Das Fairphone 2 erschien Ende 2015 mit Android 5.1 – im schnelllebigen Smartphone-Business also vor einer halben Ewigkeit. Seitdem wurden Updates auf Android 6 und 7.1 bereitgestellt. Am Dienstag gab der kleine, niederländische Hersteller bekannt, dass man «an der Veröffentlichung eines Software-Upgrades auf Android 9 für das Fairphone 2 arbeitet». Eine Beta-Version, die alle Fairphone-2-Besitzer testen können, werde demnächst veröffentlicht.
Das Update auf Android 9 für ein derart altes und leistungsschwaches Gerät ist umso beachtlicher, weil Fairphone das Update ohne Hilfe des Prozessor-Herstellers Qualcomm – dafür mit Hilfe der Android-Community – selbst entwickelt hat.
Fairphone schreibt: «Für das neue Update erhielten wir erneut keine Unterstützung von Qualcomm. Deshalb entschieden wir uns direkt mithilfe der Community das System selbst von Grund auf neu aufzubauen, um somit auch eine eigenständige Kontrolle zu ermöglichen.» (Der steinige Weg zum neuen Update auf Android 9 wird am Ende des Artikels genauer erläutert.)
«Wir beobachten seit einigen Jahren, dass der Fokus der Industrie auf der jährlichen Einführung neuer Produkte liegt, die jedoch eine kurze Lebensdauer haben», sagt Miquel Ballester, Design Lead von Fairphone. Die stetige Innovation in der Elektronikindustrie habe jedoch auch eine Kehrseite, «denn in der Geschwindigkeit, in der neue Technologien auf den Markt kommen, veralten aktuelle Technologien. Zurück bleibt eine Spur der Verschwendung, die schlecht für den Planeten und die Menschen ist.»
Fairphone setzt traditionell nicht auf neuste Technologie, sondern auf eine möglichst faire Produktion, sprich möglichst ohne Ausbeutung von Mensch und Natur. Das Ziel sei, «wertvolle Ressourcen und Emissionen zu sparen und fairere Wertschöpfungsketten zu sichern». Ausserdem sollen die Geräte eine möglichst lange Lebensdauer haben.
Damit ein Fairphone über viele Jahre genutzt wird, braucht es nicht nur langlebige Hardware, sondern auch Software-Updates. Während viele Hersteller nach zwei, drei Jahren den Stecker ziehen und die Kunden so quasi zum Kauf eines neuen Smartphones drängen, halten die Niederländer Wort und aktualisieren das fünf Jahre alte Gerät auf Android 9. Somit wird das Fairphone 2 zwar weiterhin nicht mit der aktuellsten Android-Version laufen, aber die Kunden erhalten ein modernes Betriebssystem, das von zahlreichen App-Entwicklern voraussichtlich für längere Zeit unterstützt werden wird. Google selbst liefert seine monatlichen Sicherheits-Updates für Android 8 und neuere Versionen. Für das bald fünf Jahre alte Fairphone 2 ist somit eine Lebensdauer von sieben oder mehr Jahren realistisch.
Einschränkend muss man sagen, dass die Kunden mit Android 9 auf die allerneusten Funktionen von Android 10 und dem kommenden Android 11 verzichten müssen. Ihre Apps werden jedoch weiterhin laufen und Fairphone kann weiter Sicherheits-Updates verteilen.
Der Verkauf des Fairphone 2 wurde Mitte 2019, kurz vor dem Start des Nachfolgemodells, eingestellt. Ersatzteile können aber weiterhin bestellt werden.
Android 10 für das Fairphone 3 «soll gegen Ende des Jahres 2020 auf den Markt kommen», teilte der Hersteller ebenfalls am Dienstag mit.
Bereits im April kündigte Fairphone an, dass ihr neustes Smartphone nun auch mit der Open-Source-Alternative /e/ OS genutzt werden kann. Fairphone macht dafür gemeinsame Sache mit der gemeinnützigen Organisation eFoundation, die sich auf die Open-Source-Entwicklung von mobilen Betriebssystemen spezialisiert hat. Das neue Betriebssystem /e/, das auf Android basiert, soll die mehrjährige Update-Versorgung erleichtern und lange Lebenszyklen sicherstellen.
Obwohl das quelloffene Betriebssystem /e/ auf Android basiert, sind nicht alle Android-Apps mit /e/ kompatibel. Es ist also primär eine Option für alle, die auf Google verzichten möchten und sich der Konsequenzen bewusst sind.
Fairphones sind grundsätzlich so gebaut, dass sie spielend leicht repariert werden können. Einzelne Komponenten, beispielsweise der Akku, das Display oder die Kamera, können auch von Laien ausgewechselt werden. Die Reparaturprofis von iFixit geben dem neuen Fairphone 3 für die Reparierbarkeit 10 von 10 möglichen Punkten.
Die modulare Bauform in kleinen Stückzahlen dürfte die Produktion indes verteuern und macht das Fairphone vergleichsweise klobig. Für die grossen Smartphone-Hersteller ist daher die Strategie, laufend neue, schnellere und dünnere Handys auf den Markt zu werfen, finanziell deutlich lukrativer. Ein modulares Design, bei dem man defekte Bauteile leichter austauschen könnte, bieten daher bislang nur wenige Nischenhersteller wie Fairphone oder Shiftphone.
Von den grossen Playern versuchte LG vor einigen Jahren, ein modulares Smartphone zu verkaufen, und legte damit eine Bruchlandung hin. Auch Google experimentierte jahrelang am modularen Smartphone – und stampfte das Projekt schliesslich sang- und klanglos ein.
Trotz des Alters erhalte ich von Samsung vierteljährich ein Sicherheitsupdate. Solange das Telefon nicht kaputt geht, kauffe ich kein neues.