Medium Agnes Romhanyi beschreibt es so:
In einem Porträt des Schweizer Fernsehens sagte Pascal Voggenhuber, das wohl bekannteste Medium für Jenseitskontakte, es könne vorkommen, dass die verstorbene Mutter eines Kunden in der Schlange bei der Kasse ihn frage, ob er ihrem Sohn eine Botschaft übermitteln könne. Die Geistwesen scheinen zu wissen, dass Voggenhuber vermeintlich einen Blick ins Jenseits machen kann. Dabei drängt sich die Frage auf, weshalb die Mutter als geistiges Wesen nicht direkt mit ihrem Sohn sprechen kann.
Die meisten Esoteriker sind restlos überzeugt, dass es die geistige Welt gibt, in der die Verstorbenen hausen. Beweise dafür gibt es aber nicht. Und die Hinweise der Medien sind dürftig. Da bewegt sich alles auf der Ebene des Glaubens. Oder besser: Aberglaubens.
Anhänger der Jenseitskontakte müssen weiter glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Und dass wir Menschen eine Seele besitzen würden. Beides sind unbewiesene Annahmen.
Trotzdem glauben Esoteriker an die übersinnliche Kraft der Medien. Viele haben selbst solche Séancen erlebt und sind überzeugt, im direkten Kontakt mit verstorbenen Angehörigen gewesen zu sein.
Wie funktioniert das? In der Fachsprache nennt man das Phänomen «cold reading». Das Medium stellt dabei seiner Kundin zuerst sehr allgemeine Fragen zur verstorbenen Person. Zum Beispiel:
Die Antwort der Tochter:
Eine andere Frage des Mediums:
Antwort der Tochter:
Bei diesem Frage- und Antwortspiel erfährt das Medium immer mehr über die Verstorbene, weshalb es immer präzisere Botschaften vermitteln kann. Das beeindruckt die Kundin, die nun definitiv von den Jenseitskontakten überzeugt ist. Meistens mündet die Sitzung in der tröstlichen Antwort:
Genau solche Absolutionen und tröstlichen Worte wollen die Kunden der Medien hören, um ihr Gewissen zu entlasten. Deshalb sind sie noch so gern bereit zu glauben, dass die Jenseitskontakte mit ihren verstorbenen Angehörigen real waren.
Es gäbe einen einfachen Weg, die Medien als Scharlatane zu entlarven. Man müsste ihnen lediglich konkrete Fragen stellen: «Fragen sie meine Grossmutter nach ihrem Todestag, nach ihrer letzten Adresse, nach den Namen und Geburtstagen ihrer Enkelkinder, nach ihrer Handynummer usw.»
Wetten, dass das Medium keine einzige richtige Antwort von der verstorbenen Mutter erhält.