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US-Wahlen: Ist Donald Trump der neue Messias oder ein Antichrist?

Republican presidential nominee former President Donald Trump watches a video screen at a campaign rally at the Salem Civic Center, Saturday, Nov. 2, 2024, in Salem, Va. (AP Photo/Evan Vucci).Donald T ...
Donald Trump als Heilsbringer.Bild: keystone
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Ist Donald Trump der neue Messias oder ein Antichrist?

Der Wahlkampf in den USA hat das Land gespalten und pseudoreligiöse Züge angenommen.
09.11.2024, 08:0509.11.2024, 11:06
Hugo Stamm
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Der Schock am frühen Mittwochmorgen auf den leeren Magen: Donald Trump hat gewonnen. Nicht etwa knapp, wie die Umfragen prognostiziert hatten, sondern komfortabel. Selbst die Swing States gingen an ihn.

Wie war das möglich? Wie konnte die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner einen solchen Ignoranten, Rüpel und Egomanen wählen, der alle Andersdenkenden verbal aufs Übelste traktierte? Der seine politischen Gegner als Ungeziefer bezeichnete, die es gewaltsam auszurotten gelte.

Der Migrantinnen und Migranten als Tiere charakterisierte, die das Blut der Nation vergiften würden. Dem Zehntausende Lügen nachgewiesen wurden. Ein rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker, der nach der Abwahl seine blindwütigen Anhänger aufforderte, das Capitol zu stürmen und einen Putsch zu inszenieren?

Phänomen Trump

Die Liste der Ungeheuerlichkeiten dieses narzisstischen Mannes liesse sich beliebig verlängern. Wir kennen sie. Deshalb noch einmal: Wie um Himmels Willen konnte dieser rücksichtslose, grobschlächtige Mann die Mehrheit hinter sich scharen?

Einen ersten Hinweis geben die fundamentalistischen Christen aus den Freikirchen und die erzkonservativen Katholiken, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen und zu etwa 90 Prozent ihre Stimme für Trump abgeben haben. Für sie müssten Menschen vom Schlag eines Trumps der Inbegriff eines gottlosen Sünders sein.

Doch ausgerechnet diesen Macho verehren die Gläubigen als Heilsbringer. Trump biederte sich vor seiner ersten Wahl zum Präsidenten aus wahltaktischen Gründen bei den Fundis an und gab sich als überzeugter Christ. Es reichte, dass er zwei Versprechen abgab, um sie in den Sack zu stecken.

Er positionierte sich als Abtreibungsgegner und versprach ihnen, die israelische Botschaft von Tel Aviv in die heilige Stadt Jerusalem zu verlegen. Der Frauenheld Trump mit seinen Affären ein Abtreibungsgegner? Wers glaubt, wird selig.

Sein scheinheiliges Bekenntnis reichte den strammen Christen, um ihm den Sinneswandel abzukaufen. Sie präsentierten ihn als Musterbeispiel für das Wirken Gottes auf Erden. Frei nach dem Motto: Für den Allmächtigen ist alles möglich.

Er habe den Sünder in einen Heiligen verwandelt, eine Wandlung von Saulus zum Paulus. Ja, Gott habe Trump zu seinem Werkzeug gemacht, um die „Morde im Mutterleib“ zu unterbinden. Seither verehren die Frommen Trump als Messias. Da kann man nur mit der Bibel sagen: Selig sind die Armen im Geiste.

Das massensuggestive Phänomen frass sich vor allem durch die unteren Bevölkerungsschichten. Die Leute sehnten sich in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach einem Heilsbringer.

Der Tages-Anzeiger veröffentlichte eine andere Sichtweise und titelte: „Gott hat den USA einen Teufel geschickt.“ Bleibt die Frage, was die übrigen rund 35 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner geritten hat, diesem selbstsüchtigen Mann ihre Stimme zu geben?

Da fällt einem der Rattenfänger von Hameln ein. Mit seinen populistischen Machtallüren stellte sich Trump erfolgreich als unerschrockenes Genie dar, das Kriege in einem Tag beenden und die Wirtschaft im Nu auf Vordermann bringen könne. Viele Leute kauften ihm seine Allmachtsphantasien als realpolitische Kompetenz ab.

Das massensuggestive Phänomen frass sich vor allem durch die unteren Bevölkerungsschichten. Die Leute sehnten sich in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach einem Heilsbringer, der mit einem Zauberstab die Inflation und die Steuern senkt, die Löhne anhebt und die unerwünschten Migranten aus dem Land kickt.

FILE - President Donald Trump holds a Bible as he visits outside St. John's Church, June 1, 2020, in Washington. (AP Photo/Patrick Semansky, File).Donald Trump
Trump als frommer Christ mit der Bibel in der Hand.Bild: keystone

Trump oder Harris? Das wurde zu einer Glaubensfrage, die zur Radikalität und Spaltung der Gesellschaft beitrug. Begleitet von einer Hysterie, die beinahe die Qualität einer Massenpsychose angenommen hatte.

So spielte auch bei diesen Trump-Anhängern ein religiöser oder zumindest pseudoreligiöser Aspekt eine Rolle. Sie unterwarfen sich fast bedingungslos, wie man es bei Sekten beobachten kann. Das Bild von Donald Trump als Sektenführer ist ziemlich stimmig. Und man erinnert sich unwillkürlich an die 30er-Jahre in Deutschland.

Viele Verführer

Wie sagte doch Jesus in Matthäus 24.5: «Denn es werden viele kommen unter meinem Namen, und sagen: ‚Ich bin Christus’ und werden viele verführen.»

Verehren die frommen Christen in den USA vielleicht einen Antichristen?

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Hugo Stamm, Sektenblog
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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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874 Kommentare
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Michael Bamberger
09.11.2024 08:44registriert Februar 2016
Nach seinem Wahlsieg wandte sich Trump dankend mit folgenden Worten an seine treuen Anhänger:

„Gott hat mein Leben verschont, damit ich unser Land rette und Amerika zu seiner Grösse zurückführe. Und jetzt erfüllen wir diese Mission zusammen.“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung 6.11.24)

Haben wir sowas nicht schon mal gehört?

"Ich selbst bin völlig unverletzt...Ich fasse das als eine Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe." (Adolf Hitler in seiner Rundfunkansprache zum Attentat vom 20. Juli 1944)
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Schlaf
09.11.2024 09:00registriert Oktober 2019
Es gibt sicherlich Menschen, welche glauben, Trump sei Jesus.

Manche glauben auch an Babyblut trinkende Echsenmenschen in unterirdischen Katakomben.

Und viele glauben an alte Märchenbücher und deren blutrünstigen Geschichten darin, welche unvergleichlich viele Kriege und Leid hervorgebracht haben.

Und wenn gläubige Menschen in Trump Jesus sehen, welcher lügt wie gedruckt, gegen Minderheiten hetzt und Nächstenliebe ein Fremdwort ist, ja diesen Menschen kann man jeden noch so grossen Bären aufbinden.
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banda69
09.11.2024 09:01registriert Januar 2020
Wäre Trump Schweizer, wäre er SVPler. Denn es sind Geschwister im Geiste, Tun und Kommunikation.

Geld und Gier, vor Mensch und Umwelt. Hauptsache profitieren und das Volch hemmungalos über den Tisch ziehen.
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