Apple täte gut daran, auf die jüngste Kritik von vietnamesischen Sicherheitsexperten zu reagieren. Denn die bezeichnen die Gesichtserkennung beim iPhone X nun öffentlich als unsicher und raten von «geschäftlichen Transaktionen» ab.
Was ist passiert?
Anfang Woche haben die IT-Spezialisten der Sicherheitsfirma Bkav ein neues Video veröffentlicht, das demonstrieren soll, wie sich Apples Face ID mit einer Maske überlisten lässt.
Nachdem die Sicherheitsforscher bereits Mitte November eine ziemlich aufwendige Methode zur Überlistung von Apples Gesichtserkennung präsentiert hatten, soll dies nun mit einer neuen «Bastelei» deutlich einfacher vonstatten gehen.
Die wichtigsten Fakten zum Masken-Trick, der bislang nicht durch eine unabhängige Stelle bestätigt wurde:
Die Macher bezeichnen die Maske als «künstlichen Zwilling».
In dem Video entsperrt die Maske das iPhone X des Sicherheitsforschers im ersten Durchlauf.
Und dies nachdem die Testperson ihr Gesicht neu für Face ID eingerichtet, respektive die auf dem Gerät gespeicherten biometrischen Daten des Besitzers zurückgesetzt hat. Ein Training des Algorithmus sei nicht erfolgt.
Die Maske lasse sich mithilfe eines 3D-Druckers sehr einfach anfertigen, die Materialkosten lägen bei rund 200 US-Dollar.
Als Material komme Steinmehl zum Einsatz, da dies Face ID besser austrickse als das zuvor verwendete Papierklebeband.
Für die Augenpartie werden aufgeklebte 2D-Infrarot-Aufnahmen eingesetzt.
Um an die 3D-Gesichtsdaten des Opfers zu kommen, müsse dieses «nur» heimlich aus bestimmten Winkeln abfotografiert werden, etwa beim Betreten eines Raumes.
Es bleiben Fragen zum Vorgehen der Forscher. Etwa, wie viele Versuche sie benötigten, bis es funktionierte. Bekanntlich wird Face ID nach fünf Fehlversuchen deaktiviert.
Es handle sich um eine «kritische Schwachstelle», warnen die Sicherheitsforscher und raten generell allen Nutzern ab, Face ID für «geschäftliche Transaktionen» zu verwenden.
Fingerabdruck-Scanner seien (vorläufig) deutlich sicherer, behaupten die Sicherheitsforscher:
«Man kann sagen, dass Fingerabdrucke bis heute die sicherste biometrische Technologie sind. Das Sammeln eines Fingerabdrucks ist viel schwieriger als das Fotografieren aus der Ferne. Indessen können sowohl Apples Face ID als auch Samsungs Iris-Scanner einfach umgangen werden, indem man aus der Ferne fotografiert, um, wie oben erwähnt, 3D-Objekte zu erstellen.»
«Wir waren das erste Unternehmen der Welt, das gezeigt hat, dass Gesichtserkennung keine wirksame Sicherheitsmassnahme für Laptops ist, gleich nachdem Toshiba, Lenovo, Asus, etc. diese Technologie für ihre Produkte verwendet haben.»
Wie schlimm ist es wirklich?
Gegenüber Forbes relativierte ein renommierter Sicherheitsexperte. Zwar zeige das Experiment, dass eine statische Maske die Apple-Technologie täuschen könne. Allerdings seien Real-World-Anwendungen sehr schwierig zu realisieren.
«Sie können an der Art und Weise, wie dieses Experiment durchgeführt wird, sehen, dass es sehr schwierig ist, das Gerät genau so zu positionieren. Das deutet darauf hin, dass die Maske unter ganz bestimmten Umständen verwendet werden muss.»
Professor Alan Woodward, Sicherheits- und Verschlüsselungsexpertequelle: forbes
Für normale iPhone-User ändert sich durch die «Enthüllung» der vietnamesischen Sicherheitsforscher nichts. Konkrete Angriffe erscheinen extrem unwahrscheinlich, weil sich bei den meisten Opfern der Aufwand nicht lohnen dürfte. Nichtsdestotrotz bleibt ein mehr als schaler Nachgeschmack. Apple ist gefordert. Denn wie heise.de richtig erinnert, wurde zu viel versprochen:
«Apple hat Face ID nach eigener Angabe speziell darauf ausgelegt, eine Täuschung durch Masken zu durchschauen – und den Zugriff entsprechend zu verweigern.»
Hingegen hat der iPhone-Hersteller bereits vor dem Verkaufsstart des iPhone X offiziell darüber informiert, dass Face ID nicht immer zuverlässig zwischen nahen Verwandten unterscheiden könne. Die Wahrscheinlichkeit einer falschen Übereinstimmung sei insbesondere bei Zwillingen und Geschwistern grösser. Die Details dazu gibt's im Face ID Security Guide (PDF).
Auch zwischen Kindern und Eltern kann Apples Gesichtserkennung nicht immer klar unterscheiden, wie sich Mitte November zeigte. Ein Zehnjähriger konnte aufs iPhone X seiner Mutter zugreifen, wie die Familie gegenüber Wired schilderte.
Zuvor hätten mehrere Geschwisterpaare berichtet, dass sie in der Lage seien, das iPhone X des Bruders oder der Schwester zu entsperren, hielt heise.de fest. Allerdings sei dabei offenbar nach Fehlversuchen der PIN-Code eingegeben worden.
«Durch diesen Prozess versucht Face ID, kleinere Änderungen der Erscheinung zu erlernen, etwa Bartwuchs, das Tragen einer Brille oder Make-up: Bei ähnlichen Gesichtern wird dann möglicherweise auch dem anderen Geschwisterteil Zugang eingeräumt, ohne dass es sich dabei um Zwillinge handeln muss.»
Wer auf dem iPhone X sensible Informationen (Geschäftsgeheimnisse etc.) speichert oder über das Gerät darauf zugreift, sollte es durch ein sicheres Passwort (keinen sechsstelligen PIN) schützen. Gleichzeitig müsste wohl oder übel die automatische Gesichtserkennung deaktiviert werden – selbst wenn dies die Benutzerfreundlichkeit natürlich massiv beeinträchtigt.
So lautet auch die offizielle Empfehlung:
«If you happen to have an evil twin, you really need to protect your sensitive data with a passcode.»
PS: Bkav schreibt auf seiner Website, dass es nicht nur die führende Sicherheitsfirma Vietnams sei, sondern auch ein Smartphone-Hersteller. Tatsächlich ist beim 2017 lancierten Bphone lediglich ein Fingerabdruck-Scanner verbaut.
Sollte Apple eine offizielle Stellungnahme veröffentlichen, werden wir den Artikel entsprechend ergänzen.
Wie Mac Observer berichtet, hat das Unternehmen mehrere neue Promo-Videos zur Gesichtserkennung veröffentlicht. Damit wird unter anderem die Benutzerfreundlichkeit angepriesen:
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
DailyGuy
28.11.2017 09:03registriert Dezember 2015
Touch ID wurde innerhalb der ersten 24 Stunden überlistet, und da sagten die Sicherheitsexperten, dass man den kleinen Finger brauchen soll, da man von diesem Finger am wenigsten Abdrücke hinterlasse. Wurde je einer von uns mit einem Fake Fingerabrdruck gehackt? Nein.
Dasselbe gilt bei der Maske. Nicht nur braucht man die genauen Gesichtsdaten, und da reichen nicht nur ein paar Fotos, dann braucht man einen extrem genauen 3D Drucker und noch ein paar Infrarotbilder der Augen. Und dann muss das ganze innerhalb von 5 Versuchen klappen, sonst sperrt sich das iPhone automatisch.
Hypothetische Frage, was ist schwieriger von jmd zu bekommen, sein Handy sowie einen brauchbaren Fingerabdruck, oder sein Handy und ein 1:1 3D Modell seines Gesichts (unbemerkt).
Mit genügend Zeit und Aufwand kann man jede Sicherheitseinrichtung überlisten/knacken/umgehen, das macht diese Einrichtung nicht jedoch nicht zwingend unsicher.
Mit dem Aufwand der da betrieben wurde ist höchstens ein gezielter Angriff möglich, aber ich bezweifle dass sich unbemerkt die notwendigen Gesichtsdaten beschaffen lassen.
Trump erhöht Druck auf «Tim Apple»: In Indien soll nur für indische User produziert werden
US-Präsident Donald Trump verstärkt den Druck auf Apples Konzernchef Tim Cook. Dieser soll mehr Geräte in den USA bauen lassen statt in Asien.
«Ich hatte ein kleines Problem mit Tim Cook gestern», erklärte Trump bei einem Auftritt in Katar. «Tim, Du bist mein Freund, ich habe Dich sehr gut behandelt», habe er dem Apple-Chef gesagt. Doch obwohl Cook Investitionen von 500 Milliarden Dollar in den USA angekündigt habe, lasse er Geräte «in ganz Indien» produzieren.